11Bs90/25k – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 1.10.2024, GZ ** 25, nach der am 1.7.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Egger, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Thomas Willam, des Erstangeklagten A* und seines Verteidigers RA Mag. Stephan Wirth durchgeführten öffentlichen und mündlichen Hauptverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird F o l g e gegeben und die Geldstrafe auf 480 Tagessätze , im Uneinbringlichkeitsfall 240 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, sowie die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf EUR 7,-- a n g e h o b e n .
Gemäß § 43a Abs 1 StGB wird die Hälfte der Geldstrafe (240 Tagessätze) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Erstangeklagten A* auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Schuldspruch des Zweitangeklagten B* wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie unbekämpft gebliebene Adhäsionserkenntnisse betreffend den Erst- und den Zweitangeklagten enthält, wurde der Erstangeklagte A* des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (zu 1.) schuldig erkannt.
Danach hat er am 25.2.2024 in ** den B* vorsätzlich am Körper verletzt, und dadurch eine schwere Körperverletzung, nämlich eine dislozierte Nasenbeinfraktur sowie eine dislozierte Fraktur der Vorderwand und der lateralen Wand des Sinus maxillaris links mit begleitender Schleimhautschwellung im Sinus, sohin eine an sich schwere Verletzung, herbeigeführt, indem er B* zumindest zwei Faustschläge ins Gesicht versetzte.
Hiefür verhängte der Einzelrichter über den Erstangeklagten nach § 84 Abs 4 StGB in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 420 Tagessätzen á EUR 4,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 210 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und verurteilte ihn nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens. Gemäß § 43a Abs 1 StGB wurde ein Teil der Geldstrafe im Ausmaß von 210 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.
Gegen den Strafausspruch richtet sich eine rechtzeitig angemeldete (ON 27.1) und schriftlich fristgerecht ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft Feldkirch (ON 36), die auf eine schuld- und tatangemessene Erhöhung der Strafe samt Anhebung des einzelnen Tagessatzes abzielt.
In seiner Gegenausführung beantragt der Erstangeklagte durch seinen Verteidiger, der Berufung keine Folge zu geben (ON 38).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer Stellungnahme vom 7.4.2025 den Standpunkt, dass gegen die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB zwar keine Bedenken bestünden, die verhängte Anzahl der Tagessätze dem Schuld- und Unrechtsgehalt jedoch noch nicht gerecht würde und mit Blick auf die festgestellten Einkommensverhältnisse die Höhe des einzelnen Tagessatzes anzuheben sei, weshalb der Berufung Folge zu geben sein werde.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt Berechtigung zu.
Das Erstgericht stellte zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen sowie zum strafrechtlichen Vorleben des Erstangeklagten Nachfolgendes fest:
„Der am ** in ** (Türkei) geborene Erstangeklagte A* ist österreichischer Staatsangehöriger und in **, wohnhaft. Als selbständiger Imbissbetreiber verdient er monatlich zwischen EUR 1.500,-- und EUR 2.000,-- netto, dies 12-mal jährlich. Zum Vermögen des Erstangeklagten zählt ein PKW der Marke ** (Baujahr 2017). Er hat keine Schulden, ist ledig und ohne Sorgepflichten.
Der Erstangeklagte A* ist in Österreich gerichtlich unbescholten.“
Bei der Strafbemessung legte das Erstgericht zutreffend einen Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe zugrunde und wertete den bisher ordentlichen Lebenswandel des Angeklagten und den Umstand, dass die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch stünde, mildernd (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB); demgegenüber keinen Umstand erschwerend.
Ausgehend davon sowie mit Blick auf die allgemeinen Grundsätze der Strafbemessung im Sinn des § 32 StGB erachtet das Oberlandesgericht bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 Abs 1 StGB, gegen dessen Anwendung infolge des bisher ordentlichen Lebenswandels keine spezialpräventiven Gründe sprechen, an sich eine Geldstrafe von 540 Tagessätzen als schuld- und tatangemessen.
Fallaktuell liegt aber zudem der besondere Milderungsgrund nach § 34 Abs 2 StGB (zu den beiden Fallgruppen dieses Milderungsgrundes vgl RIS-Justiz RS0132858; Riffel WK 2StGB § 34 Rz 56) vor, weil die Dauer der Ausfertigung des erstgerichtlichen Urteils, welches erst am 3.3.2025 der Kanzlei zur Zustellung an die Staatsanwaltschaft übergeben wurde (ON 1.21), die vierwöchige Frist des § 270 Abs 1 StPO objektiv beträchtlich überschritt und vom Umfang und der Schwierigkeit her nicht sachlich gerechtfertigt und demnach unangemessen lange war (RIS-Justiz RS0120138). Dieser Verstoß gegen Art 6 Abs 1 MRK war durch eine Reduktion der an sich angemessenen Geldstrafe um 60 Tagessätze auszugleichen (RIS-Justiz RS0114926[T3]), weshalb insgesamt in Stattgebung der Berufung die Geldstrafe auf 480 Tagessätze anzuheben war.
Die vom Erstgericht ausgesprochene bedingte Nachsicht der Hälfte der Geldstrafe in Anwendung des § 43a Abs 1 StGB, die von der Berufung ohnehin nicht kritisiert wird, ist weder aus spezial- noch generalpräventiven Erwägungen zu beanstanden, weshalb nunmehr vom Oberlandesgericht erneut die Hälfte der Geldstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachzusehen war.
Im Recht ist die Staatsanwaltschaft auch mit ihrer weiteren Forderung nach Anhebung der Höhe des Tagessatzes, weil die vom Erstgericht mit EUR 4,-- bemessene Höhe den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Erstangeklagten nicht entspricht und daher etwas zu niedrig ausgefallen ist. Ausgehend von den unbedenklichen erstrichterlichen Annahmen zur Einkommens- und Vermögenssituation des Erstangeklagten und unter Heranziehung der Existenzminimumtabelle des Bundesministeriums für Justiz (1 bm) als Orientierungshilfe ist ein Betrag von zumindest EUR 234,-- abschöpfbar. In weiterer Stattgebung der Berufung war daher die Höhe des einzelnen Tagessatzes auf EUR 7,-- anzuheben.
Der Kostenausspruch ist Folge des Ausgangs des Rechtsmittelverfahrens und stützt sich auf die angeführte Gesetzesstelle.