8Bs145/25x – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Senatspräsidenten Mag. Ohrnhofer als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Petzner, Bakk. und Mag. Koller in der Strafsache gegen A*wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung und die Beschwerde des Angeklagten gegen das Urteil und den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. Jänner 2025, GZ B*-51, nach der am 5. August 2025 in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. a Dexer, des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Egner durchgeführten Berufungsverhandlung
1. zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Berufung wird über A* die Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verhängt .
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
2. beschlossen:
Vom Widerruf der bedingten Entlassung zu AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt wird abgesehen und die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Text
BEGRÜNDUNG:
Mit dem angefochtenen Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 17. Jänner 2025, GZ B*-51, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche enthält, wurde der am ** geborene österreichische Staatsangehörige A* mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (I.), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall und Z 3 dritter Fall StGB (IV. 2. a) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (V.) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 201 Abs 1 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 31. Oktober 2024, AZ C*, zur (Zusatz-)Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Gemäß § 26 Abs 1 StGB wurde die Waffe der Marke Ruger Super Hawk eingezogen.
Gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO sah das Erstgericht vom Widerruf der zu AZ D* des Landesgerichts Klagenfurt gewährten bedingten Entlassung aus einer Freiheitsstrafe ab und verlängerte die Probezeit auf fünf Jahre.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 6. Mai 2025, AZ 11 Os 27/25t, zurückgewiesen (ON 57.1).
Nach dem somit in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch hat A* in ** und anderen Orten
I. im Zeitraum von März 2024 bis 1. September 2024 in wiederholten Angriffen E* mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er E* dadurch, dass er sie an den Haaren oder Armen packte und gewaltsam zur Einnahme von Kokain zwang und in weiterer Folge an ihr den Vaginal-, Anal- und Oralverkehr vornahm oder den Oralverkehr verlangte, indem er ihren Kopf gewaltsam an sein Glied drückte,
IV. 2. a) am 2. September 2024 E* durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er ihr die zu V. genannte Waffe einmal frontal und einmal seitlich zu ihrem Gesicht hielt und äußerte, er werde ansonsten sie und ihre Familie töten, zur Aufrechterhaltung der Lebensgemeinschaft, mithin einer Handlung genötigt, die besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzte,
V. ab einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis 2. September 2024, wenn auch nur fahrlässig, eine Waffe, und zwar eine CO 2-Waffe der Marke Ruger Super Hawk 8 Zoll besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffG verboten ist.
Zu den erstgerichtlichen Feststellungen, den beweiswürdigenden Erwägungen und zur rechtlichen Beurteilung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die US 3ff verwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die Strafe, mit welcher er die Herabsetzung des Strafmaßes anstrebt (ON 53.1). Gemäß § 498 Abs 3 Satz 3 StPO ist die Berufung auch als Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss nach § 494a StPO zu betrachten.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist erfolgreich.
Da die vom verfahrensgegenständlichen Schuldspruch umfassten Taten nach der Zeit ihrer Begehung im Verfahren AZ C* des Landesgerichts Klagenfurt (Urteil vom 31. Oktober 2024; Schuldspruch wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 neunter Fall SMG; Tatzeitraum: Jänner 2023 bis 24. Juni 2023; Strafe: Freiheitsstrafe von dreißig Monaten) hätte abgeurteilt werden können, wurde vom Erstgericht zu Recht auf dieses Urteil Bedacht genommen.
Bei Bestimmung einer Zusatzstrafe ist zunächst zu ermitteln, welche Strafe bei gemeinsamer Aburteilung aller Straftaten zu verhängen gewesen wäre; von dieser Strafe ist sodann die im Vor-Urteil verhängte Strafe abzuziehen, wobei die Differenz die zu verhängende Zusatzstrafe ergibt (RIS-Justiz RS0090661).
Die Strafzumessungserwägungen der Vor-Verurteilung einbeziehend wirken bei A* erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art und die Tatbegehung über einen längeren Tatzeitraum (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB), vierzehn auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende frühere Verurteilungen (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB; vgl RIS-Justiz RS0087884, RS0091972 [T4, T5]), die teilweise Begehung der Tat unter Einsatz einer Waffe (IV./2./a; § 33 Abs 2 Z 6 StGB) und teilweise gegen seine Lebensgefährtin (I./ und IV./2./a; § 34 Abs 2 Z 2 StGB). Den Schuldgehalt erhöhen die Begehung der Tat während offener Probezeit (RIS-Justiz RS0090597), während eines anhängigen Strafverfahrens (RIS-Justiz RS0119271 ua) und im raschen Rückfall (nach seiner bedingten Entlassung am 14. Dezember 2023; vgl Riffel, WK²-StGB § 33 Rz 11).
Mildernd wirkt demgegenüber das teilweise Geständnis (zu V.). Eine relevierte bloß milieubedingte Unmutsäußerung liegt nach den Urteilsfeststellungen gerade nicht vor (US 6).
Bei diesem Strafzumessungssachverhalt erweist sich ausgehend von der Strafbefugnis des § 201 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren) die verhängte Strafe zugunsten des Angeklagten als korrekturbedürftig. Schuld- und tatangemessen ist fallaktuell eine Strafe von sechs Jahren, sodass nach Abzug der im früheren Urteil verhängten Freiheitsstrafe von dreißig Monaten die Zusatzfreiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren zu verhängen ist.
Die Kostenentscheidung ist eine Folge der Sachentscheidung und gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zum Beschluss:
Aufgrund der Abänderung des Strafausspruches hat eine neue Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach § 494a StPO zu erfolgen ( Jerabek/Ropper,WK StPO § 498 Rz 8).
Der Rückfall während des Bewährungszeitraumes begründet als spezialpräventives Mindesterfordernis den Bedarf nach der Verlängerung der Probezeit im Verfahren AZ D* des Landesgerichts Klagenfurt, weshalb das – bereits vom Erstgericht ausgesprochene – Absehen vom Widerruf samt Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre zu wiederholen war.