9Bs183/25t – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser als Vorsitzende, den Richter Mag. Scherr, LL.M. BA und die Richterin Mag a . Berzkovics in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 28. April 2025, GZ **-92a, nach der am 10. September 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M., des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Zechner durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* – im zweiten Rechtsgang – des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Dem Schuldspruch nach hat er am 10. Juni 2024 in ** KI B* mit zumindest einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er zu ihm sagte: „ Dei Gsicht merk i ma, irgendwon kum i wieder aussa und dann bist dron! “.
Unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Landesgerichts Leoben vom 2. Oktober 2024, GZ **-49, in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 5. Februar 2025, AZ 9 Bs 308/24y, sah das Erstgericht von der Verhängung einer Zusatzstrafe zu der wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen verhängten Freiheitsstrafe von 30 Monaten ab. Gemäß § 389 Abs 1 StPO verpflichtete es den Angeklagten zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens.
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO) und wegen des Ausspruchs über die Schuld (ON 102).
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Mit der Mängelrüge (Z 5) wird Unvollständigkeit der Urteilsbegründung geltend gemacht, weil sich das Erstgericht mit der Aussage des Angeklagten, wonach ihm die Polizisten gesagt hätten, dass er eingesperrt werde und dableiben müsse, nicht auseinandergesetzt habe.
Unvollständig iS des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RS0118316 ua). Erhebliche Tatsachen sind sohin solche, die für die Feststellung über Vorliegen oder Nichtvorliegen einer entscheidenden Tatsache von Bedeutung sein können, mithin erörterungsbedürftig sind (RS0116877).
Da die mit einer gefährlichen Drohung in Aussicht gestellte Zufügung eines Übels aber keineswegs unmittelbar bevorstehen muss, sondern auch in weiterer Zukunft gelegen sein kann (RS0092676), ist auch die Ankündigung, das angedrohte Übel erst nach der Entlassung aus einer Haft zu verwirklichen, dazu geeignet, Gegenstand eines Schuldspruchs wegen gefährlicher Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu sein, sodass es für die Subsumtion irrelevant ist, dass der Angeklagte zum Zeitpunkt der Äußerung für einen voraussichtlich längeren Zeitraum in Haft war. Die in der Berufung zitierte Aussage des Angeklagten war sohin ohne Bedeutung für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache und damit nicht gesondert erörterungsbedürftig.
Der Umstand, dass der Angeklagte einen Alkoholisierungsgrad von mehr als zwei Promille aufwies und nach vollzogener Festnahme in seiner Zelle mit dem Kopf gegen Gitterstäbe schlug, steht den getroffenen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Sachverhalt keineswegs entgegen und musste daher ebenfalls nicht explizit erörtert werden, sodass auch insoweit keine Unvollständigkeit gegeben ist.
Indem die Mängelrüge die Begründung einer nach der vom Schuldspruch umfassten Drohung getätigten Äußerung kritisiert, bezieht sie sich ebenfalls auf keine entscheidende Tatsache.
Die Schuldberufung, die vor dem Eingehen auf den geltend gemachten materiellen Nichtigkeitsgrund zu prüfen ist, weckt keine Zweifel an den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und der dazu angestellten Beweiswürdigung und bleibt daher ohne Erfolg. Das Erstgericht stützte die Feststellungen zum objektiven Geschehen auf die Aussagen der vernommenen Polizeibeamten und legte in seiner Beweiswürdigung nachvollziehbar dar, weshalb es diese für glaubwürdig erachtete. Die Schuldberufung bekämpft insbesondere die Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite mit der Begründung, der Angeklagte habe lediglich seinen Zorn über die Festnahme und die als ungerecht empfundene Behandlung durch die Polizisten zum Ausdruck bringen wollen. Dem ist zu erwidern, dass schon aufgrund des unmittelbar vorangegangenen höchst aggressiven Verhaltens des Angeklagten, das Gegenstand des rechtskräftigen Schuldspruchs aus dem ersten Rechtsgang war (Körperverletzungen, Widerstand gegen die Staatsgewalt), keine Bedenken gegen die Feststellungen zum Bedeutungsinhalt der Äußerung sowie zur Absicht, den Bedrohten in Furcht um seine körperliche Integrität zu versetzen, bestehen. Weder eine Enthemmung durch Alkohol noch Wut oder Zorn sprechen gegen die konstatierte Absicht, KI B* in Furcht und Unruhe zu versetzen. Vielmehr kann im Ärger über eine als ungerecht empfundene Festnahme ein schlüssiges Motiv für die gefährliche Drohung erblickt werden.
Ausgehend von den getroffenen Feststellungen versagt auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a). Wie schon zur Mängelrüge ausgeführt wurde, liegt das Wesen einer gefährlichen Drohung in der Ankündigung eines bevorstehenden, also erst in der Zukunft eintretenden Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt. Die Absicht des Täters ist stets auf die Erzeugung einer „Erwartungsangst“ beim Bedrohten gerichtet. Die in Aussicht gestellte Zufügung muss keineswegs unmittelbar bevorstehen, sondern kann auch in weiterer Zukunft gelegen sein, sofern nicht schon aus der Drohung selbst hervorgeht, dass der Eintritt des angedrohten Übels zeitlich in solcher Ferne liegt, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge auch aus der Sicht des Bedrohten die Verwirklichung des angedrohten Übels ernstlich nicht mehr zu erwarten ist (RS0092676; vgl auch Jerabek/Ropper, WK² StGB § 74 Rz 26). Weshalb die hier angedrohte Zufügung einer Körperverletzung nach der Entlassung aus der Haft derart weit in der Ferne liegen sollte, dass deren Umsetzung völlig unrealistisch und der Tatbestand sohin nicht verwirklicht wäre, leitet die Rechtsrüge nicht schlüssig aus dem Gesetz ab. Der Schuldspruch ist demnach durch die Feststellungen gedeckt.
Der Kostenausspruch ist eine Folge der Sachentscheidung und stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.