JudikaturOLG Innsbruck

7Bs44/25s – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
03. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Dampf und die Richterin Dr. Offer als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen 1. A* und 2.B* C*wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Berufungen der genannten Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht in Jugendstrafsachen vom 20.8.2024, GZ **-17, nach der am 3.4.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. a Fuchs, des Sitzungsvertreters der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Willam, der Angeklagten und ihrer gesetzlichen Vertreterinnen D* und E* C* sowie der Verteidiger RA Mag. Rossi für RA Dr. Markus Moser (für A*) und RAA Mag. Münster für RA Dr. Esther Pechtl-Schatz (für B* C*) öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird t e i l w e i s eFolge gegeben, bei beiden Angeklagten die Anwendung des § 43a Abs 2 StGB ausgeschieden und über sie in nunmehriger Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine

Geldstrafe von 360 Tagessätzen à EUR 4,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe,

v e r h ä n g t .

Nach § 43a Abs 1 StGB wird bei beiden Angeklagten die Hälfte der Geldstrafe (180 Tagessätze) unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Im Übrigen wird den Berufungen n i c h t Folge gegeben.

Nach § 390a Abs 1 StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe :

Ein Jugendschöffensenat des Landesgerichts Innsbruck erkannte mit dem angefochtenen Urteil die im Tatzeitpunkt jeweils 14-jährigen A* und B* C* des Verbrechens des Raubes nach § 142 (zu ergänzen: Abs 1 und) Abs 2 StGB schuldig.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs haben sie am ** in ** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter dem F* fremde bewegliche Sachen, nämlich EUR 20,-- mit Gewalt und gefährlicher Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder Dritte hiedurch unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen haben und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat, indem sie nach einer kurzen körperlichen Auseinandersetzung, im Zuge derer A* den F* in den „Schwitzkasten“ nahm und würgte, diesen schubsten und Geld von ihm forderten, wobei C* äußerte „entweder du gibst uns EUR 20,-- oder ich mach das gleiche (gemeint eine körperliche Misshandlung in Form eines „Schwitzkastens“ und von Würgen) nur fester“ und sie ihn, als sich F* weigerte, mehrere Ohrfeigen androhten, worauf der so eingeschüchterte F* ihnen dann EUR 20,-- aushändigte .

Hiefür verhängte der Schöffensenat über beide Angeklagte nach § 142 Abs 2 StGB in Anwendung der §§ 5 Z 4 JGG, 43a Abs 2 StGB eine jeweils unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von vier Monaten und eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen à EUR 4,--, im Fall der Uneinbringlichkeit 90 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, und verurteilte sie nach § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.

Zu den Personalien der Angeklagten und ihrem Vorleben traf der Schöffensenat nachangeführte Feststellungen:

Der am ** geborene A* ist ** Staatsbürger und bezieht als ** im ersten Lehrjahr monatlich ein Einkommen von 850 Euro netto, dies 14 Mal. Er besitzt ein altes Moped der Marke ** und ein von seiner Großmutter verwaltetes Sparbuch mit einem unbekannten Einlagenstand. Er hat keine Schulden. Es treffen ihn keine Sorgepflichten.

Der am ** geborene B* C* ist ** Staatsbürger und bezieht kein monatliches Einkommen. Er besitzt ein von seinen Großeltern verwaltetes Sparbuch mit einem unbekannten Einlagenstand und hat keine Schulden. Es treffen ihn keine Sorgepflichten.

Beide Angeklagten sind gerichtlich unbescholten.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten hat der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 29.1.2025, GZ 12 Os 133/24m-4, zurückgewiesen und die Akten zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugewiesen (ON 22).

Dass A* im Rahmen der Sanktionsrüge mit dem Vorbringen fehlerhafter Nichtanwendung des § 13 JGG in Wahrheit bloß ein Berufungsvorbringen erstattete, hat der Oberste Gerichtshof klargestellt (12 Os 133/24m-4 [Rz10]). Neben einem Vorgehen nach §§ 12, 13 JGG zielt die Berufung des Genannten eventualiter auf die schuld- und tatangemessene Herabsetzung der Strafe und die Verhängung einer teilweise bedingt nachgesehenen Geldstrafe ab und moniert, dass bei der Strafbemessung generalpräventiven Erwägungen über Gebühr Beachtung geschenkt worden sei. In Anbetracht der bloßen „Beitragstäterschaft“, der bisherigen Unbescholtenheit und der nur geringfügigen Folgen der Tat samt Entschuldigung und Schadenswiedergutmachung sei die Strafe zu streng ausgefallen (ON 20).

Die Berufung des B* C* macht geltend, dass das Erstgericht die Mittäterschaft fehlerhaft als erschwerend gewertet habe. Er sei bei der Tatbegehung weder führend beteiligt noch Urheber bzw Anstifter der Tat gewesen. Zudem habe er die Tat lediglich aus Unbesonnenheit und wegen einer besonders verlockenden Gelegenheit begangen. Die Nichtanwendung des § 13 Abs 1 JGG sei verfehlt. Mit diesem Vorbringen zielt die Berufung des B* C* darauf ab, den Strafausspruch im Sinne eines Schuldspruchs unter Vorbehalt der Strafe nach § 13 Abs 1 JGG abzuändern, in eventu die Strafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen.

Die in den beiden Strafberufungen der Angeklagten implizierten (§ 498 Abs 3 StPO) Beschwerden gegen den gemeinsam mit dem Urteil verkündeten und lege artis gesondert ausgefertigten Beschluss nach § 494 StPO (auf Anordnung der Bewährungshilfe) zogen die Angeklagten anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung ausdrücklich zurück.

Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer schriftlichen Stellungnahme den Standpunkt, dass die Rechtsmittel der Angeklagten nicht berechtigt seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufungen sind teilweise berechtigt.

Die vom Erstgericht herangezogenen Strafzumessungsgründe treffen überwiegend zu. Zu Recht hat das Erstgericht in den Depositionen der beiden Angeklagten nur ein teilweises Geständnis erblickt, ohne dass darin ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung liegen würde. Mit Blick auf den auffallenden Widerspruch der Tat zum sonstigen Verhalten der beiden Angeklagten wurde auch die Unbescholtenheit zutreffend als mildernd gewertet.

Dass die aggravierende Wertung der Tatbegehung mit Mittätern entgegen der Sanktionsrüge des B* C* keine Nichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO begründet, hat schon der Oberste Gerichtshof festgestellt (12 Os 133/24m-4 [Rz 12]). Im Übrigen hat das Erstgericht diesen Erschwerungsgrund zu Recht angenommen (RIS-Justiz RS0090930). Für die Behauptung des A*, er sei nur Beitragstäter gewesen, bieten die Urteilsannahmen keinen Raum, unabhängig davon, dass bloße Beitragstäterschaft ohnedies nicht mildernd wäre ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 34 Rz16).

Nach den Urteilsannahmen haben die Angeklagten in Mittäterschaft handelnd gegen das Opfer mehrfach beide räuberische Mittel (also Gewalt und Drohung im Sinn des § 142 Abs 1 StGB) eingesetzt und von ihren Attacken selbst nicht Abstand genommen, obwohl das Opfer bereits weinend darum bat, die Übergriffe einzustellen (US 3). Mit Blick darauf kann der von B* C* reklamierte Milderungsgrund der Unbesonnenheit (RIS-Justiz RS0090980 [T3] nicht erblickt werden. Warum in Anbetracht der konstatierten Tatumstände mit Rücksicht auf die Tatbegehung sowie das jugendliche Opfer auch ein ansonsten rechtstreuer Mensch der Tatversuchung unterliegen könnte, mithin eine besonders verlockenden Gelegenheit vorgelegen hat (RIS-Justiz RS0091076) macht die Berufung ebenso wenig klar.

Der fortgesetzte Einsatz beider räuberischer Mittel ist zusätzlich aggravierend. Dass die Tat der beiden Angeklagten nur geringfügige Folgen nach sich gezogen hat, bedingt der Berufung des A* zuwider bereits die Privilegierung des § 142 Abs 2 StGB und kann daher nicht neuerlich im Rahmen der Strafzumessung auf der mildernden Seite herangezogen werden, weil darin eine unzulässige Doppelbegünstigung liegen würde.

Vielmehr haftet mit Blick auf die Konstatierungen zum Tathergang der Tat der beiden Angeklagten innerhalb des Deliktsspektrums ein beträchtlicher Unrechts- und Schuldgehalt an, der bereits aus Gründen der Spezialprävention dem von den Berufungen geforderten Vorgehen nach § 13 Abs 1 JGG entgegensteht. Eine Prognose, dass der Schuldspruch und die Androhung des Strafausspruchs allein oder in Verbindung mit weiteren Maßnahmen genügen werde, um beide Angeklagte von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, ist in Anbetracht des intensiven Täterwillens nicht zu rechtfertigen. Derartige um sich greifende spezifische Taten jugendlicher Straftäter zum Nachteil jugendlicher Opfer stehen zudem auch aus besonderen Gründen der Generalprävention einem Vorgehen nach § 13 Abs 1 JGG entgegen ( Schroll/Oshidari in Höpfel/Ratz , WK 2JGG § 13 Rz 4f mwN). Diese Gründe hindern wie auch die fehlende geringe Straferwartung das von A* in der Berufungsverhandlung geforderten Vorgehen nach § 12 JGG ( Schroll/Oshidari aaO § 12 Rz 4, 7f mwN).

In Anbetracht des geringen Alters der beiden Angeklagten und mit Blick auf das sich aus den Jugenderhebungen ableitbare Persönlichkeitsbild ist aber nach Ansicht des Berufungsgerichts fallbezogen die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB spezialpräventiv vertretbar. Es war daher in teilweiser Stattgebung der Berufungen die Anwendung des § 43a Abs 2 StGB aus dem Ersturteil auszuscheiden und in nunmehriger Anwendung des § 37 Abs 1 StGB über die Angeklagten eine Geldstrafe zu verhängen.

Diese ist in Anbetracht der präzisierten bzw ergänzten Strafzumessungsgründe und mit Rücksicht auf allgemeine Strafbemessungskriterien in der Höhe von 360 Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit 180 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, schuld- und tatangemessen und berücksichtigt sämtliche Aspekte der Täterpersönlichkeiten und des Tatunrechts und wird im Übrigen auch präventiven Strafbemessungserwägungen hinreichend gerecht.

Nach § 43a Abs 1 StGB sprechen weder spezial- noch generalpräventive Überlegungen gegen eine teilbedingte Strafnachsicht im Ausmaß der Hälfte der Geldstrafe. Die Probezeit war mit Blick auf Vorsatzdelinquenz mit drei Jahren zu bemessen, um den Angeklagten ausreichend Gelegenheit zur Bewährung zu geben.

Die Höhe des Tagessatzes war schon wegen der Anfechtungsrichtung wieder jeweils mit EUR 4,-- zu bemessen.

Damit war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der herangezogenen gesetzlichen Bestimmung.