JudikaturOLG Graz

9Bs178/25g – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
07. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics (Vorsitz) sowie die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Obmann, LL.M. in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des schweren, teils durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 3, 130 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. Juli 2025, GZ **-108, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 20. Dezember 2023, GZ **-59, wurde der am ** geborene russische Staatsangehörige A* wegen des Vergehens des schweren, teils durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Z 2 und Z 3, 130 Abs 1 erster Fall StGB, der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB und in Anwendung des 39 Abs 1 StGB nach § 130 Abs 1 StGB unter Vorhaftanrechnung zur Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Nach Einholung eines klinisch-psychologischen Gutachtens (ON 67) bewilligte das Erstgericht dem Verurteilten mit Beschluss vom 11. Jänner 2024, GZ **-69, gemäß § 39 Abs 1 Z 1 SMG einen Strafaufschub bis 20. Dezember 2025.

Mit Eingabe vom 9. Dezember 2024 beantragte der Verurteilte nachträglich die bedingte Nachsicht der Freiheitsstrafe nach § 40 Abs 1 SMG (ON 97). Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 16. Jänner 2025, GZ **-101.1, in Verbindung mit dem Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 3. März 2025, AZ 9 Bs 32/25m (ON 106), rechtskräftig abgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 19. Dezember 2024, GZ **-51 (ON 107.1), wurde der Verurteilte (unter anderem) des Verbrechens des gewerbsmäßigen und schweren, teils durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hierfür in Verbindung mit dem Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom 9. April 2025, AZ 10 Bs 59/25i (ON 107.2), unter Vorhaftanrechnung zur Freiheitsstrafe von achtundzwanzig Monaten rechtskräftig verurteilt.

Am 3. Juli 2025 beantragte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt den Widerruf des Strafaufschubs gemäß § 39 Abs 4 Z 2 SMG (ON 107.4).

Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 108) widerrief das Erstgericht den Strafaufschub gemäß § 39 Abs 4 Z 2 SMG wegen der neuerlichen Verurteilung bei angenommener spezialpräventiver Notwendigkeit und wies den Antrag des Verurteilten auf nachträgliche bedingte Strafnachsicht nach § 40 Abs 1 SMG (ON 97 [neuerlich]) ab.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Beschwerde des Verurteilten (ON 109), in der er im Wesentlichen vorbringt, dass der Widerruf für seine Beziehung und seine Familie nachteilig wäre, ist nicht berechtigt.

Gemäß § 39 Abs 4 SMG ist der Strafaufschub (unter anderem) zu widerrufen und die Strafe zu vollziehen, wenn der Verurteilte wegen einer Straftat nach dem SMG oder wegen einer im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begangenen Straftat neuerlich verurteilt wird (Z 2) und der Vollzug der Freiheitsstrafe überdies geboten erscheint, um den Verurteilten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 39 Abs 4 (Z 1 oder) Z 2 SMG ist der Widerruf zwingend, sofern er auch aus spezialpräventiven Gründen erforderlich ist ( Schwaighofer in WK 2SMG § 39 Rz 38 mwN).

Soweit faktisch möglich, hat das Gericht vor seiner Entscheidung dem Verurteilten die Gelegenheit zu geben, zu dem in Aussicht stehenden Widerruf Stellung zu nehmen und dagegen sprechende Argumente vorzutragen (vgl Schwaighofer, aaO § 39 Rz 40; auch Nimmervoll, Praxisfragen zu § 39 SMG, ÖJZ 2013/78, 712 [717]).

Im Anlassfall hat das Erstgericht den Widerruf des Strafaufschubs ausgesprochen, ohne dem Beschwerdeführer vorher Möglichkeit zur Äußerung dazu zu geben. Diese Verletzung des rechtlichen Gehörs ist jedoch saniert, weil der Beschwerdeführer im Rahmen des – keinem Neuerungsverbot unterliegenden – Beschwerdeverfahrens Gelegenheit hatte, zum Widerrufsantrag Stellung zu beziehen (vgl RIS-Justiz RS0129510).

Der Beschwerdeführer wurde während des Aufschubs des Strafvollzugs wegen einer währenddessen begangenen Straftat neuerlich verurteilt. Seinen eigenen Angaben zufolge ist er suchtgiftabhängig und hat diese Straftat begangen, um sich auf diese Weise seinen Suchtmittelkonsum zu finanzieren (ON 107.1, 3; Hv-Protokoll ON 50, 3 im Verfahren ** des Landesgerichts Klagenfurt). Die neuerliche Verurteilung erfolgte sohin wegen einer im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begangenen Straftat. Der Vollzug der im Anlassverfahren verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren ist bei einer einzelfallbezogenen Betrachtung auch geboten, um ihn von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (zu den Kriterien Schwaighofer, aaO § 39 Rz 46). Der Beschwerdeführer weist seit dem Jahr 2013 bereinigt um zwei Zusatzstrafenverhältnisse acht Eintragungen im Strafregister auf, wovon in Ansehung der Anlassverurteilung (ohne Rücksichtnahme auf die während des Strafaufschubs begangene [gleichgelagerte] Straftat) vier als als im engsten Sinn einschlägig zu werten sind. Weder bedingte Entlassungen aus Freiheitsstrafen, noch die mehrfache (jeweils mehrmonatige) Hafterfahrung, der Vollzug einer Geldstrafe, der Widerruf einer bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe oder die Anordnung der Bewährungshilfe hielten den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen ab. Solcherart lassen die Eintragungen im Strafregister konkret befürchten, dass der – aus der Verurteilung wegen der während des Strafaufschubs im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begangenen Straftat ableitbar – weiterhin an Suchtmittel gewöhnte Verurteilte ohne Vollzug der Freiheitsstrafe wiederum Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz oder im Zusammenhang mit seiner Gewöhnung an Suchtmittel begehen wird.

Am Vorliegen des negativen spezialpräventiven Kalküls vermag das Beschwerdevorbringen, das dem keine stichhaltigen Argumente entgegenzusetzen hat, nichts zu ändern. Dass der Vollzug einer zweijährigen Freiheitsstrafe einer Beziehung und dem Familienleben nicht förderlich ist, wusste der Beschwerdeführer bei lebensnaher Betrachtung bereits vor Begehung der Straftat während des Strafaufschubs.

Der Widerruf des Strafaufschubs erweist sich somit bereits nach § 39 Abs 4 Z 2 SMG spezialpräventiv als unbedingt notwendig, sodass sich ein Eingehen auf die weiteren Ausführungen des Erstgerichts zum Widerruf auch nach § 39 Abs 4 Z 1 SMG erübrigt.

Bleibt anzumerken, dass rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidungen grundsätzlich Sperrwirkung zukommt und es unzulässig ist, während des aufrechten Bestehens einer Entscheidung ohne deren vorangegangene Aufhebung über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen (res iudicata; vgl RIS-Justiz RS0101270 [insb T17, T20]). Da über den Antrag des Beschwerdeführers vom 9. Dezember 2024 bereits rechtskräftig entschieden worden ist und diese Entscheidung Bestand hat, erweist sich die neuerliche Entscheidung des Erstgerichts über jenen Antrag – einen neuen Antrag hat der Beschwerdeführer nach der Aktenlage nicht gestellt – als verfehlt. Mangels konkreter Auswirkungen kann es mit dieser Anmerkung jedoch sein Bewenden haben.