Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz), den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA und die Richterin Mag a . Kohlroser in der Strafvollzugssache des A*wegen § 4 StVG über die Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 12. September 2025, GZ **-176, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht kein weiterer Rechtszug zu.
Begründung:
Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 10. April 2025, GZ **-150, wurde - soweit hier relevant - der am ** geborene rumänischen Staatsangehörigen A* des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Diebstahls durch Einbruch im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 erster und zweiter Fall StGB, teils iVm § 15 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 130 Abs 2 StGB unter Vorhaftanrechnung von 21. Oktober 2024, 04.02 Uhr bis 10. April 2025, 11.15 Uhr zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dem Schuldspruch des A* lagen - zusammengefasst - neun Einbrüche in Firmenobjekte zugrunde, wobei der Wert der Diebsbeute (Kupfer-und Werkzeugbestände) über EUR 174.000,00 betrug.
Die Strafe wird in der Justizanstalt Leoben vollzogen. Die Hälfte der Strafe wird am 21. Oktober 2025 vollzogen sein. Zwei Drittel werden am 21. Februar 2026 verbüßt sein (ON 171.3).
Mit dem rechtskräftigen Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 6. März 2025, AZ ** (ON 7 der Akten AZ ** der Staatsanwaltschaft Leoben), wurde aufgrund des Europäischen Haftbefehls des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 20. Jänner 2025, **, die Übergabe des A* an die deutschen Justizbehörden zur Strafverfolgung nach § 20 Abs 2 EU-JZG (vereinfachte Übergabe) angeordnet (Punkt I.) und die Übergabe nach § 25 Abs 1 Z 3 EU-JZG zumindest bis zur Beendigung des Vollzugs der über den Betroffenen mit Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 24. April 2024 zu AZ **, verhängten Untersuchungshaft aufgeschoben (Punkt II.).
Dem Europäischen Haftbefehl zufolge steht A* im Verdacht, er habe sich am 2. April 2024 in ** im gemeinschaftlichen Zusammenwirken mit den gesondert Verfolgten B*, C*, D* und einem weiteren unbekannten Täter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans und Tatentschlusses sowie mit der Absicht, sich durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen, zunächst Zutritt zum Fabrikgelände der Firma E* verschafft, um in die dort befindlichen Gebäude einzudringen und nach Stehlgut Ausschau zu halten, wobei der Beschuldigte und die anderweitig Verfolgten in weiterer Folge ca 1 Kilometer Kabel im Gesamtwert von EUR 36.000,00 entwendeten, um dieses für sich zu behalten oder in der Folge für eigene Zwecke zu verwerten, obwohl sie wussten, hierauf keinen Anspruch zu haben, sowie mittels einer hydraulischen Trennschere eine nicht genau bezifferbare Menge an Kupferkabeln im Wert von ca EUR 500.000,00 professionell durchtrennten, diese aus dem Kellersystem verbrachten, die Kabel mit einer Länge zwischen 4 und 10 m und einem Gewicht von zumindest 30 kg der Länge nach sortiert auf diverse Stapel zum Abtransport bereitlegten, um auch diese Kupferkabel zu entwenden und für sich zu behalten oder in der Folge für eigene Zwecke zu verwerten, wobei sie aufgrund des ausgelösten Alarms flüchteten.
Dieser Sachverhalt wurde im Europäischen Haftbefehl als Verbrechen des schweren Bandendiebstahls nach §§ 242 Abs 1, 243 Abs 1 S. 2 Nr. 3, 244a Abs 1, 25 Abs 2 StGB des deutschen Strafgesetzbuches qualifiziert und ist mit einer Freiheitsstrafe mit einer Höchstdauer von zehn Jahren bedroht.
Mit dem rechtskräftigen Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 23. April 2025, AZ ** (ON 13 der Akten AZ ** der Staatsanwaltschaft Leoben), wurde die mit Beschluss vom 6. März 2025 angeordnete vereinfachte Übergabe nach § 25 Abs 1 Z 6 EU-JZG bis zur Beendigung des Vollzugs der über A* mit Urteil des Landesgerichts Leoben vom 10. April 2025 zu AZ ** verhängten Freiheitsstrafe aufgeschoben.
Mit Eingabe vom 3. September 2025 ersuchte der Verurteilte um Auslieferung nach § 4 StVG (ON 171.2).
Die Staatsanwaltschaft Leoben beantragte die Auslieferung des Verurteilten nach Deutschland nach § 4 StVG nach Verbüßung von zwei Dritteln der Freiheitsstrafe nach § 152 Abs 1 Z 2 StVG mit Stichtag 21. Februar 2026 (ON 174.1).
Mit dem angefochtenen Beschluss sah das Landesgericht Leoben nach § 4 StVG vom Vollzug der über den Stichtag 21. Februar 2026 hinausgehenden Freiheitsstrafe vorläufig ab und führte begründet aus, dass im Lichte der bereits zu AZ ** des Landesgerichts Leoben bewilligten Übergabe an die deutschen Behörden, der Zustimmung des Verurteilten und der Antragstellung der Staatsanwaltschaft Leoben im Sinne des § 4 StVG vorzugehen sei und nach Verbüßung von zwei Dritteln der über den Verurteilten verhängten Freiheitsstrafe zum Stichtag 21. Februar 2026 vom weiteren Strafvollzug abgesehen werden könne.
Mit seiner Beschwerde (ON 177) begehrt A* die Auslieferung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Freiheitsstrafe am 21. Oktober 2025.
Die Beschwerde ist unberechtigt.
Wird ein Verurteilter an eine ausländische Behörde ausgeliefert, so ist nach § 4 StVG vom Vollzug einer über ihn verhängten Freiheitsstrafe vorläufig abzusehen, es sei denn, dass es aus besonderen Gründen des unverzüglichen Vollzugs bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
§ 4 StVG stellt weder darauf ab, ob der Rechtsbrecher bereits einen bestimmten Teil der über ihn verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe verbüßt hat, noch darauf, ob nach seiner Person, seinem Vorleben, seinen Aussichten auf ein redliches Fortkommen oder seiner Aufführung während der Vollstreckung anzunehmen ist, dass er in Freiheit keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde. Vielmehr liegt der angeführten Bestimmung der Gedanke zugrunde, den österreichischen Strafvollzug nur in dem aus generalpräventiven Erfordernissen unerlässlichen Ausmaß mit Vollzügen an Ausländern zu belasten, die - sei es zur Strafverfolgung, sei es zur Strafvollstreckung - an eine ausländische Behörde auszuliefern sind, weshalb ausnahmsweise auf generalpräventive Gesichtspunkte Bedacht zu nehmen ist. Vorläufiges Absehen vom Strafvollzug setzt folglich voraus, dass ungeachtet der Auslieferung dem österreichischen Strafbedürfnis zur Aufrechterhaltung einer generalpräventiven Wirkung Rechnung getragen wird. Bei dieser Prüfung ist - neben der Schwere, Publizität und Häufigkeit der Anlasstat ( Drexler/Weger StVG 5 § 4 Rz 1) - auch die Höhe der im Inland verhängten Freiheitsstrafe gegen die den Verurteilten im Ausland erwartende Strafe abzuwägen. Generalpräventive Bedenken gegen ein Absehen werden daher - in der Regel - dann nicht bestehen, wenn deren Ausmaß zumindest der im Inland noch nicht vollzogenen Freiheitsstrafe entspricht oder diese sogar übersteigt. Soll der Verurteilte zur Strafverfolgung ausgeliefert werden, ist eine Prognose vorzunehmen ( Pieber in Höpfel/Ratz, WK² StVG § 4 Rz 13; OLG Linz, AZ 9 Bs 295/24g).
Im vorliegenden Fall ging das Erstgericht zutreffend davon aus, dass aufgrund der sich aus den konkreten Tatmodalitäten (professionelles und arbeitsteiliges Vorgehen, neun Angriffe, hoher Beutewert, mehrfache Qualifikation) erschließenden Schwere des im Inland abgeurteilten Verbrechens generalpräventive Aspekte den Vollzug von merklich mehr als der Hälfte der verhängten Sanktion gebieten. Soweit ersichtlich, blieb das im Europäischen Haftbefehl beschriebene Delikt beim Versuch, weil die Täter nach der Auslösung eines Alarms flüchten mussten. Da die im Falle eines Schuldspruchs in Deutschland unter Bedachtnahme auf das österreichische Urteil zu erwartende (Zusatz)Freiheitsstrafe wahrscheinlich geringer ist, als der nach Verbüßung des vom Erstgericht festgesetzten Strafteils noch verbleibende Strafrest (von acht Monaten) oder diesen zumindest nicht übersteigen wird, ist dem dargelegten generalpräventiven Bedürfnis an den inländischen Strafvollzug entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers somit nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt Genüge getan.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO iVm § 7 Abs 2 erster Satz StVG.
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