JudikaturOLG Linz

9Bs152/23a – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
03. Juli 2023

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Einzelrichterin Mag. Kuranda in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der Privatbeteiligten Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 17. Mai 2023, 25 Hv 17/23x-16, entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahin abgeändert , dass die vom Verurteilten A* zu ersetzenden Kosten der Vertretung der Privatbeteiligten Republik Österreich wie folgt bestimmt werden:

Die ebenfalls vom Verurteilten zu ersetzenden Kosten der Beschwerde der Privatbeteiligten werden mit EUR 72,52 bestimmt.

Text

BEGRÜNDUNG:

Rechtliche Beurteilung

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 14. April 2023, 25 Hv 17/23x-10, wurde A*, geboren am **, der Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 dritter Fall sowie der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von drei Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Verfahrens verurteilt.

Im Adhäsionserkenntnis wurde A* gemäß § 369 Abs 1 StPO verpflichtet, binnen 14 Tagen der Privatbeteiligten Republik Österreich einen Schadenersatzbetrag von EUR 479,70 zuzüglich 4 % Zinsen seit 14. April 2023 sowie dem Privatbeteiligten BI B* einen (Teil-) Schmerzengeldbetrag von EUR 1.000,00 zu bezahlen.

Mit Schriftsatz vom 28. April 2023 (ON 12.2) beantragte die Finanzprokuratur als Vertreterin der Privatbeteiligten Republik Österreich die Bestimmung ihrer Vertretungskosten, für die der Angeklagte hafte, in Höhe von insgesamt EUR 793,08.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 17. Mai 2023 (ON 16) bestimmte das Erstgericht die vom Verurteilten zu ersetzenden Kosten der Privatbeteiligten Republik Österreich mit EUR 502,08 und wies das Mehrbegehren ab.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Privatbeteiligten Republik Österreich (ON 17.5), mit der sie den Zuspruch der Vertretungskosten in Höhe von EUR 793,08 begehrt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass das Erstgericht zu Unrecht lediglich die erste halbe Stunde der Hauptverhandlung vom 14. April 2023 honoriert habe. Die Kosten der Privatbeteiligung seien nicht nur bis zu einem Anerkenntnis des Schadenersatzbetrages durch den Angeklagten zu ersetzen, sondern auch darüber hinaus.

Die Beschwerde ist berechtigt.

Gemäß § 393 Abs 4 StPO hat der Beschuldigte, dem der Ersatz der Prozesskosten zur Last fällt, auch alle Kosten der Vertretung zu ersetzen. Die im Falle mangelnder Einigung über die zu ersetzenden Kosten anzuwendende Bestimmung des § 395 StPO schränkt die Kostenersatzpflicht allerdings auf die notwendigen und sonst nach der Beschaffenheit des Falles gerechtfertigten Kosten ein (Abs 2 leg cit). Die Notwendigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalles, aber am objektiven Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu messen ( Lendlin WK StPO § 395 Rz 15 mwN; RIS-Justiz RS0122939). Notwendig sind Kosten dann, wenn sie durch die Prozesslage und die Verfahrensvorschriften erzwungen werden; zweckmäßig ist dabei alles, was ein objektiven rechtlichen Gegebenheiten entsprechendes Maß von Erfolgsaussichten in sich birgt (RIS-Justiz RS0035829). Die Höhe der Entlohnung richtet sich bei Rechtsanwälten, die im Strafverfahren als Vertreter von Privatbeteiligten agieren, nach dem Rechtsanwaltstarifgesetz (RATG) und dem diesen angeschlossenen, einen Bestandteil des Gesetzes bildenden, Tarif ( Lendl aaO Rz 22; Fabrizy/Kirchbacher, StPO 14 § 395 Rz 3).

Zutreffend führt die Beschwerdeführerin ins Treffen, dass hinsichtlich der Hauptverhandlung vom 14. April 2023 nicht nur eine Honorierung der ersten halben Stunde, sondern der gesamten Dauer geboten ist. Selbst wenn der Verurteilte bereits in der ersten halben Stunde der Verhandlung die begehrten Ansprüche der Privatbeteiligten Republik Österreich vollständig anerkannt hat, muss aus Sicht einer sorgfältigen Verfahrenspartei noch mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass dem Zuspruch im Adhäsionserkenntnis wegen eines möglichen Freispruchs die Grundlage entzogen werden könnte. Der Beschwerdeführerin ist zuzustimmen, dass im Adhäsionsverfahren ein Zuspruch trotz eines Anerkenntnisses erst mit der Endentscheidung und auch dann nur unter der Voraussetzung erfolgen kann, dass der Angeklagte verurteilt wird und der Zuspruch im Schuldspruch Deckung findet, zumal das Anerkenntnis zwar einen selbständigen Verpflichtungsgrund darstellt, der Geschädigte damit aber noch keinen Exekutionstitel erlangt hat ( Spenling in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 366-379 Rz 39f mwN). Da dem Protokollsvermerk der mündlichen Hauptverhandlung (ON 10) auch kein gemäß § 69 Abs 2 StPO protokollierter Vergleich zu entnehmen ist, hatte die Privatbeteiligte Republik Österreich (ihre Vertreterin) ein gerechtfertigtes Interesse an der Teilnahme an der gesamten Hauptverhandlung, um auch durch eine allfällige Antragstellung die Herbeiführung des Schuldspruchs als Grundlage eines Adhäsionserkenntnisses zu fördern.

Im Ergebnis gebührt damit für das Verrichten der Hauptverhandlung am 14. April 2023 vor dem Landesgericht Linz nach Tarifpost 4 Abschnitt II lit b iVm Abschnitt I Z 5 für die erste halbe Stunde EUR 128,20 und für die zwei weiteren halben Stunden je EUR 64,10, sohin gesamt EUR 256,40. In Übereinstimmung mit dem Erstgericht beläuft sich der Einheitssatz gemäß § 23 RATG auf 120 %, weil die Finanzprokuratur als gesetzlich berufene Vertreterin der Privatbeteiligten Republik Österreich (§§ 1 und 3 ProkG) ihren Sitz in ** hat.

Bemessungsgrundlage für den Kostenbestimmungsantrag vom 28. April 2023 ist nicht der in § 10 Z 9 RATG angeführte Betrag, sondern der Kostenbetrag, dessen Zuspruch beantragt wird (§ 11 RATG). Davon ausgehend ist der Kostenbestimmungsantrag (Bemessung EUR 771,30) nach TP 1 RATG mit EUR 12,30 (zuzüglich 60% Einheitssatz) zu entlohnen. Auch die ERV-Kosten von EUR 2,10 sind zuzusprechen.

Insgesamt ergibt sich demnach eine Gesamtsumme von EUR 793,08.

Für die Entlohnung der Kostenbeschwerde vom 1. Juni 2023 (vgl RIS-Justiz RS0101566) ist als Bemessungsgrundlage nach § 11 Abs 1 RATG wiederum der vom Beschwerdeführer ersiegte (Differenz-) Betrag heranzuziehen. Dieser beträgt EUR 291,00. Daraus ergibt sich nach TP 2 (TP 4 Abschnitt I Z 4 lit d iVm § 11 Abs 1 RATG) ein Ansatz von EUR 43,70. Dazu kommen 60% Einheitssatz in Höhe von EUR 26,22 zuzüglich EUR 2,60 an ERV-Kosten, sodass sich ein Betrag von EUR 72,52 errechnet.

RECHTSMITTELBELEHRUNG: