JudikaturOLG Graz

2R142/25g – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
23. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat als Berufungsgericht durch die Richterin Mag. a Schiller (Vorsitz), den Richter Mag. Scheuerer und die Richterin Dr. in Steindl-Neumayr in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Helmut Venus, Mag. Herbert Lienhart, Mag. Maximilian Lienhart, Rechtsanwälte in Fürstenfeld, und ihrer Nebenintervenientin B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. Ralph Forcher, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei C* GmbH , FN **, **, vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer-Preininger, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 17.118,49 samt Anhang , über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Juni 2025, **-56, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei und der Nebenintervenientin jeweils die mit EUR 1.958,22 (darin enthalten EUR 326,37 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig .

Text

entscheidungsgründe:

Die Beklagte beauftragte die Klägerin beim Bauvorhaben D* (D*) mit Werkvertrag vom 19.4.2022 mit der Erbringung von Estricharbeiten. Die Ausschreibung der Gewerke, das Erstellen der Leistungsverzeichnisse und die Baustellenkoordination oblag der Nebenintervenientin. Zudem war diese mit der örtlichen Bauaufsicht beauftragt.

Das Leistungsverzeichnis für Estricharbeiten enthielt zwar auf Seite 25 die Position „AZ Estrich Teilflächen im Gefälle bei bodenebenen Duschen 62,92m²“, jedoch lag es der Klägerin weder vor noch bei Legung ihres Angebotes noch bei Unterfertigung des Werkvertrages vor. Daher war dieses Leistungsverzeichnis für die Anbotslegung der Klägerin ohne Relevanz. Vielmehr legte sie ihr Angebot ausschließlich auf Basis der Planunterlage Beilage./11 und dem E-Mail des DI E* vom 4.4.2022, das die Errichtung eines Gefälles nicht vorsah. Aus diesem Grund enthielt weder ihr Angebot noch der schriftliche Werkvertrag entsprechend der vereinbarten ÖNORM B2232 aus dem Jahr 2016 eine Leistungsposition für die Ausführung von Gefällen an den Oberflächen. Die Herstellung des Gefälles bei den Duschen war daher vom Auftrag der Klägerin nicht umfasst, worauf sie im Rahmen einer Baubesprechung im Juni/Juli 2022 hinwies. Das Gefälle hätte vom Nachfolgegewerk, dem Fliesenleger, hergestellt werden sollen. Durch die Leistungserbringung der Klägerin kam es beim Bauvorhaben zu keiner relevanten zeitlichen Verzögerung. Anfang September 2022 löste die Beklagte den Werkvertrag einseitig auf. Der (der Klägerin nicht kommunizierte) Grund dafür war, dass die Beklagte vorher nicht einkalkulierte Kosten für die Herstellung des Gefälles durch den Fliesenleger zu tragen hatte. Der Geschäftsführer der Beklagten ging nämlich aufgrund der Information durch die ÖBA davon aus, dass diese Leistung vom Auftrag der Klägerin umfasst war. Die ausstehenden Estricharbeiten wurden schließlich von einem anderen Unternehmen erbracht.

Im Verfahren begehrt die Klägerin den offenen Werklohn für die erbrachten mängelfreien Arbeiten in Klagshöhe. Die Beklagte sei nach Legung einer Teilerechnung unberechtigt vom Vertrag zurückgetreten. Die Herstellung eines Gefälles in den Duschbereichen sei nicht vereinbart gewesen. Im Übrigen wäre eine Gefälleherstellung auch technisch nicht sinnvoll gewesen, da diese Leistung üblicherweise dem Fliesenleger obliege. Für Verzögerungen im Bauablauf sei die Klägerin nicht verantwortlich, weil dafür die fehlende Koordination der einzelnen Gewerke durch die Baustellenleitung ursächlich gewesen sei. Die eingewandte Gegenforderung sei überdies unschlüssig.

Die Beklagte bestritt die Werklohnforderung der Klägerin zur Gänze. Diese habe ihre Leistungen – insbesondere die Herstellung des notwendigen Gefälles in den Duschbereichen der Bäder – trotz mehrfacher Urgenzen nicht erbracht und dadurch erhebliche Verzögerungen verursacht. Das Vertragsverhältnis sei daher von der Klägerin einseitig beendet worden. Die Höhe des offenen Werklohns sei aufgrund unberechtigt verrechneter Materialkosten auf EUR 16.282,84 zu reduzieren. Mit der „Nachbesserung“ und Fertigstellung der Arbeiten der Klägerin habe die Beklagte andere Unternehmen beauftragen müssen, wofür Kosten von EUR 10.800,00 und EUR 55.351,80 angefallen seien. Durch die von der Klägerin verursachte verspätete Fertigstellung des Bauvorhabens habe die Beklagte zudem einen Mietentgang zuzüglich Leerstandskosten von EUR 51.000,00 zu tragen. Die als Gegenforderung eingewendeten Kosten würden den offenen Werklohn somit übersteigen.

Die auf Seiten der Klägerin beigetretene Nebenintervenientin brachte vor, die Klägerin habe nur die Verlegung von Estrichen, nicht jedoch die Herstellung von Gefällen angeboten. Sie sei daher auch nicht mit der Herstellung von Gefällen beauftragt worden. Vielmehr habe das Fliesenlegerunternehmen hierfür ein gesondertes Nachtragsanbot gelegt. Für allfällige Mehrkosten dadurch, dass mit der Herstellung der Gefälle nicht gleich das Estrichunternehmen beauftragt worden sei, sei die Beklagte selbst verantwortlich.

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Erstgericht aus, die Klagsforderung bestehe zur Gänze, die eingewandte Gegenforderung hingegen nicht zu Recht. Aus diesem Grund gab es dem Klagebegehren vollumfänglich statt und verpflichtete die Beklagte zum Kostenersatz. Dazu traf es neben den eingangs dargestellten die auf Urteilsseiten 5 bis 8 ersichtlichen Feststellungen, auf die das Berufungsgericht verweist. Rechtlich gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass die Herstellung der Gefälle in den Duschen nicht von der Klägerin geschuldet gewesen sei und sie ihre Leistung ansonsten ordnungsgemäß erbracht habe. Der Höhe nach sei die Klagsforderung bis zu einem Betrag von EUR 16.282,84 nicht bestritten worden. Da aber auch die Höhe der Materialrechnung korrekt sei, stehe der Klägerin der gesamte geforderte Betrag zu. Für die Kosten für die Herstellung der Gefälle in den Duschen hafte die Klägerin nicht. Die Beklagte habe das Vertragsverhältnis unberechtigt aufgelöst, sodass sie Kosten für die Fertigstellung des Estrichs nicht fordern könne. Die Gegenforderung bestehe daher nicht zu Recht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin aus den Rechtsmittelgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellungen aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Sie beantragt primär die Aufhebung des Zurückverweisung der Rechtssache in die erste Instanz und hilfsweise die Abänderung des Urteils in gänzliche Abweisung der Klage.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin beantragen jeweils, der Berufung nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

1. Der Rechtsmittelgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung (Tatsachenrüge) zielt schon begrifflich auf die Änderung der vom Erstgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen ab ( Pochmarski/Tanczos/Kober, Berufung in der ZPO 5[2025] Rz 31ff). Werden hingegen ausschließlich ergänzende Feststellungen begehrt, liegt darin die Geltendmachung eines vermeintlich sekundären Feststellungsmangels, der qualitativ der Rechtsrüge zuzuordnen ist (RS0043304 [T6], RS0043603 [T7]).

Genau dies trifft hier zu, weil sich die Berufungswerberin nicht gegen die getroffenen Feststellungen wendet, sondern ausschließlich ergänzende Feststellungen begehrt. Damit führt sie in Wahrheit keine Tatsachenrüge aus, sonder releviert unter diesem Rechtsmittelgrund einen der Rechtsrüge zuzuordnenden sekundären Feststellungsmangel.

2.Ein solcher läge vor, wenn das Erstgericht infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung erforderliche Feststellungen nicht getroffen hat und daher Feststellungen für die vorzunehmende rechtliche Beurteilung fehlen (RS0043480 [T15]; RS0043320 [T16]; RS0053317). Den von der Berufungswerberin begehrten ergänzenden Feststellungen kommt aber weder für die Beurteilung des Klagsanspruchs, noch der Gegenforderung rechtliche Relevanz zu. Für die einzig entscheidende Frage des tatsächlichen Auftragsumfangs (konkret, ob die Herstellung des Gefälleestrichs zwischen den Parteien vereinbart war) sind die vermissten Feststellungen nämlich irrelevant – konkret

Die Berufungswerberin bestreitet nicht mehr, dass die Klägerin nicht mit der Herstellung des Gefälleestrichs beauftragt wurde. Dass sie selbst von einer solchen Beauftragung und der Berechtigung zur Vertragsausauflösung ausging, mag sein, ändert aber nichts daran, dass die als Vertragsrücktritt zu wertende Vertragsauflösung angesichts des eingeschränkten Auftragsumfangs unberechtigt erfolgte. Ob die Nebenintervenientin der Beklagten für das Unterbleiben einer Aufklärung haftet, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3. In ihrer eigentlichen Rechtsrüge wendet sich die Berufungswerberin gegen die Ansicht des Erstgerichts, wonach die Gegenforderung nur Kosten im Zusammenhang mit der Herstellung des Gefälles in den Duschen betreffen würde. Aus den Feststellungen ergebe sich nicht, dass die Kosten im Zuge der Beauftragung des Unternehmens F* GmbH jedenfalls zusätzlich anfielen oder aber im Falle einer Pauschalbeauftragung der Klägerin „um ein Vielfaches verringert werden hätte können“. Da Feststellungen zur Frage, ob und wenn ja um welchen Betrag die Klägerin die Herstellung des Gefälleestrichs günstiger herstellen hätte können, fehlten, läge ein sekundärer Feststellungsmangel vor.

Bei dieser Argumentation übersieht die Berufungswerberin, dass die Gegenforderung angesichts ihres unberechtigten Vertragsrücktritts bereits dem Grunde nach nicht zu Recht besteht. Da ihr die Klägerin für die angefallenen Kosten schadenersatzrechtlich nicht haftet, kommt es auf die Frage, ob es sich dabei um Sowieso-Kosten handelt, überhaupt nicht an.

4. Gegen die Berechtigung der Klagsforderung wendet sich die Berufung nicht. Ausgehend vom im Berufungsstadium nicht mehr strittigen Umstand, dass die Klägerin mit der Herstellung eines Gefälleestrichs in den Duschen nicht beauftragt war, verneinte das Erstgericht die Berechtigung der Gegenforderung zutreffend. Die Klägerin wurde – vereinfacht gesagt – nicht vertragsbrüchig, was aber die Voraussetzung für den als Gegenforderung eingewandten Schadenersatzanspruch der Berufungswerberin wäre. Auf die Kosten für das „Nachbessern“ der Leistungen der Klägerin und dem damit einhergehenden Vorwurf, die Klägerin habe die Leistungen mangelhaft erbracht, kommt die Berufungswerberin in der Rechtsrüge nicht mehr zurück.

Aus diesem Grund bleibt die Berufung erfolglos.

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren beruht auf §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.

Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO waren nicht zu beantworten, sodass kein Anlass bestand, die ordentliche Revision zuzulassen.