9Bs317/24t – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 dritter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit und Schuld gegen das Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 10. Oktober 2024, GZ*-28, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Zentner, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag. Harich durchgeführten Berufungsverhandlung am 29. Jänner 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ** geborene A* von der wider ihn mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft vom 21. Juni 2024 erhobenen Anklage, er habe am 21. März 2024 in **
I. die Justizwachebeamten BI B*, BI C*, RI D*, Insp. E* und Insp. F* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Visitierung nach § 102 Abs 2 StVG für die anschließende Verlegung in den besonders gesicherten Haftraum nach § 103 Abs 2 Z 4 StVG, zu hindern versucht, indem er während der Visitierung und nach seiner Fixierung am Boden mit seinen Händen und Füßen auf die Justizwachebeamten einschlug bzw einzuschlagen versuchte;
II. durch die unter Punkt I. geschilderten Tathandlungen eine Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB) in Form einer schweren Prellung im Bereich des linken Unterschenkels an RI D* während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten begangen,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit (gestützt auf § 281 Abs 1 Z 5 zweiter und vierter Fall und Z 9 lit a StPO) und Schuld, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Urteils zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung durch das Erstgericht, in eventu einen Schuldspruch des Angeklagten und die Verhängung einer tat- und schuldangemessenen Strafe begehrt (ON 29).
Der Angeklagte beantragte in seiner dazu erstatteten Gegenausführung, dem Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft keine Folge zu geben (ON 30).
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Nach den relevanten Feststellungen des Erstgerichts (US 2 f) wurde der Angeklagte am 21. März 2024 von insgesamt fünf Justizwachebeamten, nämlich BI B*, BI C*, RI D*, Insp. E* und Insp. F*, im Zuge der Verlegung aus seinem ursprünglichen Haftraum in einem besonders gesicherten Haftraum in den Visitierraum geführt. Über Anweisung der Justizwachebeamten entkleidete sich der Angeklagte vollständig. Seine Nachfrage, warum er sich entkleiden müsse, blieb unbeantwortet. Der nackte Angeklagte wurde zunächst an den Armen von RI D* links an der Wand mit Blickrichtung zur Wand fixiert. Er fragte einige weitere Male nach, was gemacht wird. Die Justizwachebeamten klärten den Angeklagten nicht so auf, dass er verstand, was vorgenommen wird. Der Angeklagte verspannte sich, der ihn am Arm fixierende RI D* reagierte und warnte die übrigen Justizwachebeamten. Sodann fixierten die Justizwachebeamten ihn rücklings zu fünft auf dem Boden. Der Angeklagte versuchte, sich gegen diese Fixierung zu wehren, und schlug mit seinen Händen und Füßen heftig nach oben hin aus. Dabei traf er RI D*, der die Beine des Angeklagten fixierte bzw zu fixieren versuchte, am linken Unterschenkel und fügte ihm eine schwere Prellung zu, die eine Arbeitsunfähigkeit von fünf Tagen zur Folge hatte. Die Justizwachebeamten drehten ihn im Zuge seiner Fixierung sodann auf den Bauch, legten ihm Handschellen an und warteten einige Minuten, bis sich der Angeklagte von selbst beruhigte.
Der Angeklagte wusste zwar, dass er mit seiner Handlung Beamte hindern wird, und auch, dass er durch Umherschlagen mit den Händen und Füßen Beamte verletzen kann, und fand sich mit dieser Tatsache auch ab. Jedoch war dem Angeklagten nicht klar, dass eine (rechtmäßige) Amtshandlung vorgenommen wird, gegen die er sich nicht zur Wehr zu setzen braucht. Vielmehr war er in der Annahme, es würde etwas Schlimmes mit ihm geschehen und befürchtete einen Angriff der fünf ihn visitierenden Justizwachebeamten. Er hielt es also nicht ernsthaft für möglich, dass er sich gegen eine Amtshandlung wehrt, sondern wollte mit seinem Verhalten verhindern, dass er körperlich angegriffen bzw misshandelt wird (US 3).
Beweiswürdigend folgte das Erstgericht den für glaubwürdig befundenen Angaben des Angeklagten, demnach er, nachdem er nackt an die Wand gestellt und fixiert wurde, trotz mehrmaligem Nachfragen keine (ausreichende) Auskunft über den Zweck der Handlungen der Justizwachebeamten erhalten habe. Die Annahme des Angeklagten, dass keine rechtmäßige Amtshandlung vorgenommen würde, vielmehr ein Angriff bevorstehe, erachtete das Erstgericht für nachvollziehbar und glaubwürdig. Eine ausreichende Erklärung über den Zweck des Vorgehens der Justizwachebeamten könne auch aus den Angaben der als Zeugen einvernommenen Justizwachebeamten D* und BI B* nicht abgeleitet werden, die lediglich eine Unterrichtung des Angeklagten über seine bevorstehende Absonderung bzw eine Abmahnung des Angeklagten wegen Problemen in seinem Haftraum geschildert haben.
Als unvollständig iSd § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO rügt die Staatsanwaltschaft die für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellte erstgerichtliche Beweiswürdigung, weil in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse, nämlich bestimmte Angaben der Zeugen D* und BI B*, unberücksichtigt gelassen worden seien. Den Berufungsausführungen entgegen ist aus den Angaben des Zeugen BI B* in der Hauptverhandlung nicht ableitbar, dass der Angeklagte realisiert habe, dass er in einen besonders gesicherten Haftraum hineinkomme. Vielmehr antwortete der Zeuge auf die Frage, ob dem Angeklagten erklärt worden sei, was – nach einem Vorfall im Haftraum – nun mit ihm jetzt geschehe, lediglich, dass er den Angeklagten abgemahnt habe, dass „ein derartiges Verhalten nicht geht“. Auf die Frage, ob er das Gefühl hatte, dass er dies verstanden habe, äußert der Zeuge, dass der Angeklagte einen komischen Eindruck gemacht habe (ON 25, 7), welche Angaben das Erstgericht seiner Beweiswürdigung zugrunde legte (US 5). Richtig ist, dass der Zeuge RI D* ausführte, dass der Angeklagte über seine bevorstehende Absonderung nach § 103 Abs 2 Z 4 StVG belehrt worden sei (ON 25, 12). Der Zeuge gab weiter an, dass dem Angeklagten erklärt worden sei, dass er visitiert und ausgezogen werde und danach in eine besonders gesicherte Zelle hineinkommen solle, konnte sich aber nicht mehr daran erinnern, ob diese Belehrung tatsächlich stattfand oder nur üblich ist (ON 25, 14). Mit den Angaben beider Zeugen hat sich das Erstgericht in der Beweiswürdigung auseinandergesetzt (US 5), sodass die behauptete Unvollständigkeit dem Urteil nicht anhaftet.
Keine oder eine nur offenbar unzureichende Begründung (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO) liegt dann vor, wenn für den Ausspruch über eine entscheidende Tatsache entweder überhaupt keine oder nur solche Gründe angegeben sind, aus denen sich nach den Denkgesetzen und der allgemeinen Lebenserfahrung ein Schluss auf die zu begründende Tatsache entweder überhaupt nicht ziehen lässt oder der logische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist (RIS-Justiz RS0099413). Als der Logik widersprechend erachtet die Berufungswerberin die Begründung des Erstgerichts zur festgestellten irrtümlichen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts durch den Angeklagten. Da dieser bereits mehrmals anlässlich Verlegungen in andere Justizanstalten einer Visitierung unterzogen wurde und Übergriffe durch Justizbeamte in österreichischen Justizanstalten in aller Regel nicht vorkommen, sei es gerade nicht lebensnah, dass sich der Angeklagte in der Annahme befunden habe, dass etwas Schlimmes bzw ein „Angriff“ passieren werde. Aus dem bloßen Umstand, dass er sich – wie bei jeder körperlichen Visitierung jedes Insassen – in einer „vulnerablen und intimen Situation“ befunden habe, reiche für diese Annahme nicht. Der Berufungswerberin ist insofern beizupflichten, als grundsätzlich und in aller Regel ein in Österreich inhaftierter Strafgefangener mit Übergriffen durch Justizwachebeamte in der Justizanstalt nicht zu rechnen braucht. Dies hindert aber dennoch die irrtümliche Annahme eines bevorstehenden Übergriffs durch Justizwachebeamte im Einzelfall nicht. Entgegen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft spricht auch der Umstand, dass der hafterfahrene Angeklagte bereits wiederholt einer Visitierung unterzogen worden ist, nicht gegen die Annahme, dass er situationsbedingt und mangels verständlicher Aufklärung durch die Justizwachebeamten deren Vorgehen nicht als rechtmäßige Amtshandlung erkannte. Damit hat sich auch das Erstgericht in der Beweiswürdigung auseinandergesetzt, indem es sich auf die Angaben des Angeklagten bezog, der ausführte, bei früheren Visitierungen über die bevorstehenden Handlungen aufgeklärt worden zu sein, während dies in der Justizanstalt Suben anlässlich seiner Verlegung in einen besonders gesicherten Haftraum nicht erfolgt sei (US 4). Ausgehend von der vom Angeklagten geschilderten Situation erweist sich die erstgerichtliche Beweiswürdigung den Denkgesetzen entsprechend und durchaus nachvollziehbar.
Die erfolgversprechende Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810). Indem die Berufungswerberin in ihrer auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Rechtsrüge einen Feststellungsmangel behauptet, der eine irrtümlichen Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes iSd § 8 StGB ausschließen würde, argumentiert sie nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts, wonach der Angeklagte zwar wusste, dass er mit seiner Handlung Beamte hindern wird, und auch, dass er durch Umherschlagen mit den Händen und Füßen Beamte verletzen kann, und sich damit auch abgefunden hat, es ihm jedoch nicht klar war, dass eine (rechtmäßige) Amtshandlung vorgenommen wird, gegen die er sich nicht zur Wehr zu setzen braucht. Den erstgerichtlichen Feststellungen ist also zweifelsfrei zu entnehmen, dass das Erstgericht ohnehin von einer rechtmäßigen Amtshandlung durch die Justizwachebeamte ausgegangen ist, der Angeklagte allerdings die Rechtmäßigkeit der Handlung nicht verstanden, sondern irrtümlich einen rechtfertigenden Sachverhalt angenommen hat. Indem die Berufung aufgrund anderer Beweiswertüberlegungen davon abweichende Feststellungen begehrt, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt.
Mit ihrer Berufung wegen Schuld wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen die im Wesentlichen eingangs wiedergegebenen Konstatierungen des Erstgerichts, indem sie insbesondere unter Zugrundelegung der Angaben der Zeugen BI B* und Ri D* sowie unter Hinweis auf die Hafterfahrung des Angeklagten und den Umstand, dass er bereits wiederholt anlässlich Verlegungen in andere Justizanstalten visitiert worden war, die Angaben des Angeklagten als widerlegt erachtet, demnach er irrtümlich davon ausgegangen sei, dass ihm ein Angriff bevorstehe, weil er nicht verstanden habe, dass eine rechtmäßige Amtshandlung, nämlich seine Visitierung, durchgeführt werde.
Voranzustellen ist, dass nach § 8 StGB wegen vorsätzlicher Begehung nicht bestraft werden kann, wer irrtümlich einen Sachverhalt annimmt, der die Rechtswidrigkeit der Tat ausschließen würde. Er ist wegen fahrlässiger Begehung zu bestrafen, wenn der Irrtum auf Fahrlässigkeit beruht und die fahrlässige Begehung mit Strafe bedroht ist. Lässt sich das Vorliegen des rechtfertigenden Sachverhalts bei der Entscheidungsfindung weder positiv feststellen noch ausschließen, so zwingt der Grundsatz „in dubio pro reo“ zur Bejahung des Rechtfertigungsgrundes. Ebenso ist auf der Ebene des § 8 StGB vorzugehen: Fehlt es objektiv an einem rechtfertigenden Sachverhalt, gibt es aber Anhaltspunkte für eine irrige Annahme, so ist diese im Zweifel dem Beschuldigten zugute zu halten (vgl Höpfel in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 8 Rz 20).
Solche Anhaltspunkte für eine irrige Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts bei objektivem Fehlen eines solchen hat das Beweisverfahren, wie vom Erstgericht zutreffend festgestellt, durchaus ergeben.
Die freie Beweiswürdigung wird als kritisch-psychologischer Vorgang begriffen, bei dem durch die Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Das Gericht prüft die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit (ob dasjenige, was durch ein Beweismittel zutage gefördert werden sollte, auch wirklich dadurch bewiesen wurde) und Beweiskraft (ob der durch das Beweismittel als bewiesen anzunehmende Umstand auch geeignet ist, die Tatsache, die er bestätigen soll, für wahr halten zu können) und kommt aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen – entscheidender – Tatsachen, die es im Urteil feststellt. Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit, auch in ihrem inneren Zusammenhang zu prüfen (vgl RIS-Justiz RS0098314). Ihre Bewertung hat unter Beachtung der Gesetze folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungswissens zu erfolgen. Nicht nur logisch zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse berechtigen das Gericht zu Tatsachenfeststellungen. Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck, der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss darum im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden (vgl Lendl in Fuchs/Ratz inWK StPO, § 258 Rz 25ff mwN).
Daran anknüpfend hat sich das Erstgericht, das sich einen persönlichen Eindruck sowohl vom Angeklagten als auch von den Zeugen BI B* und RI D* machen konnte, mit sämtlichen Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt und diese einer im Ergebnis durchaus lebensnahen Wertung unterzogen. Damit hat es alles erwogen, was erwägenswert war, und kam auf Basis dieser Erwägungen zusammengefasst zu dem Schluss, dass der Angeklagte – irrig – es nicht ernstlich für möglich gehalten hat, dass er sich gegen eine Amtshandlung wehrt, sondern mit seinem Verhalten verhindern wollte, dass er körperlich angegriffen bzw misshandelt wird.
Ausgehend von den Angaben der beiden Zeugen sowohl bei ihren Einvernahmen durch die Polizei als auch vor Gericht ist die erstgerichtliche Annahme, dass der Angeklagte trotz mehrmaliger Nachfrage keine ausreichende Auskunft darüber erhalten habe, was mit ihm gemacht werde, nicht zu beanstanden. Wie bereits zur Mängelrüge ausgeführt, kann nämlich den Ausführungen des Zeugen BI B* lediglich entnommen werden, dass er den Angeklagten – nachdem dieser bei der Brotausgabe Wörter wie „Schlagen, Schneiden“ geäußert habe – über sein Verhalten abgemahnt hat, wobei der Zeuge nicht sagen konnte, ob der Angeklagte diese Abmahnung verstanden habe, weil er an diesem Tag „komisch“ war (ON 25, 7). Auch den Angaben des Zeugen RI D* kann lediglich entnommen werden, dass dem Angeklagten erklärt worden sei, dass er nach § 103 Abs 2 Z 4 StVG abgesondert würde, also in eine andere, besonders gesicherte Zelle verlegt wird (ON 25, 12). Eine Belehrung über die bevorstehende Visitierung und den Zweck der Visitierung kann den Angaben der beiden Beamten daher nicht entnommen werden. Vielmehr bestätigte der Zeuge RI D*, dass der Angeklagte wiederholt geäußert habe, dass er die Amtshandlung nicht verstehe (ON 2.7, 4). Hinzu kommt, dass die Visitierung des Angeklagten gerade nicht in der Form stattgefunden hat, wie sie vom Zeugen BI B* in der Hauptverhandlung als üblich beschrieben wurde, nämlich die Vollziehung durch zwei Beamte gleichen Geschlechts, die den Insassen visitieren, wobei zuerst der (nackte) Oberkörper visitiert wird, während die Hose angelassen bleibt, und in der Folge umgekehrt. Dies bedeutet, dass der Strafgefangene am Oberkörper wieder etwas anzieht, damit er während der Visitierung des Unterkörpers nicht völlig nackt vor den Beamten steht (ON 25, 6). Der Angeklagte dagegen schilderte, dass er mit fünf Justizwachebeamten in einem Raum gestanden sei. Über die Aufforderung: „wir wollen dich nackt sehen“, habe er sich am Oberkörper entkleidet. Danach habe ihm ein Beamter die Hose und Unterwäsche hinuntergezogen, woraus jedenfalls abzuleiten ist, dass der Angeklagte völlig nackt vor den Beamten gestanden ist. Dies bestätigten beide Zeugen in ihren polizeilichen Einvernahmen. Konkret führte der Zeuge BI B* aus, dass der unbekleidete Körper auf gefährliche Gegenstände durchsucht wurde. Dabei sei der Angeklagte stehend an der Wand mit Blickrichtung zur Wand fixiert und durchsucht worden (ON 2.6, 4). RI D* führte aus, dass der Angeklagte in den Visitierraum vorgeführt worden sei. Dieser Aufforderung sei der Angeklagte nachgekommen und habe sich im Anschluss für die Visitierung entblößt. Dazu habe er mehrmals aufgefordert werden müssen, er sei dem aber schließlich widerwillig nachgekommen (ON 2.7, 4). Außerdem schilderten beide Zeugen, dass der Angeklagte hierauf, obwohl er sich zuvor kooperativ verhalten habe, (nackt) mit dem Gesicht zur Wand an der Wand stehend fixiert wurde, wobei RI D* seine linke Hand an der Wand festhielt (ON 25, 11).
Aus all diesen Beweisergebnissen stellte sich damit für den Angeklagten die Situation so dar, dass er – ohne Belehrung über eine bevorstehende Visitierung – in einen Raum geführt wurde, in dem er sich über Aufforderung vor fünf Beamten zur Gänze entkleiden musste, und sodann – ohne für ihn ersichtlichen Grund – an der Wand stehend fixiert wurde. Dementsprechend erfolgte die Amtshandlung gerade nicht so, wie sie vom Zeugen B* als üblich beschrieben wurde und sie der Angeklagte aus früheren Erfahrungen kannte. Schließlich war es auch nur der Beamte RI D*, der aufgrund des Umstandes, dass der Angeklagte seinen Körper anspannte, davon ausging, dass dieser sich zur Wehr setzen würde, woraufhin er – für den Angeklagten überraschend – von allen fünf Justizwachebeamten rücklings am Boden fixiert wurde. Dagegen wehrte sich der Angeklagte, wie von ihm zugestanden, durch Umherschlagen mit Händen und Füßen, wodurch er RI D* in Form einer schweren Prellung verletzte. Hält man sich also vor Augen, dass sich der Angeklagte am Vorfallstag – entgegen seiner sonstigen Gemütslage – in einem psychischen Ausnahmezustand befand, er über die bevorstehende Visitierung nicht ausreichend aufgeklärt wurde und diese in einer Form stattgefunden hat, wie sie grundsätzlich nicht üblich ist, schließlich der Angeklagte auch nicht erkannte, warum er am Boden fixiert werden musste, erweist sich die erstgerichtliche Beweiswürdigung als schlüssig und nachvollziehbar. Die Angaben des Angeklagten, die sich letztlich auch mit den Angaben der Zeugen in Einklang bringen lassen, sind daher durchaus glaubwürdig und konnten der Entscheidung zugrunde gelegt werden. Soweit die Berufung auf die ausreichenden Deutschkenntnisse des Angeklagten verweist, bleibt schließlich zu erwidern, dass, auch ausgehend von den bereits zitierten Angaben der beiden Zeugen, eine Belehrung über die bevorstehende Visitierung gar nicht stattgefunden, eine Sprachbarriere damit nicht den Ausschlag für die situative Fehleinschätzung seitens des Angeklagten gegeben hat.
Zusammengefasst erwecken die Argumente der Staatsanwaltschaft daher noch keine Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung. Vielmehr kam das Erstgericht auf Basis der Beweisergebnisse, die eine ausführliche Auseinandersetzung in der Beweiswürdigung erfahren haben, letztlich unbedenklich zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte irrtümlich einen Sachverhalt angenommen hat, der die Rechtswidrigkeit seiner Taten im Sinn eines Widerstands gegen die Staatsgewalt und einer schweren Körperverletzung ausschließt.