9Bs200/25t – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag. a Kohlroser als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Obmann, LL.M. und Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 1 StGB über die Berufung des Privatbeteiligten Mag. B* gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 16. Mai 2025, GZ **-10, in nichtöffentlicher Beratung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Die Berufung wird als unzulässig zurückgewiesen .
Dem Privatbeteiligten fallen die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 489 Abs 1 StPO iVm §§ 471, 295 Abs 3 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 9. Oktober 2024 in ** Mag. B* am Körper misshandelt, indem er diesen mehrfach gegen den Oberkörper stieß, wodurch dieser zu Sturz kam, und dadurch fahrlässig diesem eine an sich schwere Verletzung zugefügt (Rippenfraktur und Schädelbasisfraktur), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Damit einhergehend wurde der Privatbeteiligte Mag. B* mit seinen Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig angemeldete Berufung des Privatbeteiligten (ON 11), die in weiterer Folge nicht ausgeführt wurde.
Mit Eingabe vom 31. Juli 2025 (ON 12) berichtete der Erwachsenenvertreter des Privatbeteiligten, dessen Wirkungsbereich auch die Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden umfasst (siehe im Rechtsmittelverfahren beigeschaffter Beschluss des Bezirksgerichts Ferlach vom 25. Februar 2025, AZ **), Mag. B* habe ohne seine Zustimmung das Rechtsmittel der Berufung erhoben, weshalb diese als nicht rechtswirksam anzusehen sei. Eine Zurückziehung des Rechtsmittels könne daher unterbleiben.
Rechtliche Beurteilung
Nach § 1 Abs 1 ZPO ist eine Person insoweit prozessfähig (fähig, selbstständig vor Gericht als Partei zu handeln), als sie geschäftsfähig ist. Geschäftsfähigkeit (Fähigkeit einer Person, sich durch eigenes Handeln rechtsgeschäftlich zu berechtigen und zu verpflichten) setzt Entscheidungsfähigkeit voraus (§ 865 ABGB). Entscheidungsfähig ist, wer die Bedeutung und die Folgen seines Handelns im jeweiligen Zusammenhang verstehen, seinen Willen danach bestimmen und sich entsprechend verhalten kann (§ 24 Abs 2 ABGB). Entscheidungs- und Geschäftsfähigkeit werden bei Volljährigen vermutet (§§ 24, 865 ABGB). Eine volljährige Person ist aber in jenen Verfahren prozessunfähig, die in den Wirkungsbereich eines Erwachsenenvertreters oder eines Vorsorgebevollmächtigen, dessen Vollmacht bereits wirksam geworden ist, fallen. Wenn eine Person durch einen Erwachsenenvertreter oder einen Vorsorgebevollmächtigten mit wirksamer Vollmacht vertreten wird, dessen Wirkungskreis die Vertretung vor Gericht umfasst, ist die Partei – unabhängig von ihrer im Einzelfall vielleicht vorliegenden Geschäftsfähigkeit – jedenfalls prozessunfähig. Zur Vertretung im Verfahren ist dann nur der Erwachsenenvertreter (Vorsorgebevollmächtigte) als gesetzlicher Vertreter allein berechtigt. Die betroffene Person kann daher in diesen Verfahren nicht parallel selbst wirksame Prozesshandlungen setzen oder einen gewillkürten Vertreter bestellen (§ 1 Abs 2 ZPO; RV 1461 25. GP 78). Ob das Verfahren in den Wirkungsbereich des Vertreters fällt, ergibt sich aus dem der gerichtlichen Erwachsenenvertretung (§§ 271 ff ABGB) zugrunde liegenden Gerichtsbeschluss (vgl Spendling in Fuchs/Ratz, WK StPO Vor §§ 366–379 Rz 15 und 20).
Minderjährige und Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit nicht prozessfähig sind, bedürfen sowohl für die Abgabe der Erklärung, sich dem Verfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, als auch im Verfahren eines Vertreters. Der bloße Anschluss an das erstinstanzliche Strafverfahren – weil dem ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zuzurechnen – bedarf keiner Genehmigung des Gerichts, während ein vom Erwachsenenvertreter erhobenes Rechtsmittel in aller Regel gerichtlich genehmigt werden muss ( Spendling, aaO Vor §§ 366–379 Rz 16 und 20).
Fallkonkret ist für den Privatbeteiligten ein Erwachsenenvertreter bestellt, dessen Wirkungsbereich die Vertretung vor Ämtern, Gerichten und Behörden umfasst. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen (zum gleichen Ergebnis kommend – ungeachtet der alten Rechtslage – siehe Nimmervoll, Der Sachwalter im Strafverfahren (Teil II), AnwBl 2012, 520) mangelt es Mag. B* im Adhäsionsverfahren daher an Prozessfähigkeit, weshalb er keine wirksamen Erklärungen abgeben kann. Da die Berufungsanmeldung jedoch (auch vom Erwachsenenvertreter) nicht zurückgezogen wurde, ist sie in nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (vgl § 470 Z 1 iVm § 489 Abs 1 StPO).
Der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, dass gegen freisprechende Urteile des Einzelrichters der Privatbeteiligte nach § 465 Abs 3 StPO iVm § 489 Abs 1 StPO nur Berufung wegen Nichtigkeit unter den in § 282 Abs 2 StPO geregelten Voraussetzungen, somit eingeschränkt auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO (vgl Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 465 Rz 1, § 282 Rz 43 ff) erheben kann. Den angeführten Nichtigkeitsgrund kann er überdies nur insoweit geltend machen, als er wegen des Freispruchs auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde und erkennbar ist, dass die Abweisung eines von ihm in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrags einen auf die Geltendmachung seiner privatrechtlichen Ansprüche nachteiligen Einfluss zu üben vermochte (vgl Ratz, aaO § 282 Rz 45).
Da der Privatbeteiligte – über seinen am Verfahren beteiligten Erwachsenenvertreter – keine Beweisanträge gestellt hat und ihm gegen eine Verweisung nach § 366 Abs 1 StPO – also infolge eines Freispruchs – zustehende Berufung wegen Schuld sowie wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche aus dem Gesetz nicht abzuleiten ist (vgl Spendling, aaO § 366 Rz 16 f), wäre die Berufung auch aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 zweiter Satz StPO ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 390a Rz 8).