Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Koller (Vorsitz), die Richterin Mag a . Schwingenschuh und den Richter Mag. Ohrnhofer in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB über dessen Einspruch und Berufung gegen das Abwesenheitsurteil des Landesgerichts Leoben vom 24. Juli 2025, GZ **-36, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
In Stattgebung des Einspruchs wird das angefochtene Urteil aufgehoben und dem Landesgericht Leoben die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung aufgetragen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
begründung:
Mit in Abwesenheit des Angeklagten gefälltem Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Leoben vom 24. Juli 2025, GZ **-36, wurde der am ** geborene niederländische Staatsangehörige A* des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 147 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet.
Dem Schuldspruch zufolge hat A* in ** im Zeitraum von 1. bis 15. Februar 2023 mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, B* durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, bei der Auszahlung der von B* erworbenen Bitcoins behilflich zu sein, zu einer Handlung, nämlich der Überweisung von insgesamt EUR 5.300,00 in zwei Tranchen auf das Konto IBAN: **, lautend auf DHR. A*, verleitet, die B* mangels Erbringung der zugesicherten Leistung bzw. Rückzahlung im genannten, EUR 5.000,00 übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte.
Gegen dieses Abwesenheitsurteil richten sich der rechtzeitig erhobene Einspruch des Angeklagten (ON 39) und die zugleich angemeldete Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Im Einspruch wird moniert, dass der Strafantrag und die Ladung nur in deutscher und nicht in niederländischer Sprache zugestellt worden seien, was die wirksame Verteidigung in Österreich verhindert habe.
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz beantragte in ihrer Stellungnahme, dem Einspruch stattzugeben, weil mangels Übersetzung der Ladung (und des Strafantrags) die Zustellung nicht bewirkt worden sei und somit ein unabweisbares Hindernis iSd § 427 Abs 3 StPO vorliege.
Der Angeklagte gab zu dieser Stellungnahme keine Äußerung ab.
Der Einspruch, über den vorweg in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden ist (§ 427 Abs 3 letzter Satz erster Halbsatz StPO), ist berechtigt.
Einem Einspruch ist nach § 427 Abs 3 StPO stattzugeben, wenn nachgewiesen wird, dass der Angeklagte durch ein unabweisbares Hindernis abgehalten wurde, in der Hauptverhandlung zu erscheinen. Maßgebliches Kriterium ist, ob der Angeklagte die Hauptverhandlung wegen eines Umstandes versäumt hat, der auch gewissenhafte Menschen in seiner Lage vom Erscheinen abgehalten hätte. Zustellmängel, die den Angeklagten am Erscheinen in der Hauptverhandlung hindern, erfüllen in der Regel die Bedingung eines unabweisbaren Hindernisses (vgl Bauer, WK-StPO § 427 Rz 20).
Gemäß Art 5 Abs 1 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-RHÜ; BGBl III 2005/65) übersendet jeder Mitgliedstaat Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, für sie bestimmte Verfahrensurkunden unmittelbar durch die Post. Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist, so ist gemäß Art 5 Abs 3 EU-RHÜ die Urkunde – oder zumindest deren wesentlicher Inhalt – in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedsstaates, in dessen Hoheitsgebiet sich der Empfänger aufhält, zu übersetzen. Ist der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt hat, bekannt, dass der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig ist, so ist die Urkunde – oder zumindest deren wesentlicher Inhalt – in diese andere Sprache zu übersetzen.
Nach dem Akteninhalt ist nicht indiziert, dass der in den Niederlanden wohnhafte und die niederländische Staatsbürgerschaft innehabende Angeklagte der deutschen Sprache mächtig ist (vgl die auf niederländisch erfolgte Vernehmung [ON 26.2] sowie die Ladung eines Dolmetschers für Niederländisch zur Hauptverhandlung [ON 1.22]). Die Ladung und der Strafantrag wurden dem Angeklagten mit internationalem Rückschein an seine niederländische Adresse zugestellt. Entgegen Art 5 Abs 3 EU-RHÜ erfolgte die Ladung des Angeklagten zur Hauptverhandlung – samt den darin enthaltenen Belehrungen zu den Rechtsfolgen des Nichterscheinens – ausschließlich in deutscher Sprache (ON 1.22).
Die Zustellung der Ladung zur Hauptverhandlung ohne Anschluss einer Übersetzung des wesentlichen Inhalts der Ladung (sowie auch zuvor des Strafantrags) an den der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten widersprach somit Art 5 Abs 3 EU-RHÜ. Wird eine erforderliche Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks nicht angeschlossen, gilt die Zustellung als nicht bewirkt. Die solcherart (ohne Übersetzung) vorgenommene Ladung ist somit nicht gehörig im Sinne des erfolgt (in diesem Sinn auch OLG Wien ; OLG Linz 7 Bs 85/23h; vgl generell zur gehörigen Ladung RIS-Justiz ; ).
Dies hat die Aufhebung des Urteils in Stattgebung des Einspruchs und Anordnung einer neuen Hauptverhandlung zur Folge (§ 427 Abs 3 StPO; Bauer, WK-StPO § 427 Rz 22).
Mit der damit gegenstandslos gewordenen Berufung (vgl Bauer, WK-StPO § 427 Rz 22) ist der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diese Entscheidung steht kein Rechtsmittel zu (RIS-Justiz RS0124936).
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