4R11/25b – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch Senatspräsident Mag. Gerhard Hasibeder als Vorsitzenden sowie MMag. Andreas Wiesauer und Mag. Stefan Riegler in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH, FN **, **, **, vertreten durch Dr. Matthias Lüth und Mag. Michael Mikuz, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die Beklagte B* GmbH C* D* , **, **, Deutschland, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen EUR 48.350,17 sA, über die Rekurse der Klägerin gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Salzburg vom 16. Jänner 2025, Cg*-7, und vom 21. Jänner 2025, Cg*-10, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
I. Dem Rekurs gegen den Beschluss vom 16. Jänner 2025, ON 7, wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 2.207,21 (darin enthalten EUR 352,41 deutsche USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
II. Der Rekurs gegen den Beschluss vom 21. Jänner 2025, ON 10, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin und die Beklagten haben ihre Kosten des Rekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrt mit ihrer am 20. November 2024 eingebrachten Klage die Zahlung von EUR 48.350,17 sA mit der Begründung, dass die Beklagte ihr einen Auftrag für die Errichtung und Lieferung von Windwänden zur Errichtung einer „Schirmbar“ erteilt habe. Die Errichtung der Windwand sei auftragsgemäß erfolgt und mit Rechnung vom 21. Dezember 2023 in der Höhe von EUR 58.350,17 abgerechnet worden. Unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von EUR 10.000,00 hafte der Klagsbetrag unberichtigt aus. Zuvor habe die Beklagte bei ihr einen Schirm zur Errichtung der Schirmbar gekauft. Dieser Auftrag sei aber bereits abgerechnet und von der Beklagten bezahlt worden. Gemäß Auftrags- und Lieferungsbedingungen der Klägerin sei Gerichtsstand Salzburg, sodass das angerufene Landesgericht Salzburg örtlich und sachlich sowie international zuständig sei.
Die Beklagte wendete die mangelnde internationale Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichtes Salzburg ein, weil sich ihr Sitz in D*, Deutschland, befinde und zwischen den Streitteilen als Erfüllungsort D* vereinbart worden sei (Art 7 Nr 1 EuGVVO).
Daraufhin trug das Erstgericht der Klägerin die Vorlage der Auftragsbedingungen hinsichtlich des Gerichtsstandes auf (ON 5), woraufhin die Klägerin die Auftragsbestätigung AB 23_0167 vom 7. März 2023 als Beilage./A vorlegte (ON 6).
Mit dem angefochtenen Beschluss ON 7 sprach das Erstgericht aus, dass das Landesgericht Salzburg international unzuständig sei (Punkt 1.) und wies die am 20. November 2024 eingebrachte Klage zurück (Punkt 2.).
Nach der wesentlichen Begründung des Erstgerichtes sei aus der Auftragsbestätigung (Beilage ./A) ersichtlich, dass sich lediglich in der jeweiligen Fußzeile und nicht im Vertragstext selbst die Wortfolge „Gerichtsstand: Handelsgericht Salzburg“ befinde. In der Fußzeile würden sich Angaben zur Klägerin, wie zB ihre Firmenbezeichnung, Adresse, Telefonnummer, Kontoverbindung, E-Mailadresse etc befinden. Nach ständiger Rechtsprechung liege damit keine gültige Gerichtsstandsvereinbarung vor, da sich die Wortfolge „Gerichtsstand: Handelsgericht Salzburg“ nicht im Vertragstext selbst, sondern in der letzten Fußzeile der ersten Seite, unterhalb des Endes des Vertragstextes befinde. Im Umfeld der Fußzeilen sei daher ein Anbot auf Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung versteckt, welches dort nicht zu erwarten sei und das in dieser Form im geschäftlichen Verkehr unüblich sei (RIS-Justiz RS0115079). Auf eine zwischen den Streitteilen entstandene Gepflogenheit oder einen entsprechenden Handelsbrauch habe sich die Klägerin nicht berufen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit dem Abänderungsantrag dahin, dass das Landesgericht Salzburg für international zuständig erklärt und die Klagszurückweisung ersatzlos aufgehoben werde (ON 8).
Die Beklagte erstattete eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs keine Folge zu geben (ON 12).
Aufgrund des Antrages der Beklagten auf Beschlussergänzung in Bezug auf die fehlende Kostenentscheidung ergänzte das Erstgericht seine Entscheidung mit Beschluss ON 10 um einen Punkt 3. dahingehend, dass es die Klägerin schuldig erkannte, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 2.380,08 bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.
Gegen diesen „Ergänzungsbeschluss“ erhob die Klägerin „aus prozessualer Vorsicht“ einen „Rekurs sowie Kostenrekurs“ mit dem Abänderungsantrag dahin, dass das Landesgericht Salzburg für international zuständig erklärt und die Klagszurückweisung ersatzlos aufgehoben werde (ON 11).
Die Beklagte erstattete eine weitere (inhaltsgleiche) Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rekurs keine Folge zu geben (ON 14).
Der Rekurs gegen den Beschluss vom 16. Jänner 2025, ON 7, ist nicht berechtigt; der Rekurs gegen den Ergänzungsbeschluss vom 21. Jänner 2025, ON 10, ist als unzulässig zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Zum Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss vom 16. Jänner 2025, ON 7 (4 R 11/25b):
Die Rekurswerberin erachtet die Berufung des Erstgerichtes auf RIS-Justiz RS0115079 als unrichtig, weil es sich dabei um eine Entscheidung zu Art 17 EuGVÜ und somit zum Verbrauchergerichtsstand handle, hier aber ein beiderseitiges Unternehmensgeschäft vorliege. Nach der Rechtsprechung genüge es, wenn auf die AGB Bezug genommen werde und diese ua auf der Rückseite der Vertragsurkunde ersichtlich seien. Umso mehr reiche es, wenn die Gerichtsstandsvereinbarung auf der Vorderseite der Vertragsurkunden, auf jedem Blatt, auf den Folgeseiten des Deckblattes sogar grafisch nicht einmal vom Text getrennt angeführt sei und der Geschäftsführer der Beklagten jede Seite paraphiert und auf der letzten Seite unterschrieben habe. Die Gerichtsstandsklausel befinde sich zwar im unteren Bereich der Seiten, allerdings textlich nicht vom übrigen Vertragstext getrennt. Überdies sei nach Art 25 EuGVVO die Gerichtsstandsvereinbarung auch dann wirksam getroffen worden, wenn sie ihrer Form nach den Gepflogenheiten entspreche, die zwischen den Parteien entstanden seien. Andernfalls wäre ein Verhandlungstermin anzuberaumen, das Thema zu erörtern und ihr die Möglichkeit einzuräumen gewesen, dahingehendes ergänzendes Vorbringen zu erstatten; insofern liege ein Verfahrensmangel vor.
Die Beweislast für das Vorliegen einer Gerichtsstandsvereinbarung bzw der entsprechenden Willenseinigung trifft denjenigen, der sich auf sie beruft (vgl statt vieler Simotta in Fasching/Konecny³ V/1 Art 25 EuGVVO 2012 Rz 78 mN; RS0114192).
Die Klägerin hat sich in der Klage (ausschließlich) auf ihre Auftrags- und Lieferungsbedingungen berufen (ON 1, 3). Über Auftrag des Erstgerichtes hat sie allerdings keine AGB, sondern vielmehr die Auftragsbestätigung AB 23_0167 vom 7. März 2023 vorgelegt. Zwar ist eine Auftragsbestätiung, aus der sich eine Gerichtsstandsvereinbarung ableiten lässt, zu deren Nachweis durchaus tauglich, der Klägerin ist jedoch entgegenzuhalten, dass es sich bei der vorgelegten Urkunde Beilage ./A nicht um die Auftragsbestätigung betreffend den klagsgegenständlichen Vertrag über die Errichtung von Windwänden handelt, sondern offenbar um die vorangegangene Bestellung eines Schirms zur Errichtung einer Schirmbar. Von einem Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung im Hinblick auf die Klagsforderung kann unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden.
Davon abgesehen irrt die Rekurswerberin, wenn sie den vom Erstgericht zur Begründung herangezogenen Rechtssatz RS0115079 als ausschließlich zum Verbrauchergerichtsstand ergangen erachtet. Art 17 EuGVÜ regelte nämlich nicht die „Zuständigkeit bei Verbrauchersachen“ (wie nunmehr Art 17 EuGVVO 2012), sondern vielmehr die „Vereinbarung über die Zuständigkeit“ (wie nunmehr Art 25 EuGVVO 2012). Die in der Rechtsprechung zu Art 17 EuGVÜ entwickelten Kriterien sind allerdings auch auf Art 23 EuGVVO 2000 und auf Art 25 EuGVVO 2012, die jeweils die Gerichtsstandsvereinbarung regeln, zu übertragen (RS0114604 [T6, T15]). Nach der Zielsetzung dieser Bestimmungen soll vor allem gewährleistet sein, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden (RS0114604 [T5, T10]; RS0113570 [T11]).
Eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung kommt demnach nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes dann nicht zustande, wenn sich eine Gerichtsstandsklausel nicht im Vertragstext selbst, sondern in der Fußzeile unterhalb des Vertragstexts befindet, in der sonst nur Angaben zur Klägerin (Adresse, Telefonnummer, E-Mailadresse, Bankverbindung etc) abgedruckt sind, die jedenfalls nicht Gegenstand der Willenserklärung sind. Im Umfeld der Fußzeilen ist daher ein Anbot auf Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung versteckt, welches dort nicht zu erwarten ist und das in dieser Form im geschäftlichen Verkehr unüblich ist (vgl RS0115079, insbesondere 7 Ob 320/00k, 4 Ob 199/01w, 6 Ob 185/02b, 2 Ob 100/06d, 10 Ob 9/11p, 9 Ob 25/13m; vgl auch Garber/Mayr/Neumayr/Wittwer in Mayr, Europäisches Zivilverfahrensrecht² Rz 3.667 und 3.687 mwN; Simotta aaO Rz 127).
Im vorliegenden Fall befindet sich die Wortfolge „Gerichtsstand: Handelsgericht Salzburg“ in den Fußzeilen, wenngleich auf jeder Seite der von der Klägerin selbst vorgelegten und daher in der konkreten Ausgestaltung zugrundezulegenden Auftragsbestätigung Beilage ./A, allerdings ohne besondere Hervorhebung und entgegen der Ansicht der Rekurswerberin vom übrigen Vertragstext insofern getrennt, als sich die Fußzeilen jeweils unter der Seitennummerierung (Seite 1 von 5 usw) befinden. Im Sinne der zitierten Judikatur des Obersten Gerichtshofes ist demnach eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen. Daran ändert auch die – jeweils oberhalb der Fußzeilen erfolgte – Paraphierung durch den Geschäftsführer der Beklagten nichts.
Soweit sich die Rekurswerberin letztlich auf zwischen den Parteien aus einer Rechtsbeziehung entstandenen Gepflogenheiten beruft, ist ihr zu entgegnen, dass es sich mangels entsprechenden Vorbringens im Verfahren erster Instanz insoweit um eine im Rekursverfahren unzulässige und daher unbeachtliche Neuerung handelt. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.
Insgesamt musste dem Rekurs daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen allerdings nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Verzeichnet der österreichische Anwalt – wie hier kommentarlos – 20% Umsatzsteuer, wird im Zweifel nur die österreichische Umsatzsteuer angesprochen. Die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer kann dann nur zugesprochen werden, wenn die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes allgemein bekannt ist (RS0114955). Da das im Falle der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist, war der dort ansässigen Beklagten (nur) die in Deutschland zu entrichtende Umsatzsteuer von bekanntermaßen 19% zuzusprechen (RS0114955 [T10, T12], zuletzt 4 Ob 161/24s).
Der ordentliche Revisonsrekurs war gemäß § 528 Abs 1 ZPO nicht zuzulassen, weil nur nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden kann und demgemäß keine erhebliche Rechtsfrage darstellt, ob nun in einem konkreten Fall die Willenseinigung von der Partei, die sich auf diese beruft, tatsächlich nachgewiesen werden konnte (RS0114192 [T3]).
Zum Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss vom 21. Jänner 2025, ON 10 (4 R 10/25f):
Die Rekurswerberin bekämpft aus prozessualer Vorsicht auch den Ergänzungsbeschluss, weil das Erstgericht die schon angefochtenen Spruchpunkte 1. und 2. noch einmal erlassen habe.
Tatsächlich hat das Erstgericht seinen Beschluss vom 16. Jänner 2025, ON 7, nur um die Kostenentscheidung (Spruchpunkt 3.) ergänzt und offenbar nur zur Klarstellung auch die Spruchpunkte 1. und 2. wiederholt, ohne sie damit noch einmal erlassen zu wollen.
Unter Zugrundelegung dieses Umstandes verstößt der neuerliche Rekurs gegen den Aus-spruch über die internationale Unzuständigkeit und die Zurückweisung der Klage gegen den Grundsatz der Einmaligkeit von Rechtsmittelschriften (RS0041666) und war daher als unzulässig zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung wird entgegen der Bezeichnung des Rechtsmittels tatsächlich nicht angefochten (arg „…“ als Folge der Spruchpunkte 1 und 2).
Die Entscheidung über die Kosten dieses Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 50, 40 ZPO. Auch die Beklagte hat die Kosten ihrer neuerlichen (inhaltsgleichen) Rekursbeantwortung ON 14 selbst zu tragen, weil sie nicht auf die Unzulässigkeit des neuerlichen Rekurses der Klägerin hingewiesen hat, sodass die Rekursbeantwortung nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.
Die Entscheidung über die Unzulässigkeit dieses Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 1 ZPO, weil keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung zu lösen waren.