4R30/25x – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache der Klägerin A* , geboren am **, Angestellte, **straße **, **, vertreten durch die TWS rechtsanwälte og in St. Pölten, gegen die Beklagte B* GmbH , **, **straße **, **, vertreten durch die Huber Dietrich Rechtsanwalts-Partnerschaft in Linz, wegen (eingeschränkt) EUR 27.307,24 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 5.000,00), über die Berufung der Klägerin (Berufungsinteresse: EUR 27.307,24 sA) gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 22. Jänner 2025, Cg*-39, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird keine Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 2.857,92 (darin enthalten EU 479,32 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin zog sich am 21. Oktober 2021 bei einem Sturz von einem Pferd einen Riss des hinteren Kreuzbands im linken Bein zu. Noch am selben Tag begab sie sich in das C* Klinikum D*, wo die Verletzung erstversorgt wurde. Am 5. November 2021 erfolgte dort eine Operation, bei der es zu einer iatrogenen Läsion [durch die Operation verursachte Verletzung] der Arteria tibialis anterior [vordere Schienbeinarterie] kam. Die Beklagte war und ist die Rechtsträgerin des Klinikums.
Die Klägerin begehrt (zuletzt) EUR 16.920,00 Schmerzengeld, EUR 7.500,00 für die Verunstaltung in Form einer Narbe, insgesamt EUR 913,74 an Kosten für Medikamente, Heilbehelfe und Physiotherapie, EUR 281,00 an „unfallkausalen Fahrtkosten“, EUR 1.612,50 an Kosten einer Haushalts- und Pflegehilfe sowie „Generalunkosten“ von EUR 80,00. Sie brachte – auf das Wesentliche zusammengefasst – vor, die Verletzung der vorderen Schienbeinarterie im Zuge der Operation sei ein ärztlicher Kunstfehler. Daran ändere nichts, dass diese Arterie bei ihr anatomisch ungewöhnlich verlaufe, weil vor der Operation bildgebende Befunde vorhanden gewesen seien, auf denen der Verlauf der Arterie erkennbar gewesen sei. Das hätte dem Operateur daher auffallen müssen. Jedenfalls sei sie über das Operationsrisiko, das sich letztendlich verwirklicht habe, nicht ausreichend aufgeklärt worden. Die Ärzte der Beklagten hätten sie auch nicht darüber informiert, dass die Verletzung auch ohne Operation (dh konservativ) behandelt hätte werden können. Wäre sie über diese gleichwertige Behandlungsalternative aufgeklärt worden, hätte sie sich gegen eine Operation entschieden. Die Beklagte hafte daher für die entstandenen Folgen (stärkere und längere Schmerzbelastung, Verunstaltung durch Narbe, längerer Heilungsverlauf und eingeschränkte Beweglichkeit, Taubheitsgefühle sowie voraussichtlich lebenslang notwendige Einnahme von Blutverdünnungsmitteln aufgrund des eingesetzten Venen-Bypasses). Da Spät- und Dauerfolgen nicht auszuschließen seien, bestehe ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für allfällige künftige Schäden.
Die Beklagte bestritt und beantragte Klagsabweisung. Die Behandlung sei lege artis erfolgt. Die Gefäßverletzung sei eine schicksalshafte Komplikation, über die die Klägerin auch umfassend aufgeklärt worden sei. Der bei der Klägerin vorliegende atypische Verlauf der vorderen Schienbeinarterie sei präoperativ auf den bildgebenden Befunden nicht erkennbar gewesen, weshalb dem Operateur die Gefäßschädigung nicht vorgeworfen werden könne. Selbst bei „weitergehender Aufklärung“ über die eingetretene Komplikation hätte die Klägerin in den indizierten Eingriff eingewilligt. Hätte sie den Eingriff nicht durchführen lassen, wären die fortbestehenden Schmerzen und Beschwerden „mindestens gleich hoch“ gewesen, wie die aufgrund der Komplikation eingetretenen. Dass sich die Klägerin bei Aufklärung über die Alternative einer konservativen Behandlung gegen eine Operation entschieden hätte, werde bestritten. Im Übrigen seien die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche überhöht. Ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten bestehe nicht, da Spät- und Dauerfolgen mit der in der Medizin möglichen Sicherheit auszuschließen seien.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgerichtdie Klage ab. Seiner Entscheidung legte es den auf den Seiten vier bis neun des Urteils wiedergegebenen Sachverhalt zugrunde, worauf gemäß § 500a ZPO verwiesen werden kann. Für das Berufungsverfahren wesentlich sind folgende Feststellungen (wobei die von der Klägerin bekämpften Feststellungen kursiv hervorgehoben sind):
Die Klägerin erlitt durch einen Sturz vom Pferd am 21. Oktober 2021 einen kaum dislozierten knöchernen Ausriss des hinteren Kreuzbandes und wurde im Klinikum der Beklagten erstversorgt. Es handelt sich dabei um eine sehr seltene Verletzung, mit einer Inzidenz von 2 pro 100.000 in der allgemeinen Bevölkerung.
Im Zuge der Erstversorgung wurden ein Kontrolltermin für den 28. Oktober 2021 und ein Operationstermin für den 2. November 2021 vereinbart und die bevorstehende Operation sowie die Notwendigkeit der Einholung eines MRT mit der Klägerin besprochen. Von Dr. E* wurde mit der Klägerin der Aufklärungsbogen zur Operation ausgefüllt und dieser bereits am 21. Oktober 2021 der Klägerin übergeben.
Im schriftlichen Aufklärungsbogen wird unter anderem darüber aufgeklärt, dass in sehr seltenen Fällen Blutgefäße und/oder Gewebe (zB Sehnen, Bänder, Muskel, Menisken) verletzt werden, wodurch eine operative Behandlung oder Erweiterung der Operation erforderlich sein kann. Darüber hinaus wird darüber aufgeklärt, dass nach einer Verletzung der kniegelenknahen Arterien, sich sehr selten ein abgekapselter Bluterguss bildet, der Druck, Schmerzen und Schwellungen im Bereich von Kniekehle und Wade verursachen kann. Eine operative Behandlung kann erforderlich werden. Weiterhin kann eine Verletzung der Arterien unter anderem zur Einblutung in das Gewebe, zu einem gestörten bzw fehlenden Blutfluss in den Unterschenkel, sehr selten zur Ausbildung eines unnatürlichen Verbindungsgangs zwischen Arterie und Vene (Fistel) oder zur Aussackung der Gefäßwand (Aneurysma) führen. Im ungünstigsten Fall kann es zu lebensbedrohlichen Blutungen oder zum Verlust des Beines kommen.
Darüber hinaus wird im Aufklärungsbogen über Haut-/Gewebe-/Nervenschäden aufgeklärt und dass mögliche dauerhafte Folgen Schmerzen, Entzündungen, Absterben von Gewebe, Narben sowie Empfindungs- und Funktionsstörungen und Lähmungen der Gliedmaßen sein können. Die Klägerin schaute diesen Aufklärungsbogen durch, las diesen jedoch nicht genau durch, da sie sich nicht für die Risiken interessierte. Die Klägerin glaubte, dass alles gut gehen werde.
Am 28. Oktober 2021 suchte die Klägerin das Krankenhaus der Beklagten zum vereinbarten Termin auf. Zum Aufklärungsgespräch mit dem Operateur OA Dr. F* brachte die Klägerin den bereits ausgefüllten Aufklärungsbogen zur Operation mit. Nachdem Dr. F* die Anamnese und die Indikation überprüfte, nannte er der Klägerin die Optionen der Operation und der konservativen Behandlung. Anschließend führte er mit der Klägerin ein Aufklärungsgespräch durch, bei dem er über allgemeine und spezifische – mit der konkreten Operation einhergehende – Risiken aufklärte. Betreffend die allgemeinen Risiken klärte er die Klägerin zum Beispiel über das Infektionsrisiko und über Wundheilungsstörungen auf.
Hinsichtlich der spezifischen Komplikationen klärte Dr. F* die Klägerin insbesondere über das Risiko von Gefäß- und Nervenverletzungen, über mögliche Nachblutungen mit einem Kompartmentrisiko oder einer Osteosyntheseinsuffizienz, sowie über das Risiko einer verbleibenden Instabilität auf. Da die klare Empfehlung von Dr. F* die operative Behandlung war, klärte er nur über die Risiken der operativen Behandlung und nicht über die Risiken der konservativen Behandlung auf. Die Klägerin hätte auch bei Aufklärung durch Dr. F* über die Risiken sowie die Vor- und Nachteile der konservativen Behandlung in die Operation eingewilligt.
Dr. F* teilte der Klägerin im Zuge des Aufklärungsgespräches mit, dass es sich um eine Routineoperation handelt, über die Häufigkeit der Durchführung dieser speziellen Operation klärte er die Klägerin nicht auf. Der Klägerin war bewusst, dass auch bei einem Routineeingriff eine Komplikation eintreten kann und dass Arterien, Venen und Nerven im Bein verletzt werden können, sie glaubte aber, dass alles gut gehen werde. Dr. F* führte in den letzten zehn Jahren etwa 50 bis 60 Operationen mit einem Zugang zur Kniekehle durch und ist ein sehr erfahrener Knieoperateur.
Die Klägerin hatte im Zuge des Aufklärungsgespräches die Möglichkeit, weiterführende Fragen zu stellen, hatte jedoch zum geplanten Eingriff keine weiteren Fragen. Anschließend wurde die Klägerin hinsichtlich der nötigen Narkose aufklärt und unterfertigte auch diesbezüglich einen ausgefüllten Aufklärungsbogen, der insbesondere einen Hinweis auf mögliche lebensbedrohliche Komplikationen enthielt.
Am 29. Oktober 2021 hatte die Klägerin einen MRT-Termin. Die Bilder und Befunde wurden direkt an die Beklagte übermittelt.
Zwei Tage vor der Operation hielt die Klägerin Rücksprache mit einem externen Chirurgen, der nicht bei der Beklagten tätig war. Dieser klärte sie über die Vor- und Nachteile der Behandlungsmöglichkeiten auf , insbesondere darüber, dass ihre Verletzung auch konservativ – konkret durch einen sechswöchigen Liegegips – behandelt werden könnte und dass das Kreuzband höchstwahrscheinlich wieder anwachsen würde, allerdings nicht genau an der Stelle, wo es mit einer Operation fixiert werden könne. Auch dieser Chirurg legte der Klägerin die Vornahme der geplanten Operation nahe, da das Operationsrisiko gering sei und das Kreuzband nach der Operation wieder dort sitze, wo es hingehöre.
Die Klägerin entschied sich für die Operation, da auch der externe Chirurg angab, dass ein derart geringes Risiko bei der Operation besteht, dass er die Operation empfehlen würde.
Während vor etwa 20 Jahren ein knöcherner Ausriss des hinteren Kreuzbandes fast nur konservativ behandelt wurde, finden zunehmend operative Bemühungen statt. Während von einem Teil der mit dieser Methode vertrauten Mediziner und von einem Teil der Literatur bei der Verletzung der Klägerin eine Operation als notwendig erachtet wird, würde sich ein anderer Teil der mit dieser Methode vertrauten Mediziner und ein anderer Teil der Literatur aufgrund der geringen Verschiebung für eine konservative Therapie entscheiden. Es herrscht hinsichtlich der richtigen Behandlungsmethode ein „Schulenstreit“.
Der Operationstermin wurde sodann auf den 5. November 2021 verschoben.
Im Zuge der Operation am 5. November 2021 trat eine Komplikation in Form einer iatrogenen Läsion einer atypisch hoch entspringenden Arteria tibialis anterior auf. Ein hoher Abgang der Arteria tibialis anterior liegt in höchstens 3 % der Fälle vor. Konkret wurde die atypisch hoch entspringende Arteria tibialis anterior der Klägerin durch das Aufspreizen der Operationswunde durchtrennt mit einer pulsierenden, arteriellen Blutung. Der Operateur erkannte unmittelbar die Komplikation und leitete sofort die richtigen Konsequenzen ein, wodurch nachhaltige Schäden verhindert werden konnten. Zur Korrektur der durchtrennten Arteria tibialis anterior musste die Operation erweitert werden. Die Ärzte der Beklagten legten einen Gefäßbypass, wobei dies lege artis erfolgte.
Eine solche Gefäßanomalie wird üblicherweise nicht vor der Operation abgeklärt. Mit dem atypisch hohen Abgang musste man nicht rechnen. Es hat sich im Zuge der Operation ein Risiko verwirklicht, das speziell dem konkreten Eingriff anhaftet. Die Operation des hinteren Kreuzbandes wurde lege artis durchgeführt, bei der eingetretenen Gefäßverletzung handelt es sich um eine schicksalshafte Komplikation. Verletzungen von Blutgefäßen und Nerven stellen eine typische Komplikation bei Operationen des hinteren Kreuzbandes dar.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die Operation an sich lege artis durchgeführt worden und eine schicksalshafte Komplikation eingetreten sei. Auch die „Entscheidung des Operateurs für die operative Versorgung“ stelle angesichts des festgestellten „Schulenstreits“ keinen Behandlungsfehler dar. Die Klägerin sei auch über mögliche Nerven- und Gefäßschäden und somit auch über das Risiko einer Gefäßdurchtrennung aufgeklärt worden. Eine Aufklärung über die Häufigkeit von Operationen des hinteren Kreuzbands habe nicht stattgefunden, sei aber auch nicht erforderlich gewesen. Die Klägerin sei sowohl vom Operateur als auch von einem anderen Chirurgen auf die Möglichkeit einer konservativen Behandlung hingewiesen worden. Die Empfehlung zur Operation sei nicht zu beanstanden, weil es sich dabei um eine in der Medizin anerkannte Behandlungsmöglichkeit handle. Dass es auch Ärzte gebe, die in einer solchen Situation eine konservative Behandlung bevorzugen, ändere daran nichts. Abgesehen davon hätte die Klägerin ohnehin auch dann, wenn sie von Dr. F* über die Risiken und die Vor- und Nachteile der konservativen Behandlung aufgeklärt worden wäre, in die Operation eingewilligt. Daher liege weder ein Behandlungs- noch ein Aufklärungsfehler vor, weshalb die Klage abzuweisen sei.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das Urteil dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Tatsachenrüge:
Dazu ist vorauszuschicken, dass das Berufungsgericht anlässlich der Behandlung einer Beweisrüge nur zu überprüfen hat, ob das Erstgericht die ihm vorliegenden Beweisergebnisse nach der Aktenlage schlüssig gewürdigt hat, jedoch nicht, ob seine Feststellungen mit der objektiven Wirklichkeit tatsächlich übereinstimmen. Gemäß § 272 ZPO obliegt die Beweiswürdigung primär dem erkennenden Gericht. Dieses hat nach sorgfältiger Überzeugung unter Berücksichtigung der Ergebnisse des gesamten Verfahrens zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzusehen ist oder nicht. Der bloße Umstand, dass nach den Beweisergebnissen allenfalls auch andere Feststellungen möglich gewesen wären, oder dass in den Akten einzelne Beweisergebnisse existieren, die für den Prozessstandpunkt der Berufungswerberin sprechen, reicht im Allgemeinen noch nicht aus, eine unrichtige oder bedenkliche Beweiswürdigung mit dem Ergebnis aufzuzeigen, dass die erstinstanzlichen Feststellungen abgeändert werden müssen. Die Beweisrüge muss also überzeugend darlegen, dass die getroffenen Feststellungen entweder überhaupt zwingend unrichtig sind oder wenigstens bedeutend überzeugendere Beweisergebnisse für andere Feststellungen vorliegen (RI0100099).
1.1. Die Klägerin bekämpft zunächst folgende Feststellung (US 5):
„Nachdem Dr. F* die Anamnese und die Indikation überprüfte, nannte er der Klägerin die Optionen der Operation und der konservativen Behandlung“.
Stattdessen strebt sie die Ersatzfeststellung an, dass Dr. F* nicht über die Möglichkeit einer konservativen Behandlung aufgeklärt habe, weil er diese nicht für erfolgversprechend erachtet habe. Hilfsweise begehrt sie eine dementsprechende non-liquet-Feststellung.
1.1.1. Soweit die Klägerin zunächst lediglich pauschal meint, ihr wäre „gar keine Option zu einer konservativen Behandlung eingeräumt worden“, zumal das durchgeführte Beweisverfahren dafür keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätte (Pkt A.1.1. der Berufung), trifft das – wie noch zu zeigen sein wird – nicht zu.
1.1.2. Weiters stützt sich die Klägerin auf den Aufklärungsbogen, der – ihrer Ansicht nach – keine Option der konservativen Behandlung festhalte (Pkt A.1.2 der Berufung). Der Inhalt des Aufklärungsbogens entfaltet aber höchstens Indizwirkung dafür, worüber ein Arzt aufgeklärt hat, schließt eine weitergehende Aufklärung aber auch nicht aus. Mit diesem alleine kann die Klägerin daher nicht aufzeigen, dass das Erstgericht dem Zeugen Dr. F* nicht glauben hätte dürfen. Abgesehen davon kann die von der Klägerin selbst in ihrer Berufung zitierte Stelle des Aufklärungsbogens durchaus auch so verstanden werden, dass es zwar grundsätzlich „nicht-operative Behandlungsmöglichkeiten“ gibt, diese aber – verglichen mit einer Operation – keine ausreichenden Erfolgsaussichten bieten. Auch dass „sonst nirgendwo schriftlich festgehalten worden sei, dass der Klägerin die Option einer konservativen Therapie angeboten worden sei“, spricht nicht zwangsläufig gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen Dr. F*.
1.1.3. Für die Klägerin ist auch mit ihren Ausführungen zu den Aussagen Dr. F*s nichts zu gewinnen, weil sie diese einseitig in ihrem Sinn deutet. Richtig ist zwar, dass der Zeuge zunächst meinte, es habe zur Operation keine Alternative gegeben (S 9 f/ON 8.1). Unmittelbar darauf stellte er allerdings klar, dass die Alternative eine konservative Therapie in Form einer „Schienenbehandlung“ gewesen wäre, deren Nachteile er im Einzelnen darstellte. Weiters führte er dezidiert aus, dass „die Optionen der operativen oder konservativen Behandlung von uns genannt werden“. Bei einer klaren Empfehlung für die Operation würde dann aber „nur mehr die operativen Risiken aufgeklärt und im Operationsaufklärungsbogen festgehalten“ (aaO). Diese Aussagen lassen sich durchaus lebensnah so interpretieren, dass der Zeuge zwar die Option einer konservativen Behandlung angesprochen, diese aber nicht als erfolgversprechend erachtet hat. Beweisthema der bekämpften Feststellung ist aber ohnehin nur, ob eine Alternative aufgezeigt wurde, nicht aber, ob und wie die Erfolgsaussichten dargestellt wurden.
Die ursprüngliche Angabe des Zeugen, dass keine Alternative bestanden habe, kann im Übrigen so verstanden werden, dass er damit keine – aus seiner Sicht hinreichend erfolgversprechende – Alternative meinte. Vor diesem Hintergrund liegt weder der von der Klägerin verortete („denklogische“) Widerspruch vor, noch trifft es zu, dass aus der Aussage des Zeugen gar nicht hervorgehe, dass er Optionen dargestellt habe. Wenn die Klägerin darauf hinweist, dass der Zeuge nur davon gesprochen habe, dass „die Optionen [..,] von uns genannt werden“, aber nicht gesagt habe, dass er (selbst) diese erwähnt habe, mutet das rabulistisch an. Denn es liegt auf der Hand, dass der Zeuge damit offensichtlich eine bei der Beklagten übliche Praxis gemeint hat, an die auch er sich hält.
1.1.4. Daran ändern auch die von der Klägerin ins Treffen geführten eigenen Aussagen nichts. Diesbezüglich erschöpfen sich ihre Ausführungen – abgesehen von vereinzelten qualitativen Wertungen ohne nähere Begründung (wie zB „völlig unbefangen“) – nämlich in einer bloßen Wiedergabe ihrer Aussagen. Damit kann sie aber nicht aufzeigen, warum die beweiswürdigenden Erwägungen des Erstgerichts (US 10 ff; § 500a ZPO) zwingend falsch oder zumindest bedeutend weniger wahrscheinlich sein sollen, als die Sicht der Klägerin. Sollte sie (ua mit ihrem abschließenden Hinweis auf die Aussagen des Zeugen Prim. Dr. IG) darauf hinauswollen, dass im Krankenhaus der Beklagten hinsichtlich der korrekten Behandlungsmethode allgemein eine derart verfestigte Meinung vorherrscht, dass Alternativen den Patienten gegenüber überhaupt nicht mehr erwähnt werden, ist das aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse weder zwingend noch naheliegend.
Ausgehend vom eingangs dargestellten Maßstab hält die bekämpfte Feststellung daher einer Überprüfung durch das Berufungsgericht stand.
1.2. Weiters wendet sich die Klägerin gegen folgende Feststellung (US 5):
Die Klägerin hätte auch bei Aufklärung durch Dr. F* über die Risiken sowie die Vor- und Nachteile sowie der Erfolgsaussichten der konservativen Behandlung in die Operation eingewilligt.
Stattdessen begehrt sie die Feststellung des Gegenteils, dh dass sie nicht in die Operation eingewilligt hätte. Hilfsweise zielt sie auf eine diesbezügliche non-liquet-Feststellung ab.
1.2.1. Dass es sich bei der getroffenen Feststellung „um eine reine Mutmaßung handle, die sich aus dem Beweisverfahren nicht ergebe“ (Pkt A.2.1 der Berufung), trifft nicht zu. Vielmehr hat das Erstgericht plausibel begründet, warum es diese Feststellung zum hypothetischen Willen der Klägerin getroffen hat (US 10 f), nämlich in erster Linie deshalb, weil sie von einem „externen Chirurgen“ ohnehin über die Vor- und Nachteile der konservativen Behandlung aufgeklärt worden sei. Die Annahme des Erstgerichts, dass angesichts dessen eine weitere diesbezügliche Aufklärung durch Dr. F* nichts geändert hätte ist – auch wenn die Klägerin meinte, entsprechende Hinweise „von zwei Parteien“ hätten ihren Entschluss beeinflusst – ist lebensnah und daher nicht zu beanstanden.
1.2.2. Wenn sich die Klägerin auf den Aufklärungsbogen (Pkt A.2.2. der Berufung) sowie das Gutachten des Sachverständigen Dr. H* (Pkt A.2.3 der Berufung) stützt, ist sie daran zu erinnern, dass das Beweisthema, das der bekämpften Feststellung zugrunde liegt, nur der (hypothetische) Wille der Klägerin ist. Die von ihr ins Treffen geführten Beweismittel ermöglichen allerdings höchstens Aufschlüsse darüber, über welche Punkte die Klägerin tatsächlich aufgeklärt wurde, ob die Operation lege artis durchgeführt wurde bzw ob es andere (gleichwertige) Behandlungsmöglichkeiten gegeben hätte. Die Klägerin kann aber damit nicht schlüssig aufzeigen, inwieweit sich daraus Schlussfolgerungen auf ihren inneren Willensbildungsprozess ergeben sollen, wenn man eine entsprechende Aufklärung über die Vor- und Nachteile einer konservativen Behandlung durch Dr. G* unterstellt. Aus den Ausführungen der Klägerin in der Berufung ergibt sich insoweit nur, dass ihrer Ansicht nach ein unzureichendes Bild von den Behandlungsalternativen vermittelt worden sei bzw dass die Ausführungen im Aufklärungsbogen, wonach die nicht-operative Behandlungsmaßnahmen keine ausreichenden Erfolgsaussichten hätten, unrichtig seien. Was das aber mit der (mutmaßlichen) Entscheidung der Klägerin, wenn sie über Vor- und Nachteile einer konservativen Entscheidung aufgeklärt worden wäre, zu tun haben soll, ist nicht nachvollziehbar.
1.2.3. Schließlich erkennt die Klägerin selbst, dass es – im Kontext der bekämpften Feststellung – darauf ankommt, wie sie gehandelt hätte, wenn sie von der Beklagten „richtig und umfassend“ aufgeklärt worden wäre (Pkt A.2.3 der Berufung). Diesbezüglich bezweifelt sie zunächst, dass sie „tatsächlich vom externen Chirurgen vollständig und richtig über die Risiken aufgeklärt worden sei“ und meint, dass sich dieser „Chirurg an die Empfehlung der Beklagten zur Operation gehalten haben dürfte“. Dessen „Empfehlung wäre „sicher anders ausgefallen“, wenn die Klägerin von vornherein von der Beklagten über die Option zur konservativen Behandlung aufgeklärt worden wäre“.
Dem ist allerdings zu erwidern, dass es sich dabei um bloße Spekulationen handelt, denen schon deshalb nicht nachgegangen werden muss, weil die Klägerin die Möglichkeit gehabt hätte, die Vernehmung des von ihr konsultierten („externen“) Arztes zu beantragen. Bloße Mutmaßungen über den Gesprächsinhalt sowie darüber, wie sich dieser verhalten hätte, wenn er über andere „Vorinformationen“ durch die Beklagte verfügt hätte, können aber – im Rahmen einer Tatsachenrüge – nicht zu Bedenken gegen die aufgrund vorhandener Beweisergebnisse getroffenen Feststellungen führen. Auch daraus ergeben sich daher keine triftigen Gründe, die gegen den vom Erstgericht festgestellten hypothetischen Willen der Klägerin sprechen.
Außerdem führt die Klägerin aus, die Beklagte habe die Operation „wiederholt als reine Routinegeschichte verkauft“, obwohl das aufgrund der speziellen Verletzung nicht der Fall gewesen sei. Die Klägerin habe sich nur deshalb „nicht wirklich“ für die Risiken interessiert, weil – unrichtig – von einer solchen Routineoperation gesprochen worden sei. Vor diesem Hintergrund könne angesichts der Aussagen der Klägerin nicht von einer dennoch erfolgten Einwilligung in die Operation im Fall der Kenntnis sämtlicher Vor- und Nachteile der konservativen Behandlung ausgegangen werden.
Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass nach den eigenen Angaben der Klägerin ihr der „andere Chirurg“ gesagt habe, dass „das Kreuzband nicht durchgerissen, sondern nur ausgerissen sei und daher mit sechs Wochen Liegegips höchstwahrscheinlich auch wieder anwachsen würde, wenn auch nicht hundertprozentig an der Stelle, wo es mit der OP fixiert werden kann“ (S 4/ON 8.1). Außerdem habe er gemeint, dass „es auch ohne Operation funktionieren würde“ (S 4/ON 30.1). Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls vertretbar, wenn das Erstgericht annimmt, die Klägerin hätte sich auch dann für die Operation entschieden, wenn sie Dr. F* insbesondere auch darüber aufgeklärt hätte, dass eine konservative Behandlung gleichwertige Erfolgsaussichten habe. Denn auch der wesentlich kürzere und wohl weniger beschwerliche Heilungsverlauf bei einer (komplikationslosen) Operation (verglichen mit Liegegips für die Dauer von sechs Wochen samt anschließend notwendiger Remobilisierung) ist ein nachvollziehbares Motiv für eine Operation (vor allem dann, wenn deren Risiken als gering eingeschätzt werden).
Daran ändern auch die Ausführungen der Klägerin zur Darstellung als Routineoperation nichts. Zum einen war der Klägerin – wie das Erstgericht unbekämpft feststellte – bewusst, das es auch bei solchen Eingriffen zu Komplikationen (wie insbesondere der Verletzung von Gefäßen, S 4 f/ON 8.1) kommen kann. Zum anderen kann auch nicht zwangsläufig gesagt werden, dass sich die Klägerin – trotz ihrer gegenteiligen Angaben – gegen die Operation entschieden hätte, wenn sie gewusst hätte, dass diese nur zwei bis dreimal im Jahr durchgeführt wird. Es ist nämlich auch gut möglich, dass die Klägerin, wenn sie das gewusst hätte, die Operation dennoch durchführen hätte lassen, weil sie von einem – wie festgestellt – erfahrenen Operateur, der bereits 50 bis 60 Mal per Zugang über die Kniekehle operiert hat, vorgenommen werden sollte. In diesem Lichte sind die Ausführungen des Erstgerichts, das die Angaben der Klägerin – zusammengefasst – als eher von ihren (negativen) Erfahrungen geprägt bzw aus einer rückblickenden Perspektive getätigt und demnach als für eine Beurteilung vom ex-ante-Standpunkt aus als nicht ausreichend zuverlässig gewertet hat, nicht von der Hand zu weisen und daher unbedenklich. Gleiches gilt, wenn sich die Klägerin darauf beruft, dass sie sich anders entschieden hätte, wenn sie „zwei Parteien“ auf die Möglichkeit der Behandlung mit Liegegips hingewiesen hätten.
1.3. Die Klägerin bekämpft weiters folgende Feststellung (US 6):
Der externe Chirurg klärte die Klägerin über die Vor- und Nachteile der Behandlungsmöglichkeiten auf.
Ersatzweise wünscht sie eine non-liquet-Feststellung dazu, inwieweit „die Klägerin vom externen Chirurgen umfassend und richtig über die Vor- und Nachteile der Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt wurde“.
Sie meint, das Beweisverfahren habe nicht eindeutig ergeben, inwieweit die Klägerin „vom namentlich nicht einmal feststehenden“ Chirurgen über die Vor- und Nachteile der beiden Behandlungsalternativen aufgeklärt worden sei. Es „erscheine nicht sachgerecht“, die Feststellung alleine auf die Aussage der Klägerin zu gründen, zumal diese angegeben habe, dass ihr Hintergrundinformationen fehlten. Außerdem zeige ein Vergleich der Schilderungen der Klägerin mit den gutachterlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen, dass sie keineswegs umfassend, sondern möglicherweise sogar falsch informiert worden sei.
Ungeachtet dessen, dass die Feststellung – aufgrund der weiteren nicht erfolgreich bekämpften Feststellungen – gar nicht (mehr) entscheidungserheblich ist, ist auch diese nicht zu beanstanden. Warum die eigenen Angaben der Klägerin in diesem Punkt unzuverlässig sein sollen, kann sie nicht schlüssig aufzeigen. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum medizinische Laien den Inhalt von Aufklärungsgesprächen mit Ärzten (bzw ihr Verständnis davon) nicht richtig wiedergeben können sollen. Soweit die Klägerin eine Präzisierung der Vor- und Nachteile der Behandlungsmöglichkeiten vermisst, kommt es darauf nicht an. Ihre Rechtsmittelausführungen lassen diesbezüglich nämlich hinreichend deutlich nur erkennen, dass sie darauf abstellt, dass sie nicht darüber aufgeklärt worden sei, dass auch mit einer konservativen Behandlung ein vergleichbares Ergebnis erzielt werden kann. Allerdings hat sie selbst ausgesagt, dass der Chirurg gemeint habe, „es werde auch ohne Operation funktionieren“ (S 4/ON 30.1). Schon deshalb ist die getroffene Feststellung so zu verstehen, dass auch ein gleiches oder zumindest ähnliches Ergebnis der Behandlungsalternativen Inhalt der Aufklärung (durch den „externen“ Chirurgen) war. Daher ist die Feststellung weder bedenklich, noch müssen weitere Details zum Gesprächsinhalt festgestellt werden, weshalb in diesem Zusammenhang auch kein – dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zuzuordnender – sekundärer Feststellungsmangel vorliegt.
1.4. Schlussendlich wendet sich die Klägerin gegen folgende (ihrer Ansicht nach teilweise dislozierten) Feststellungen (US 6f und 14):
Während von einem Teil der mit dieser Methode vertrauten Mediziner und von einem Teil der Literatur bei der Verletzung der Klägerin eine Operation als notwendig erachtet wird, würde sich ein anderer Teil der mit dieser Methode vertrauten Mediziner und ein anderer Teil der Literatur aufgrund der geringen Verschiebung sich für eine konservative Therapie entscheiden. Es herrscht hinsichtlich der richtigen Behandlungsmethode ein „Schulenstreit“.
Es konnte nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass es sich um gleichwertige Behandlungsmethoden handelt.
Sie strebt folgende Ersatzfeststellung an:
Die Verletzung der Klägerin (kaum dislozierter Ausriss des hinteren Kreuzbandes) hätte sowohl konservativ als auch operativ mit gleichwertigen Ergebnissen behandelt werden können, mit dem Unterschied, dass die Klägerin bei konservativer Behandlung keine Narbenbildung und keine operativen Komplikationsmöglichkeiten gehabt hätte. Beide Behandlungsmethoden sind gleichwertig.
Zur Begründung stützt sie sich auf die gutachterlichen Schlussfolgerungen des Sachverständigen.
1.4.1. Um die Tatsachenrüge gesetzmäßig auszuführen, hat der Berufungswerber nach ständiger Rechtsprechung anzugeben, welche Feststellung bekämpft wird, welche Ersatzfeststellung begehrt wird, aufgrund welcher („unrichtigen“) Beweiswürdigung das Erstgericht die bekämpfte Feststellung getroffen hat, sowie aufgrund welcher Beweisergebnisse und welcher („richtigen“) beweiswürdigenden Erwägungen das Erstgericht die begehrte Ersatzfeststellung treffen hätte müssen ( Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 4 , S 173 mwN).
Die begehrte Ersatzfeststellung muss mit der bekämpften Feststellung in einem Austauschverhältnis stehen, also inhaltlich an ihre Stelle treten können. Dabei ist nicht eine bestimmte grammatikalische Formulierung entscheidend, sondern dass zu einem abgrenzbaren und konkreten Beweisthema ein anderer Sachverhalt festgestellt werden soll. Nicht logisch und daher unzulässig ist es, eine bekämpfte Feststellung zu einem Beweisthema durch eine (scheinbare) Ersatzfeststellung ersetzen zu wollen, die aber bei genauer Beurteilung ein anderes Beweisthema feststellungsmäßig abdecken würde ( Pochmarski/Tanczos/Kober , aaO S 174). Die Ersatzfeststellungen müssen also mit den bekämpften Feststellungen korrespondieren (OLG Linz 1 R 122/23a mwN; OLG Linz 4 R 46/24y; vgl auch OLG Linz 6 R 107/23g, 6 R 121/23s uva).
Das ist hier in Bezug auf die erste bekämpfte Feststellung nicht der Fall. Diese behandelt nämlich (nur) den Umstand, dass in der medizinischen Wissenschaft unterschiedliche Ansichten über die (beste) Behandlung der Verletzung herrschen (so genannter „Schulenstreit“). Das ist aber ein anderes Beweisthema, als jenes, auf das die Klägerin mit ihrer Ersatzfeststellung abzielt. Die Ersatzfeststellung betrifft nämlich die Frage, ob die erwartbaren Ergebnisse der beiden Behandlungen gleichwertig sind bzw welche Unterschiede es gegeben hätte. Damit stehen die (erste) bekämpfte Feststellung und die Ersatzfeststellung nicht in einem Austauschverhältnis, weshalb die Tatsachenrüge diesbezüglich nicht gesetzmäßig ausgeführt ist. Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die getroffene Feststellung auch unbedenklich ist, weil sie sich unmittelbar aus dem Gutachten des Sachverständigen ergibt, der ausdrücklich auf diese unterschiedlichen Sichtweisen hingewiesen hat (vgl „äußerst unterschiedliche und widersprüchliche Literatur“, „kein Standard gebildet zur Frage, ob eine HKP-Fraktur konservativ oder operativ behandelt werden muss“, S 17/ON 30.1). Dass diese Ausführungen falsch sein sollen, behauptet die Klägerin in ihrer Berufung gar nicht. Ganz im Gegenteil stützt sie sich ja im Wesentlichen auf die Einschätzungen des Sachverständigen, womit sie zum Ausdruck bringt, dass sie diese für verlässlich hält. Dass der Sachverständige selbst – wie sein Gutachten deutlich erkennen lässt – zu den Anhängern einer konservativen Behandlung zählt, kann an der Feststellung zum „Schulenstreit“ nichts ändern.
1.4.2. Davon ausgehend kann die Klägerin aber auch die weitere (dislozierte) Feststellung, wonach nicht feststellbar ist, dass beide Behandlungsalternativen gleichwertig sind, nicht mehr erfolgreich bekämpfen. Denn wenn in der medizinischen Wissenschaft Meinungsverschiedenheiten darüber herrschen, welche Behandlungsalternative erfolgversprechender ist (also ein „besseres“ Gesamtergebnis erzielt), lässt sich – bereits denklogisch zwingend – nicht abschließend beurteilen, ob beide tatsächlich gleichwertig sind. Da somit aus dem festgestellten „Schulenstreit“ bereits unter logischen Gesichtspunkten die weiters bekämpfte Feststellung folgt, kann die demgegenüber begehrte Ersatzfeststellung schon deshalb nicht getroffen werden, weil diese zu einem in sich widersprüchlichen Sachverhalt führen würde, der keiner rechtlichen Beurteilung unterzogen werden kann ( Pochmarski/Tanczos/Kober , aaO S 189 mwN).
Richtig ist ansonsten zwar, dass der Sachverständige ausgeführt hat, dass „auf der Basis dieser äußerst unterschiedlichen und widersprüchlichen Literatur festgestellt werden kann, dass die konservative Behandlung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zumindest gleichwertig ist der operativen Therapie, mit dem Fehlen von operativen Komplikationsmöglichkeiten“ (S 17/ON 30.1). Da sich aber – wie oben ausgeführt – bereits die Erfolgsaussichten der Behandlungsalternativen nicht beurteilen lassen und damit eine wesentliche Beurteilungsgrundlage für die Gleichwertigkeit fehlt, können diese Ausführungen nur so verstanden werden, dass beide Varianten vom behandelnden Arzt gleichermaßen in Betracht gezogen werden können und es folglich keinen Kunstfehler darstellt, wenn sich dieser für die eine oder andere Alternative entscheidet. Ob sie tatsächlich gleichwertig sind, ergibt sich daraus jedoch noch nicht, weshalb die vom Erstgericht – aufgrund einer wohlüberlegten Beweiswürdigung (US 14; § 500a ZPO) – getroffene Feststellung auch vor dem Hintergrund der weiteren Ausführungen des Sachverständigen zu den „gleichen Erfolgsaussichten“ (für die er jedoch keine weitere Begründung bietet) keinen Bedenken begegnet. Ob es sich dabei um eine verneinende oder eine non-liquet-Feststellung handelt (was sich aufgrund der Verwendung von „dass“ in der Einleitung des Gliedsatzes anstelle des insoweit deutlicheren „ob“ nicht abschließend beurteilen lässt), kann dahingestellt bleiben.
2. Zur Rechtsrüge:
2.1. In ihrer Rechtsrüge macht die Klägerin zunächst sekundäre Feststellungsmängel zu den „unterschiedlichen Risiken, Erfolgschancen und der Schmerzbelastung der konservativen Behandlung“, sowie dazu, „ob bei der gegenständlichen Verletzungskombination eine konservative Behandlung mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit erfolgversprechend gewesen wäre“ bzw ob „Gleichwertigkeit der genannten Behandlungsmethoden besteht“, geltend.
Ungeachtet der Frage, ob und inwieweit die begehrten ergänzenden Feststellungen nicht ohnehin getroffen bzw von den getroffenen Feststellungen zumindest mitumfasst sind, sind diese nicht entscheidungserheblich. Denn es steht insoweit (erfolglos bekämpft) fest, dass die Klägerin auch bei Aufklärung über die Risiken, die Vor- und Nachteile sowie die Erfolgsaussichten der konservativen Behandlung in die Operation eingewilligt hätte, weshalb eine Haftung der Beklagten ausscheidet (vgl RS0038485 [T2]).
2.2. Insoweit trifft es auch nicht zu, dass diese Feststellung „überschießend“ ist. Wie die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend aufzeigt, hat die Klägerin selbst vorgebracht, dass sie der Operation nicht zugestimmt hätte, wenn die Beklagte ihr die konservative Behandlungsmethode „angeboten“ hätte (S 7/ON 30.1). Dieses Vorbringen hat die Beklagte bestritten. Dass die Bestreitung ohne nähere Argumente erfolgte, schadet (in diesem Fall) nicht, weil es sich um eine abgegrenzte Behauptung handelte, die nur zutreffen kann oder eben nicht. Eine nähere Begründung (im Sinn beweiswürdigender Erwägungen) ist in einer solchen Konstellation von der bestreitenden Partei nicht zu verlangen. Das Beweisthema, zu dem die Feststellung getroffen wurde, liegt daher im Rahmen der erhobenen Einwendungen, weshalb kein Fall einer (außer Acht zu lassenden) überschießenden Feststellung vorliegt (vgl RS0037972 [T1]).
2.3. Schlussendlich rügt die Klägerin das Fehlen einer Feststellung dazu, dass sie „im Wissen um die Seltenheit der Operation“ nicht in die Operation eingewilligt hätte. Ungeachtet der Frage, ob eine – wie die Klägerin in ihrer Berufung selbst hervorhebt – im Krankenhaus der Beklagten in D* (dh in einer vergleichsweise „kleinen“ Krankenanstalt) ca zwei- bis dreimal jährlich durchgeführte Operation überhaupt als (absolut) seltener (und nicht bloß als – verglichen mit anderen Knieoperationen – relativ seltener) Eingriff angesehen werden kann, steht nicht fest, dass die Operationsrisiken in besonderem Zusammenhang mit der Häufigkeit der Durchführung stehen (geschweige denn, dass sich ein aus der „Seltenheit“ der Operation ergebendes Risiko überhaupt verwirklicht hat). Dafür gibt es auch keine Beweisergebnisse.
Der Oberste Gerichtshof führte bereits zu 4 Ob 166/08b aus, dass eine Aufklärung des Patienten über die Anzahl der vom Arzt vorher nach einer bestimmten Methode ausgeführten Operationen nicht erforderlich sei, wenn der Arzt die vorgesehene Operation nach den Regeln der ärztlichen Ausbildung und jenen über die Ausübung der ärztlichen Kunst ausführen dürfe. Das Funktionieren des öffentlichen Gesundheitswesens setze voraus, dass die Wahlmöglichkeit des Patienten in Bezug auf die Person des ihn behandelnden Arztes in gewissem Maß eingeschränkt werde. Es könne nicht jeder Patient darauf bestehen, nur von jenem Arzt operiert zu werden, der die größte Erfahrung oder sonst die allerbesten Voraussetzungen für ein geringstmögliches Operationsrisiko aufweise. Es müsse einen bestimmten medizinischen Ausbildungsstand geben, ab dem ein Chirurg im Einklang mit den Regeln der ärztlichen Ausbildung und jenen über die Ausübung der ärztlichen Kunst seine erste und dann weitere bestimmte Operationen [...] durchführen dürfe. Ansonsten wäre es weder möglich, in ausreichender Zahl Ärzten die Möglichkeit zur selbständigen Operation und der Sammlung weiterhin notwendiger Erfahrung zu geben, noch die aus medizinischer Sicht erforderliche Anzahl von Operationen ausführen zu lassen.
An dieser Rechtsprechung hielt das Höchstgericht zu 4 Ob 174/21y fest. Die Frage, ob diese Rechtsprechung auch dann gelte, wenn die Erfahrung eine bedeutendere Rolle spiele, als bei anderen Eingriffen und die mangelnde Erfahrung ein höheres Risiko des Auftretens von Komplikationen bedeute, ließ es allerdings offen.
Aus diesen Überlegungen kann jedoch der Schluss zogen werden, dass es hinsichtlich der Aufklärungspflicht auf die Erfahrung nur dann ankommt, wenn nicht nur – wie bei jedem anderen Eingriff auch – der bloße Umstand zum Tragen kommt, dass Routine im Allgemeinen die Fehleranfälligkeit reduziert, sondern bei einer besonderen Operationsmethode erst nach einer gewissen Anzahl gleichartiger Eingriffe davon ausgegangen werden kann, dass ein Operateur die spezielle Operationsmethode vollkommen beherrscht (4 Ob 174/21y [Rz 18]). Das muss folglich dann aber unabhängig davon gelten, ob nur der bestimmte Operateur über die erforderliche Erfahrung (nicht) verfügt oder praktisch jeder Operateur vergleichsweise wenig Routine dabei hat, weil die entsprechenden Eingriffe „absolut“ selten sind.
Aus diesen Gründen vermag sich das Berufungsgericht der Rechtsansicht der Klägerin, die vom Erstgericht ins Treffen geführte Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht gelte nur für mangelnde Erfahrung des (einzelnen) Operateurs, nicht aber für die (absolute) Seltenheit des Eingriffs, nicht anzuschließen. Da aufgrund der Feststellungen nicht davon auszugehen ist, dass der Operationsmethode besondere, auf mangelnde Kenntnisse bzw Erfahrungen zurückzuführende Risiken anhaften (wobei der Operateur – wie festgestellt – ohnehin erfahren war und sich Risiken aus unzureichender Erfahrung nicht verwirklichten), war darüber nicht aufzuklären. Mangels Verletzung der Aufklärungspflicht stellt sich daher gar nicht mehr die Frage, ob die Klägerin auch bei entsprechender Aufklärung in die Operation eingewilligt hätte oder nicht. Auch diesbezüglich liegt deshalb kein sekundärer Feststellungsmangel vor. Ob die Klägerin im Verfahren erster Instanz überhaupt ausreichend konkret vorgebracht hat, dass sie ihre Entscheidung auch von der (absoluten) Häufigkeit der Durchführung der Eingriffe abhängig gemacht hätte (Parteiaussagen als Beweisergebnisse reichen dafür nicht aus, vgl RS0037915 [T2]), kann daher dahingestellt bleiben.
Zusammengefasst war der Berufung somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50 iVm 41 ZPO. Dazu ist festzuhalten, dass dem Rechtsvertreter der Beklagten ein Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen ist, weil die Summe der (ansonsten richtig verzeichneten) Kosten EUR 2.857,92 (und nicht EUR 3.857,92) beträgt.
Da das Feststellungsbegehren nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens war, erübrigt sich eine Bewertung des Streitgegenstands.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu lösen waren. Ob ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt, ist Tatfrage (RS0026418). Die Reichweite der ärztlichen Aufklärungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0026529).