6Bs20/25d – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Angeklagten und des B* gegen den Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 18.12.2024, GZ C*-71, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Staatsanwaltschaft Feldkirch legt A*, geboren am **, mit Strafantrag vom 7.2.2022 zu D* (= GZ C*-32 des Landesgerichtes Feldkirch) zur Last, sie habe im September 2020 in ** einen Bestandteil ihres Vermögens verheimlicht und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen geschmälert, indem sie bei Abgabe des Vermögensverzeichnisses im Rahmen ihres Schuldenregulierungsverfahrens zu E* des Bezirksgerichtes Dornbirn zumindest folgende Vermögenswerte verschwieg:
gesamt: EUR 29.602,68;
sie habe hiedurch das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB begangen. Aufgrund der gutachterlich attestierten Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten ist das Strafverfahren derzeit abgebrochen, wobei laut den Sachverständigen mit einer Besserung der diesen Zustand begründenden Erkrankung nicht zu rechnen sei (ON 40 und 42).
Die auf den im Strafantrag angeführten Konten bei der F*eGen befindlichen Guthaben wurden zunächst im Ermittlungsverfahren mit Anordnung der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom 12.3.2021 zu D* (= GZ C*-5 des Landesgerichtes Feldkirch) zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (§ 110 Abs 1 Z 2 StPO) und zur Sicherung des Verfalls und der Konfiskation (§ 110 Abs 1 Z 3 StPO) durch das vorläufige Verbot der Herausgabe an Dritte (Drittverbot) und das vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung dieser Gegenstände und Werte sichergestellt. Mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 13.3.2023, GZ C*-54, wurden diese Guthaben über Antrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch (ON 53, AS 6) gemäß §§ 109 Z 2 lit a und 115 Abs 1 Z 2 und 3 StPO zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche, der Konfiskation gemäß § 19a StGB bzw des Verfalls gemäß § 20 StGB durch das gerichtliche Verbot der Herausgabe an Dritte sowie der Veräußerung oder Verpfändung beschlagnahmt.
Einer dagegen von der Angeklagten und ihrem Lebensgefährten B* erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 25.7.2023 zu 6 Bs 83/23s (= GZ C*-58 des Landesgerichtes Feldkirch) teilweise Folge. Der angefochtene Beschluss – der darüber hinaus unberührt blieb – wurde im Umfang der Beschlagnahme auch der auf den Konten Nr H* und Nr. I* der F* eGen erliegenden Guthaben aufgehoben und hinsichtlich dieser beiden Konten der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Beschlagnahme der darauf befindlichen Guthaben abgewiesen. Der Deckungsbetrag gemäß § 115 Abs 5 StPO wurde mit EUR 29.900,-- bestimmt.
Mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 5.11.2024 (ON 69) beantragten die Angeklagte und B* die Aufhebung der Beschlagnahme bzw der Sperre der Sparbücher bei der F* eGen Konto Nr G* und Nr J*, in eventu hinsichtlich eines Betrages in Höhe von EUR 4.549,66 von einem der genannten Sparbücher. Dazu wurde begründend im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, die Voraussetzungen für eine weitere Beschlagnahme seien nicht gegeben, weil während des gesamten bisherigen Verfahrens von keinem einzigen Geschädigten Ansprüche gegen die Angeklagte geltend gemacht worden seien. Die dauernde Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten würde das Vorliegen der Konfiskations-, Verfalls- und Einziehungsvoraussetzungen ausschließen. Im Übrigen habe auf die Konten Nr G* und Nr J* ausschließlich B* eingezahlt. Die Konten würden nur deshalb auf den Namen der Angeklagten lauten, weil B* im Jahr 2013 zwei Herzinfarkte innerhalb einer Woche gehabt und die beiden Lebensgefährten Angst gehabt hätten, dass bei einem Ableben von B* kein Zugriff auf diese Konten mehr bestehe. Überdies sei die Beschlagnahme unverhältnismäßig und liege eine Übersicherung von EUR 249,66 vor, weil sich der Verkehrswert des Nerzmantels und der Opossumjacke auf maximal EUR 200,-- belaufe.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Feldkirch den Antrag auf Aufhebung der Beschlagnahme ab, minderte jedoch den Deckungsbetrag gemäß § 115 Abs 5 StPO auf EUR 29.602,68. Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Angeklagten und des B* mit dem Antrag, diesen dahingehend abzuändern, dass dem Antrag der Beschwerdeführer vom 4.11.2024 vollinhaltlich stattgegeben werde. Begründend wird zunächst auf das Antragsvorbringen verwiesen. Darüber hinaus bringt die Beschwerde vor, die Beschwerdeführer hätten mangels eines von der Anklagebehörde gestellten Antrages nach § 445 StPO keine Möglichkeit, ihre zivilrechtlichen Ansprüche geltend zu machen. Darüber hinaus widerspreche die Beschlagnahme der Unschuldsvermutung.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, dringt nicht durch.
Gemäß § 115 Abs 1 Z 2 und 3 StPO ist eine Beschlagnahme (unter anderem) zulässig, wenn sichergestellte Gegenstände voraussichtlich privatrechtlichen Ansprüchen unterliegen oder dazu dienen werden, eine gerichtliche Entscheidung auf Konfiskation (§ 19a StGB), auf Verfall (§ 20 StGB), auf erweiterten Verfall (§ 20b StGB), auf Einziehung (§ 26 StGB) oder eine andere gesetzlich vorgesehene vermögensrechtliche Anordnung zu sichern. Während an den Grad des Tatverdachts bei der Sicherstellung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, weil die Sicherstellung lediglich einen ersten Zugriff bewirkt und der provisorischen Sicherung dient ( Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz, WK StPO § 110 Rz 16), bedarf es für die Beschlagnahme eines Verdachtsmoments, das qualitativ höherwertig ausgestellt sein muss, als das für die Sicherstellung erforderliche. Im Unterschied zum dringenden Tatverdacht, der einen höheren Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte die ihm angelastete Straftat begangen hat, voraussetzt (RIS-Justiz RS0107304), genügt allerdings für eine Beschlagnahme ein einfacher Tatverdacht. Auch ein solcher erfordert jedoch Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens geschlossen werden kann, und ist daher mehr als eine Vermutung.
Der gegen die Angeklagte bestehende Tatverdacht umfasst vorliegend auch den Verdacht, dass es sich bei den beschlagnahmten Kontoguthaben um Bestandteile ihres Vermögens handelt und wurde in der Beschwerdeentscheidung vom 25.7.2023 zu 6 Bs 83/23s wie folgt begründet:
Das Oberlandesgericht bejaht den einfachen Verdacht, A* habe das ihr mit Strafantrag der Staatsanwaltschaft Feldkirch vom7.2.2022 zur Last gelegte Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB begangen. Dass die Angeklagte bei Abgabe des Vermögensverzeichnisses im Schuldenregulierungsverfahren zu E* des Bezirksgerichtes Dornbirn Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, ergibt sich aus dem Anmeldungsverzeichnis mit den anerkannten Forderungen der Österreichischen Gesundheitskasse und des Finanzamts K* in Höhe von insgesamt EUR 571.399,53 (ON 28, AS 297). Im Vermögensverzeichnis wurden die Fragen nach Bargeld, Bausparverträgen, Sparbüchern, Bankguthaben, Kapitalversicherungen (C.1), Schmuck und sonstigen Wertsachen (C.2) von der Angeklagten jeweils verneint (ON 28, AS 190). Die Angeklagte war jedoch Inhaberin der Konten Nr. G*, J*, H* und I* bei der F* eGen mit einem Einlagestand von damals insgesamt EUR 25.102,68 (Kontenregisterabfrage ON 4, Abschlussbericht ON 28, AS 12f). Wer im Insolvenzverfahren in die Insolvenzmasse fallende Vermögenswerte verheimlicht, nimmt regelmäßig die Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung wenigstens eines seiner Gläubiger zumindest billigend in Kauf. Das sind Tatsachen, welche den von der Staatsanwaltschaft in ihrem Strafantrag erhobenen Anklagevorwurf jedenfalls im Sinne eines einfachen Verdachts begründen.
Die Angeklagte stellt die ihr zur Last gelegte Tat in Abrede und gab anlässlich ihrer polizeilichen Vernehmung am 16.6.2021 (ON 28, AS 21ff) im Wesentlichen zusammengefasst an, sie habe die Sparbücher in ihrem Vermögensverzeichnis nicht angegeben, weil diese ihrem Lebensgefährten B* gehörten. Sie würden nur deshalb auf sie lauten, weil er sie aus Liebe zu ihr so benannt habe. Dies bestätigte B* bei seiner Vernehmung als Zeuge am 16.6.2021 (ON 28, AS 153ff). Er habe diese Sparbücher auf den Namen der Angeklagten eröffnet. Sie habe davon gewusst. Wenn er es sich recht überlege, sei unter ihnen ausgemacht gewesen, dass jeder immer Zugriff auf alles, was sie hatten, haben sollte. Das auf die Sparbücher eingezahlte Geld komme von ihm.
Dazu brachte die Angeklagte in ihrem Antrag vom 22.3.2022 (ON 39) unter Anschluss diverser Urkunden vor, B* habe am 20.6.2017 aus einer fälligen Lebensversicherung von der L* AG EUR 14.593,81 und im Zeitraum Dezember 2013 bis Juni 2017 vom Insolvenz-Entgelt-Fond EUR 57.600,68 ausbezahlt bekommen. Aus diesen Beträgen stammten die Einzahlungen auf die beschlagnahmten Sparbücher.
Weshalb B* sein Vermögen auf Sparbüchern veranlagte, deren Inhaberin (alleine) die Angeklagte ist, vermochte er als Zeuge nicht nachvollziehbar zu erklären. Laut den kriminalpolizeilichen Erhebungen wäre im Übrigen B* die Eröffnung der Sparbücher im Namen einer anderen Person gar nicht möglich gewesen. Hinsichtlich des Sparbuchs der F* eGen mit der KtoNr. I* (und weiterer in diesem Beschwerdeverfahren nicht relevanter Sparbücher) steht aufgrund der vorhandenen Konteneröffnungsunterlagen fest, dass die Angeklagte selbst das Konto eröffnete (ON 28, AS 9f und AS 481ff). Letztlich würde aber sogar die Einzahlung der beschlagnahmten Sparguthaben ausschließlich durch B* keineswegs ausschließen, dass es sich dabei um Vermögen (auch) der Angeklagten handelt, zumal beispielsweise an die Möglichkeit einer Schenkung zu denken wäre. Wiederum ist auf die Aussage des Zeugen B* selbst zu verweisen, wonach ausgemacht gewesen sei, dass jeder immer Zugriff auf alles, was sie hatten, haben sollte (ON 28, AS 163). Schließlich geht das Argument, wonach es sich bei den Guthaben auf den beschlagnahmten Konten um Vermögenswerte handle, die (sinngemäß) im wirtschaftlichen Eigentum des B* stünden, insofern an der Sache vorbei, als Inhaberin sämtlicher Konten die Angeklagte ist. Diese persönlich als Kontoinhaberin hat eine Forderung in Höhe des Guthabens gegen die Bank als Drittschuldnerin. Diese Forderung ist nach außen hin jedenfalls ihrem Vermögen zuzurechnen, also Bestandteil ihres Vermögens im Sinne des § 156 Abs 1 StGB und kann als relevanter Vermögenswert der Beschlagnahme unterliegen (OLG Wien 31 Bs 34/23m).
Den konkreten einfachen Tatverdacht vermögen die Beschwerdeführer also nicht zu entkräften.
An dieser Verdachtslage hat sich seither keine Änderung zu Gunsten der Angeklagten ergeben.
Bereits in dieser Entscheidung führte das Oberlandesgericht allerdings aus, dass die Beschlagnahme der Sicherung privatrechtlicher Ansprüche (§ 115 Abs 1 Z 2 StPO) vorliegend nicht dienen kann, weil durch das der Angeklagten zur Last gelegte Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB potentiell nur die beiden (einzigen) Gläubiger im Konkursverfahren E* des Bezirksgerichtes Dornbirn geschädigt sein können, sohin die österreichische Gesundheitskasse und das Finanzamt K*, deren Ansprüche aber jeweils nicht privatrechtlicher Natur sind. Von diesem Beschlagnahmegrund geht auch der nunmehr angefochtene Beschluss nicht mehr aus.
Nach wie vor zulässig ist die Beschlagnahme jedoch dem Grunde nach zur Sicherung vermögensrechtlicher Anordnungen (§ 115 Abs 1 Z 3 StPO), konkret des Verfalls nach § 20 Abs 1 und 3 StGB. Ein Gegenstand, durch dessen Verheimlichung im Sinn des § 156 Abs 1 StGB das Vermögen des Täters wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines seiner Gläubiger vereitelt oder geschmälert wird, kann einen durch die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswert darstellen und solcherart dem Verfall nach § 20 Abs 1 StGB unterliegen (14 Os 64/19x). Auch eine Beschlagnahme zur Sicherung des Verfalls nach § 20 Abs 3 StGB (Wertersatzverfall) ist möglich, soweit demnach dem Verfall unterliegende Vermögenswerte – hier: die Opossumjacke und der Nerzmantel – nicht sichergestellt oder beschlagnahmt sind.
Damit sind aber die Voraussetzungen zur Beschlagnahme der inkriminierten Bankguthaben nach wie vor unverändert gegeben. Die Verhandlungsunfähigkeit der Angeklagten bedeutet nicht, dass die Voraussetzungen der Beschlagnahme im Sinne des § 115 Abs 6 StPO nicht oder nicht mehr bestehen würden. Zu Recht verweist das Erstgericht in diesem Zusammenhang auch auf die Möglichkeit eines selbständigen Antrages auf Erlassung einer vermögensrechtlichen Anordnung gemäß § 445 Abs 1 StPO.
Eine Gesetzeslücke vermag das Beschwerdegericht nicht zu erkennen. Die Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahme ist angesichts der Schwere der der Angeklagten zur Last gelegten Tat und der Höhe der nach der Verdachtslage eingetretenen Gläubigerschädigung nach wie vor gegeben. Eine Übersicherung liegt nicht vor.
Damit musste die Beschwerde erfolglos bleiben.