Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Obrist als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Dr. Nemati und Mag. Ladner-Walch als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* B* , 2. C* B* , 3. D* B* , 4. E* B* und 5. F* B* , alle vertreten durch Mag. Andreas Droop, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei G* , vertreten durch die Advokaten Keckeis Fiel Scheidbach OG in Feldkirch, wegen (eingeschränkt und ausgedehnt) 1. (erstklagende Partei) EUR 9.504,57 s.A., 2. (zweitklagende Partei) EUR 2.600,-- s.A., 3. (drittklagende Partei) EUR 2.600,-- s.A., 4. (viertklagende Partei) EUR 2.750,-- s.A. und 5. (fünftklagende Partei) EUR 2.600,-- s.A., über die Berufung der beklagten Partei (Berufungsinteresse hinsichtlich der erstklagenden Partei EUR 2.204,49 s.A., hinsichtlich der zweit- bis fünftklagenden Partei jeweils EUR 1.200,-- s.A.) gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 15.1.2025, ** 61, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird hinsichtlich der erst klagenden Partei t e i l w e i s e Folge gegeben.
II. Der Berufung wird hinsichtlich der zweit- bis fünft klagenden Parteien n i c h t Folge gegeben.
III. Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert , dass es einschließlich der mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen und der bestätigten Teile insgesamt wie folgt zu lauten hat:
„1. Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters
a) der erstklagenden Partei EUR 7.149,57 samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022 und 4 % Zinsen aus EUR 14.692,-- von 19.8.2022 bis 5.6.2023,
b) der zweitklagenden Partei EUR 2.000,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022,
c) der drittklagenden Partei EUR 2.000,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022,
d) der viertklagenden Partei EUR 2.150,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022 sowie
e) der fünftklagenden Partei EUR 2.000,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022
zu bezahlen.
2. Die Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters
a) der erstklagenden Partei weitere EUR 2.355,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022,
b) der zweitklagenden Partei weitere EUR 600,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022,
c) der drittklagenden Partei weitere EUR 600,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022,
d) der viertklagenden Partei weitere EUR 600,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022 und
e) der fünftklagenden Partei weitere EUR 600,-- samt 4 % Zinsen seit 19.8.2022
zu bezahlen, werden abgewiesen .
3. Die beklagte Partei ist schuldig, binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters
a) der erstklagenden Partei die mit EUR 8.272,27 (darin enthalten EUR 493,62 an Umsatzsteuer sowie EUR 5.310,57 an Barauslagen),
b) der zweitklagenden Partei die mit EUR 4.037,97 (darin enthalten EUR 229,09 an Umsatzsteuer sowie EUR 2.663,45 an Barauslagen),
c) der drittklagenden Partei die mit EUR 4.037,97 (darin enthalten EUR 229,09 an Umsatzsteuer sowie EUR 2.663,45 an Barauslagen),
d) der viertklagenden Partei die mit EUR 4.263,98 (darin enthalten EUR 241,91 an Umsatzsteuer sowie EUR 2.812,53 an Barauslagen) und
e) der fünftklagenden Partei die mit EUR 4.037,97 (darin enthalten EUR 229,09 an Umsatzsteuer sowie EUR 2.663,45 an Barauslagen)
bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz zu ersetzen.“
IV. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen zu Handen des Klagsvertreters die mit EUR 1.368,12 (darin enthalten EUR 228,02 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
V. Die Revision gegen die Entscheidung hinsichtlich der Begehren jeder der klagenden Parteien ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
Entscheidungsgründe:
Die Kläger, eine Familie, traten am 19.8.2022 um ca. 4:15 Uhr mit ihrem PKW die Heimreise von ihrem Urlaub in Südfrankreich an. Nach ca. 10 Minuten Fahrzeit wurden die Kläger auf einer Landstraße von einem stark alkoholisierten Lenker mit seinem Personenkraftwagen seitlich frontal gerammt. Der Lenker dieses Fahrzeugs kam aufgrund seiner überhöhten Geschwindigkeit und aufgrund seiner starken Alkoholisierung auf die entgegengesetzte Fahrbahn und rammte das im Eigentum des Erstklägers stehende Klagsfahrzeug in einen Straßengraben hinein.
Der PKW des alkoholisierten Lenkers war zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten aufrecht haftpflichtversichert.
Der Erstkläger erlitt durch den Verkehrsunfall multiple Prellungen, insbesondere eine Thorax-Prellung durch den Sicherheitsgurt sowie eine akute Belastungsreaktion F 43.0. Eine physiotherapeutische Behandlung war aufgrund des Unfalls medizinisch nicht notwendig. Aus medizinischer Sicht sind diese Verletzungen in der siebengradigen Skala des französischen Rechts im oberen Bereich von sehr leicht einzustufen.
Die Zweitklägerin erlitt durch den Unfall multiple Prellungen, insbesondere ebenso eine Thorax-Prellung durch den Sicherheitsgurt sowie eine akute Belastungsreaktion F 43.0. Aus medizinischer Sicht sind diese Verletzungen in der siebengradigen Skala des französischen Rechts im mittleren Bereich von sehr leicht einzustufen.
Die Drittklägerin, die Viertklägerin und der Fünftkläger erlitten jeweils durch den Unfall multiple Prellungen, insbesondere eine Thorax-Prellung durch den Sicherheitsgurt. Aus medizinischer Sicht sind diese Verletzungen in der siebengradigen Skala des französischen Rechts im unteren Bereich von sehr leicht einzustufen.
Die Kläger wurden an der Unfallstelle erstversorgt. Anschließend wurden sie wieder in ihre ursprüngliche Urlaubsunterkunft gefahren. Der Erstkläger zahlte für die Rückflüge sämtlicher Kläger am 20.8.2022 insgesamt EUR 3.214,85.
Für die Fahrt zum Flughafen zahlte der Erstkläger für seine Familie EUR 185,--.
Die Kläger wurden am Flughafen Zürich vom Vater des [richtig] Erstklägers mit zwei Autos abgeholt, da es hierfür zwei Autos brauchte. Der Vater des [richtig] Erstklägers legte diesbezüglich 2 x 240 km zurück.
Der Erstkläger tankte sein Auto am Vortag der Heimreise noch für EUR 117,46 voll.
Beim Unfall wurden folgende Gegenstände, die sich im Auto befunden haben, zerstört bzw beschädigt:
- Laptop ** des Erstklägers aus dem Jahr 2019 (Kosten der beabsichtigten Reparatur EUR 770,23)
- ** des Erstklägers (aus dem Jahr 2020, Neupreis EUR 149,95)
- ** des Erstklägers (Kaufpreis EUR 349,--)
- **-Kopfhörer ** des Erstklägers (Kaufpreis im Jahr 2022 EUR 219,--)
- Handy Autohalterung ** des Erstklägers (Kaufpreis im Jahr 2022 EUR 39,95)
- Fußkette aus Sterling Silber der Viertklägerin (Kaufpreis EUR 220,--)
Das verunfallte Fahrzeug des Erstklägers hatte eine schweizerische und eine österreichische Autobahnvignette.
Der Erstkläger mietete den ** seines Vaters für zehn Tage, da ihm aufgrund des Unfalls kein Auto zur Verfügung stand und er eines benötigte. Dafür überwies der Erstkläger seinem Vater EUR 700,--.
Beim Unfall wurde auch das Kennzeichen des Klagsfahrzeugs zerstört und verblieb in Frankreich, sodass der Erstkläger ein neues Kennzeichen benötigte.
Am 4.5.2021 führte der Erstkläger für das verunfallte Klagsfahrzeug ein großes Service samt § 57a KFG Begutachtung durch, wofür er insgesamt EUR 1.608,46 zahlte.
Dieser (teilweise verkürzt und nicht immer wörtlich wiedergegebene) Sachverhalt ist im Berufungsverfahren nicht mehr strittig.
Zuletzt begehrte der Erstkläger die Zahlung von EUR 9.504,57 s.A., die Zweitklägerin EUR 2.600,-- s.A., die Drittklägerin EUR 2.600,-- s.A., die Viertklägerin EUR 2.750,-- s.A. und der Fünftkläger EUR 2.600,-- s.A. an Schadenersatz. Die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung liegt vor.
Zu den im Berufungsverfahren noch strittigen Schadenspositionen Schmerzengeld, frustrierte Tankkosten, Kosten für das Mietfahrzeug für die Dauer von 10 Tagen und Fahrtkosten vom Flughafen Zürich nach Hause brachten die Kläger vor, dass es sich bei den vom Erstkläger geltend gemachten Tankkosten in Höhe von EUR 104,49 um frustrierte Tankkosten handle. Das Fahrzeug sei noch vor Fahrtantritt vollgetankt worden und der Unfall habe nur 10 Minuten nach begonnener Fahrt stattgefunden.
Der Erstkläger habe als Rechtsanwalt ein Fahrzeug benötigt, weswegen er sich das Auto seines Vaters für die Dauer von 10 Tagen ausgeliehen habe. Er habe seinem Vater dafür EUR 700,-- bezahlt.
Er habe seinem Vater am 20.8.2022 zudem EUR 200,-- für die Fahrt vom Flughafen Zürich nach Hause (2 x 240 km) überwiesen.
Allen Klägern stehe aufgrund der erlittenen Schmerzen samt entgangener Lebensfreude ein Schmerzengeld in Höhe von jeweils EUR 2.500,-- zu. Diese Verletzungen und Schmerzen seien entsprechend der Stufe 1 von 7 der „französischen Skala“ zuzusprechen.
Die Beklagte stellte die alleinige Haftung dem Grunde nach außer Streit und wandte – soweit im Berufungsverfahren noch relevant – ein, dass die Tankkosten für die Rückfahrt nach Österreich bei der Rückreise ohnehin angefallen wären und von den geltend gemachten Flugkosten in Abzug zu bringen seien.
Der Geschädigte eines Totalschadens könne nach französischem Recht keine Mietwagenkosten, sondern lediglich bei einem Nutzungsausfall für etwa 10 Tage EUR 10,-- bis EUR 20,-- pro Tag geltend machen.
Selbst wenn ein Zuspruch von Mietwagenkosten möglich wäre, wäre nach französischem Recht ein Abschlag von 25 bis 35 % wegen ersparter Eigenkosten zu machen. Darüber hinausgehende Mietwagenkosten stünden nicht zu.
Das geltend gemachte Schmerzengeld sei überhöht.
Das Erstgericht gab den Klagebegehren hinsichtlich des Erstklägers in Höhe von EUR 7.349,57 s.A., hinsichtlich der Zweit- und Drittklägerin sowie des Fünftklägers in Höhe von jeweils EUR 2.000,-- s.A. und hinsichtlich der Viertklägerin in Höhe von EUR 2.150,-- s.A. statt (Spruchpunkt 1.) und wies die darüber hinausgehenden Zahlungsmehrbegehren (hinsichtlich Erstkläger EUR 2.155,-- s.A., hinsichtlich der übrigen Kläger jeweils EUR 600,-- s.A.) ab (Spruchpunkt 2.). Darüber hinaus sprach es dem Erstkläger EUR 8.272,27, der Zweit- und Drittklägerin sowie dem Fünftkläger jeweils EUR 4.037,97 und der Viertklägerin EUR 4.263,98 an Prozesskostenersatz zu (Spruchpunkt 3.).
Es legte seiner Entscheidung den eingangs (verkürzt) wiedergegebenen Sachverhalt sowie die auf den Seiten 5 bis 7 des Urteils enthaltenen Feststellungen zugrunde, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, dass dem Verkehrsunfall aufgrund einer jedenfalls schlüssigen Rechtswahl französisches Recht zugrunde zu legen sei. Es stellte ausführlich die französische Rechtslage dar und führte zu den noch strittigen Positionen aus, dass hinsichtlich des Schmerzengelds basierend auf den im Jahr 2022 durchschnittlich zugesprochenen Schmerzengeldsätzen der Stufe 1 nach der siebenstufigen französischen Skala im Mittel EUR 955,-- zugesprochen worden seien, wobei auch dieser Ersatz in Frankreich im Laufe der Jahre angepasst worden sei. Es erachte daher hinsichtlich jedes Klägers einen Schmerzengeldbetrag von EUR 2.000,-- als angemessen.
Die restlichen Tankkosten seien nach § 273 ZPO in Höhe von EUR 104,49, die Mietwagenkosten nach französischem Recht in Höhe von EUR 700,-- und die Kosten vom Flughafen nach Hause in Höhe von EUR 200,-- nach § 273 ZPO zuzusprechen.
Seine Kostenentscheidung stützte es auf § 43 Abs 1 und 2 ZPO. Es errechnete unter tabellarischer Auflistung der unterschiedlichen Prozessbeteiligungen und Obsiegensquoten in den jeweiligen Prozessphasen die zuvor wiedergegebenen Prozesskostenersatzansprüche der Kläger. Auf diese tabellarischen Auflistungen des Erstgerichts in seiner Kostenentscheidung wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Da das Schmerzengeld nach französischem Recht für die Kläger schwierig zu bemessen gewesen sei, schade auch die diesbezüglich zunächst erfolgte Überklagung nicht, weswegen hinsichtlich des Schmerzengelds die Bestimmung des § 43 Abs 2 ZPO zur Anwendung gelange.
Das Urteil ist in seinen klagsabweisenden Teilen (Spruchpunkt 2.) sowie in den klagsstattgebenden Teilen hinsichtlich des Erstklägers betreffend einen Zuspruch von EUR 5.145,08 s.A., hinsichtlich der Zweit- und Drittklägerin sowie des Fünftklägers betreffend einen Zuspruch von jeweils EUR 800,-- s.A. und hinsichtlich der Viertklägerin betreffend einen Zuspruch von EUR 950,-- s.A. in Teilrechtskraft erwachsen.
Gegen den weiteren Zuspruch von EUR 2.204,49 s.A. an den Erstkläger sowie von jeweils EUR 1.200,-- s.A. an die Zweit-, Dritt- und Viertklägerin sowie den Fünftkläger richtet sich die Berufung der Beklagten , in der sie – gestützt auf den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung – die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahingehend anstrebt, dass die Mehrbegehren des Erstklägers von weiteren EUR 2.204,49, der Zweit-, Dritt- und Viertklägerin sowie des Fünftklägers von jeweils weiteren EUR 1.200,-- abgewiesen wird. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Darüber hinaus bekämpft die Beklagte das Urteil auch im Kostenpunkt und beantragt die Abänderung der Kostenentscheidung dahingehend, dass der Beklagten lediglich ein Barauslagenersatz von EUR 2.180,74 gegenüber dem Erstkläger, von jeweils EUR 1.235,46 gegenüber der Zweit- und Drittklägerin sowie dem Fünftkläger und von EUR 1.316,74 gegenüber der Viertklägerin auferlegt werde.
Die Kläger beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung, dem gegnerischen Rechtsmittel einen Erfolg zu versagen. Darüber hinaus wird eine Anschlussrüge (sekundärer Feststellungsmangel) geltend gemacht.
Der Berufung kommt hinsichlich des Erstklägers teilweise Berechtigung zu.
Hinsichtlich der übrigen Kläger ist die Berufung nicht berechtigt.
Zur Berufung in der Hauptsache:
Vorweg ist anzuführen, dass die Kläger selbst ihre Ansprüche dem Grunde nach auf französisches Recht stützen. Ebenso wurde dessen Anwendung von der Beklagten weder im erstinstanzlichen noch im Berufungsverfahren in Frage gestellt (RS0040169).
I. Zum Schmerzengeld:
Die Beklagte wendet sich gegen einen jeweils EUR 800,-- übersteigenden Schmerzengeldzuspruch an die Kläger. Das Erstgericht habe das französische Recht nicht ordnungsgemäß ermittelt und falsch angewandt. Die vom Erstgericht zugrunde gelegten Beilagen ./L und ./Q könnten nicht der Schmerzengeldbemessung zugrunde gelegt werden. Auch die aus dem Münchner Kommentar zum Straßenverkehrsrecht zitierten Ausführungen des Erstgerichts ließen keine Beurteilung dahingehend zu, ob den Klägern das ihnen zugesprochene Schmerzengeld tatsächlich gebühre. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte den Klägern jeweils maximal EUR 800,-- an Schmerzengeld zuerkannt werden dürfen.
Dazu hat das Berufungsgericht erwogen:
1.Das Erstgericht stellte äußerst detailliert das französische Schadenersatzrecht unter Bezugnahme auf den namhaften Münchener Kommentar Straßenverkehrsrecht – Internationales Straßenverkehrsrecht dar, welcher einen ausführlichen Abschnitt zum französischen Straßenverkehrsrecht einschließlich des Schadenersatzrechts aufweist. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann zunächst auf diese Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden (§ 500a ZPO).
2. Nach dem französischen Schadenersatzrecht begründen die erlittenen Schmerzen (pretium doloris) einen Schadensposten, welcher alle physischen und psychischen Leiden sowie die damit verbundenen Beeinträchtigungen abgilt ( Hoffmann in Beck , MüKo Straßenverkehrsrecht, Frankreich, Rz 317 f). Dieser Schadensposten beinhaltet zusätzlich zu den Schmerzen die vollständige oder teilweise, zeitlich begrenzte Beeinträchtigung, den Krankenhausaufenthalt und den Verlust an Lebensqualität und alltäglichen Freuden während der unfallbedingten nicht ausgeheilten Körperverletzung. Das – wie hier – vorläufige funktionale Defizit deckt zusätzlich zu zeitlich begrenzten funktionellen Beeinträchtigungen auch die Beeinträchtigungen der Lebensqualität und den Schaden der entgangenen Lebensfreude ab ( Hoffmann aaO Rz 315 f).
3. Auch nach französischem Recht ist der Nichtvermögensschaden, also (auch) das Schmerzengeld (pretium doloris), vom Richter nach freiem Ermessen festzusetzen. Dabei ist die erste Phase der Schadensbewertung jene der rechtsmedizinischen Begutachtung. Die zweite Phase der Schadensbeurteilung ist geprägt von den Prinzipien der Totalreparation und der Einzelfallbetrachtung. Der Richter darf sich dabei nicht auf Schadenstabellen beziehen, sondern muss eine Einzelfallabwägung vornehmen ( Hoffmann aaO Rz 335 -340).
4.Ausgehend von diesen Grundsätzen erachtet das Berufungsgericht – auch ohne Berücksichtigung der Beilagen ./L und ./Q – das vom Erstgericht zutreffend gemäß § 273 ZPO festgesetzte Schmerzengeld von jeweils EUR 2.000,-- jedenfalls als vertretbar und innerhalb des dem Erstgericht auch nach französischem Recht zustehenden Ermessensspielraums gelegen. Diese Ausmittlung ist somit insgesamt nicht korrekturbedürftig.
II. Zu den Mietwagenkosten:
Die Beklagte wendet sich gegen einen EUR 200,-- übersteigenden Mietwagenkostenersatz (EUR 20,-- pro Tag x 10 Tage). Für die Dauer der Nichtverfügbarkeit des beschädigten Fahrzeugs habe der Geschädigte nur dann Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, wenn er beweisen könne, dass durch den Nutzungsausfall ein konkreter Schaden entstanden sei.
Dazu hat das Berufungsgericht erwogen:
1. Für die Dauer der Nichtverfügbarkeit des beschädigten Fahrzeugs hat der Geschädigte nur dann Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs, wenn er beweisen kann, dass durch den Nutzungsausfall ein konkreter Schaden entstanden ist ( Hoffmann aaO Rz 260).
2. Nach den Urteilsannahmen hat der Erstkläger seinem Vater EUR 700,-- für die zehntägige Fahrzeugmiete bezahlt. Diese Zahlung ist nicht nur den Angaben des Erstklägers, sondern darüber hinaus auch dem Überweisungsbeleg (Beilage ./H) zu entnehmen. Damit ist aber dem Erstkläger der Beweis des konkreten Schadens gelungen. Das Erstgericht hat diesen dem Erstkläger daher zu Recht zugesprochen.
3. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass dem Erstkläger maximal ein Kostenersatz für die Dauer von 10 Tagen à EUR 20,-- für den Nutzungsausfall zugesprochen werden hätte können, ist darauf hinzuweisen, dass es sich dabei um den eigentlichen Nutzungsausfall, somit um eine andere Schadensposition, und nicht um den Ersatz der Kosten für den – berufsbedingt benötigten – Mietwagen handelt. Der eigentliche Nutzungsausfall ist nämlich der Schaden, der dem Eigentümer während der Zeit entsteht, in der das Fahrzeug wegen der Reparatur oder der Begutachtung nicht zur Verfügung steht ( Hoffmann aaO Rz 262). Dieser Schaden ist jedoch von den dem Erstkläger tatsächlich entstandenen Mietwagenkosten zu unterscheiden.
4. Der Berufung kommt daher auch in diesem Punkt keine Berechtigung zu.
III. Zu den Kosten für die Fahrt vom Flughafen Zürich zum Wohnort der Kläger:
Die Beklagte wendet sich gegen den Zuspruch von EUR 200,-- an Fahrtkosten für die Fahrt der Kläger vom Flughafen Zürich zu ihrem Wohnort. Nach den Feststellungen sei der Aufwand von 2 x 240 km dem Vater des (richtig) Erstklägers und damit nicht dem Erstkläger selbst entstanden. Dieser Betrag hätte daher nicht zugesprochen werden dürfen.
Aus Zweckmäßigkeitsgründen wird in diesem Zusammenhang auch die von den Klägern dazu erhobene Anschlussrüge behandelt:
Die Kläger monieren das Fehlen folgender Feststellung als sekundären Feststellungsmangel :
„Der Vater des (richtig) Erstklägers hatte diesbezüglich einen Aufwand von 2 x 240 km (240 km hin und retour), welchen der Erstkläger ihm mit EUR 200,-- pauschal ersetzte.“
Diese Feststellung ergebe sich aus der Aussage des Erstklägers, wonach man sich „in seiner Familie nichts schuldig bleibe“. Die Kläger hätten ausdrücklich vorgebracht, dass der Erstkläger die gesamten Rückreisekosten bezahlt habe, was auch die Rückreisekosten in Höhe von EUR 200,-- vom Flughafen zu ihrem Wohnort beinhalte.
Dazu hat das Berufungsgericht erwogen:
1. Zur Anschlussrüge:
1.1. Im Gegensatz zur Zahlung von EUR 700,-- für die Mietwagenkosten an den Vater des Erstklägers ergibt sich weder aus der Aussage des Erstklägers noch aus einem sonstigen Beweisergebnis, dass der Erstkläger weitere EUR 200,-- an seinen Vater für die Fahrt vom Flughafen nach Hause ersetzt hätte. Die von den Klägern ins Treffen geführte Aussage des Erstklägers „in unserer Familie bleiben wir uns nichts schuldig“ in der Tagsatzung vom 2.9.2024 (ON 50, S 9) bezieht sich nämlich eindeutig auf die Zahlung von EUR 700,--. Über die behauptete (weitere) Zahlung von EUR 200,-- machte der Erstkläger jedoch keine Angaben.
1.2. Für die von den Klägern begehrte zusätzliche weitere Feststellung gibt es somit insgesamt keine Beweisergebnisse, sodass der Anschlussrüge der Kläger keine Berechtigung zukommt.
2. Zur Rechtsrüge der Beklagten:
2.1. Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen den Aufwand der Fahrt von 2 x 240 km hin und retour vom Flughafen mit zwei Autos zum Wohnort der Kläger nicht den Erstkläger, sondern seinen Vater getroffen hat.
Für den diesbezüglichen Zuspruch an den Erstkläger bleibt daher kein Raum.
2.2. Der Berufung kommt hinsichtlich des Erstklägers in diesem Punkt Berechtigung zu. Es war somit das weitere Mehrbegehren des Erstklägers von EUR 200,-- abzuweisen.
IV. Zu den Tankkosten:
Die Beklagte wendet sich zuletzt gegen den Zuspruch der Tankkosten in Höhe von EUR 104,49. Es sei unklar, warum das Erstgericht diese Tankkosten zugesprochen habe, da diese ja auch dann entstanden wären, wenn es nicht zum Unfall gekommen wäre. Das Erstgericht bleibe dafür jegliche Begründung schuldig und seien diese Kosten daher nicht zuzusprechen.
Dazu hat das Berufungsgericht erwogen:
1.Wie bereits dargelegt wurde, ist das französische Schadenersatzrecht geprägt vom Prinzip der Totalreparation. Das Erstgericht hat in seinem Urteil angeführt, dass es sich bei den Tankkosten um frustrierte Aufwendungen handelt, und diese nach der – prozessualen – Bestimmung des § 273 Abs 2 ZPO zugesprochen.
2. Wenn von mehreren geltend gemachten Ansprüchen einzelne, im Verhältnis zum Gesamtbetrag unbedeutend sind oder wenn einzelne Ansprüche jeweils EUR 1.000,-- nicht übersteigen, sich aber nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellen lassen, kann der Richter nach dieser Bestimmung über Bestand und Höhe nach freier Überzeugung entscheiden.
3.Da es sich dabei um eine prozessuale Bestimmung handelt, durfte das Erstgericht diese ungeachtet des anzuwendenden französischen Sachrechts seiner Entscheidung zugrunde legen. Der vom Erstgericht zugesprochene Betrag ist innerhalb des ihm gemäß § 273 Abs 2 ZPO zustehenden Ermessensspielraums gelegen.
4. Der Berufung kommt somit auch in diesem Punkt keine Berechtigung zu.
V. Die Berufung ist daher insgesamt hinsichlich des Erstklägers teilweise , hinsichlich der übrigen Kläger jedoch nicht berechtigt.
VI. Die abändernde Entscheidung hinsichtlich des Erstklägers würde prinzipiell eine – ihn betreffende – neue Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz bedingen. Die Abänderung in einem Betrag von (nur) EUR 200,-- fällt jedoch in Anbetracht der (fiktiven) Bemessungsgrundlagen der einzelnen Prozessphasen betreffend den Erstkläger zwischen max. EUR 21.251,69 und min. EUR 6.759,69 nur geringfügig ins Gewicht.
Bei der Ausmittlung der Obsiegensquoten müssen ohnehin keine prozentuell genauen Quoten gebildet werden. Es genügt, wenn von runden Bruchzahlen oder wenigstens von vollen Prozenten ausgegangen wird. Abweichungen im Ausmaß weniger Prozentpunkte vom rein rechnerischen Ergebnis sind zu tolerieren ( Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.130).
Das Berufungsgericht konnte daher aus diesen Erwägungen davon absehen, eine neue Kostenentscheidung zu fällen.
Soweit sich die Beklagte in ihrer Kostenrüge gegen die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO bezüglich des Schmerzengeldanspruchs wendet, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen bei Behandlung der Berufung im Kostenpunkt verwiesen.
Zur Berufung im Kostenpunkt:
Nach Ansicht der Beklagten sei das Erstgericht zu Unrecht von keiner Überklagung hinsichtlich des Schmerzengelds ausgegangen und habe kein kostenrechtliches Unterliegen im Sinne des § 43 Abs 1 ZPO angenommen. Richtigerweise hätte das Erstgericht davon ausgehen müssen, dass der Erstkläger in der ersten und zweiten Prozessphase mit seinen Forderungen zu 50 %, die Zweit- bis Fünftkläger jeweils mit 35 % durchgedrungen seien. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte den Klägern „lediglich EUR 8.128,--“ an Barauslagen zugesprochen werden dürfen.
Dazu hat das Berufungsgericht erwogen:
1. Im konkreten Fall hing die Höhe des Schmerzengelds nicht nur von der Feststellung der unfallkausalen Verletzungen und Schmerzen der Kläger, sondern im Wesentlichen von der Ausmittlung und Zuordnung der Schmerzen nach der französischen Skala durch einen Sachverständigen ab. Der Sachverständige musste das durch die Verletzungen erlittene Ungemach nach französischem Recht ausmitteln.
Darüber hinaus hing die Festsetzung des Schmerzengeldbetrag von richterlichem Ermessen ab. Wesentlich erschwert wurde die Einschätzung durch die Anwendung ausländischen Rechts.
2.Eine Überklagung schadet in diesem konkreten Einzelfall nicht, sondern durfte das Erstgericht auch nach Ansicht des Berufungsgerichts nach § 43 Abs 2 ZPO vorzugehen. Je schwieriger die sachgerechte Einschätzung des Begehrens für einen Kläger ist, desto weniger starr ist nämlich die Grenze der Überklagung zu sehen ( Obermaier in Höllwerth/Ziehensack, ZPO Praxiskommentar § 43 ZPO Rz 102).
Gerade bei – wie hier – geringen Forderungen, die auch für die Kläger nach einer ihnen fremden Rechtsordnung einzuschätzen sind, ist zudem § 43 Abs 2 ZPO (etwas) großzügiger anzuwenden, da bei geringen Forderungen ein Überklagen besonders schnell erreicht wird ( Obermaier , Kostenhandbuch 4Rz 1.161). Es sind immer die besonderen Umstände des Einzelfalls bedeutsam (5 Ob 183/02a).
3. Darüber hinaus ist für das Berufungsgericht nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte – ausgehend von ihrem Rechtsstandpunkt – bei einem Obsiegen des Erstklägers in der ersten und zweiten Prozessphase von 50% und der übrigen Kläger von jeweils 35% einen (ausschließlichen) Barauslagenersatzanspruch von (insgesamt) EUR 8.128,-- errechnet. Damit ist aber die Kostenrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, da die begehrten Kosten im Rekurs rechnerisch (alternative Berechnung) nicht dargelegt werden. Dies stellt einen nicht verbesserungsfähigen Inhaltsmangel dar ( Obermaier, Kostenhandbuch 4 Rz 1.88).
4. Der Berufung im Kostenpunkt kommt daher keine Berechtigung zu.
Verfahrensrechtliches:
1.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens stützt sich hinsichtlich des Erstklägers auf die Bestimmung des § 50, 43 Abs 2, 46 Abs 1 ZPO, hinsichtlich der übrigen Kläger auf die Bestimmungen der §§ 50, 41 Abs 1, 46 Abs 1 ZPO. Die Kläger sind mit ihrer tarifgemäß verzeichneten Berufungsbeantwortung hinsichtlich der Zweit- bis Viertklägerin und dem Fünftkläger zur Gänze erfolgreich und hinsichtlich des Erstklägers nur in geringfügigem Ausmaß nicht erfolgreich geblieben. Ein Tarifsprung war nicht zu berücksichtigen.
Im konkreten Fall erscheint im Berufungsverfahren eine Aufteilung nach Kopfteilen gerechtfertigt.
Die Kläger haben zutreffend keine gesonderten Kosten für die Beantwortung der als „Kostenrekurs“ bezeichneten Berufung im Kostenpunkt erstattet (RS0087844 [T5, T7, T12]).
2.Mehrere aus einem Unfall Geschädigte sind nur formelle Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO (RS0110982). Im Berufungsverfahren war jeweils ein Schadenersatzanspruch des jeweiligen Klägers bzw. formellen Streitgenossen von unter EUR 5.000,-- verfahrensgegenständlich. Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision stützt sich daher auf § 502 Abs 2 ZPO.
Die Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs im Kostenpunkt ergibt sich schon aus § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.
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