JudikaturOLG Graz

1Bs41/25a – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
08. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Schwingenschuh als Vorsitzende sowie die Richter Mag. Wieland und Mag. Redtenbacher in der Strafsache gegen A* wegen des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 und 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen nach öffentlicher Verhandlung am 8. Juli 2025 in Gegenwart des Oberstaatsanwalts Dr. Kirschenhofer, des Angeklagten und seiner Verteidigerin Mag a . Höfler-Staudinger über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 22. Jänner 2025, GZ **- 14, und seine Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StGB

Spruch

1. zu Recht erkannt:

In Stattgebung der Berufung wird über A* in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 148a Abs 3 StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 30. September 2024, AZ B*, die Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten verhängt.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

2. den

Beschluss

gefasst:

In Stattgebung der Beschwerde wird gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der im Verfahren des Landesgerichts für Strafsachen Graz, AZ C*, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen.

Text

gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil – das auch ein unangefochtenes Verfallserkenntnis enthält -wurde der am ** geborene tunesische Staatsbürger A* des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (1.), des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (2.), des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 StGB (3.) und des Vergehens des betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs nach § 148a Abs 1 und 3 StGB (4.) schuldig erkannt und in Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 148a Abs 3 StGB zur Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Strafverfahrenskostenersatz verpflichtet.

Demnach hat A* am 24. Juli 2024 in **

1. fremde bewegliche Sachen, und zwar die Brieftasche des D* von unbekanntem Wert mit dem Vorsatz weggenommen, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern,

2. Urkunden, über die er nicht verfügen darf, unterdrückt, wobei er mit dem Vorsatz handelte, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, indem er bei dem zu Punk 1. dargestellten Diebstahl der Geldbörse auch den Führerschein, den Personalausweis und die Sozialversicherungskarte des D* an sich nahm,

3. unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen darf, mit dem Vorsatz verschafft, dass er durch deren Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werde, indem er bei dem zu Punkt 1. dargestellten Diebstahl auch die in der Geldbörse befindliche Bankomatkarte und Kreditkarte des D* an sich nahm, um sie anschließend zur Bezahlung zu verwenden sowie

4. mit dem Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, D* dadurch am Vermögen geschädigt, dass er das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch die unrechtmäßige Eingabe von Daten beeinflusst hat, indem er in mehrfachen Angriffen Tabak und Süßigkeiten im Gesamtwert von 148 Euro in der Trafik der Mag. E* bzw. in 24-Stunden-Automatenshops mittels NFC-Funktion der zu Punkt 1. entfremdeten Bankomatkarte bezahlte.

Mit dem aus Anlass dieser Verurteilung verkündeten Beschluss widerrief das Erstgericht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB die im Verfahren AZ C* des Landesgerichts für Strafsachen Graz in Ansehung eines zehnmonatigen Strafteils gewährte bedingte Strafnachsicht.

Gegen das Urteil richtet sich die Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Strafe (ON 12 und ON 16), die gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss impliziert.

Rechtliche Beurteilung

Den Rechtsmitteln kommt Berechtigung zu.

Da der Schuldspruch unangefochten geblieben ist und dem Urteil keine gemäß § 290 Abs 1 iVm §§ 471, 489 Abs 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeitsgründe anhaften, ist das Berufungsgericht gemäß § 295 Abs 1 iVm §§ 471, 489 Abs 1 StPO an den Ausspruch über die Schuld (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und über das anzuwendende Strafgesetz (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) gebunden.

Daher ist die über den Angeklagten zu verhängende Sanktion innerhalb des bis zu drei Jahren reichenden Rahmens des § 148a Abs 3 StGB auszumessen.

Gemäß § 31 Abs 1 StGB ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Taten des Angeklagten nach dem Zeitpunkt ihrer Begehung im Verfahren AZ B* des Bezirksgerichts Graz-Ost hätten abgeurteilt werden können. In diesem Verfahren wurde der Angeklagte mit Urteil vom 30. September 2024 in Verbindung mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Berufungsgericht vom 24. Februar 2025, **, wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB in Anwendung der §§ 28 Abs 1, 39 Abs 1a StGB zur Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.

Auf dieses Urteil ist dadurch Bedacht zunehmen, dass eine Zusatzstrafe zu verhängen ist, die das Höchstmaß der Strafe nicht übersteigend darf, die für die nun abzuurteilende(n) Tat(en) angedroht ist, wobei die Summe der Strafen die Strafe nicht übersteigen darf, die nach den Regeln der Strafbemessung beim Zusammentreffen strafbarer Handlungen und über die Zusammenrechnung der Werte und Schadensbeträge zulässig wäre (§ 31 Abs 1 StGB).

Unter Einbeziehung auch der vom Bezirksgericht Graz-Ost im Verfahren AZ F* berücksichtigten Strafzumessungserwägungen fallen dem Angeklagten das Zusammentreffen von mehrerer Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) und zwei Vorverurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB) erschwerend zur Last. Zusätzlich aggravieren die Tatbegehung während offener Probezeit (RIS-Justiz RS0090597), im raschen Rückfall nach dem Abschluss des Verfahrens AZ ** des Bezirksgerichts Deutschlandsberg (RIS-Justiz RS0090981) und in Erwartung des Vollzugs der im Verfahren AZ C* des Landesgerichts für Strafsachen Graz verhängten Sanktion die Schuld des Angeklagten erheblich.

Mildernd kommt ihm das reumütige Geständnis sowohl im aktuellen Verfahren als auch im Vorverfahren zugute (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB).

In Abwägung dieser Strafzumessungsaspekte wäre bei gemeinsamer Aburteilung sämtlicher Taten die Freiheitsstrafe von acht Monaten dem Unrechtsgehalt der Taten des Angeklagten und seiner persönlichen Täterschuld angemessen gewesen. Unter Bedachtnahme auf die im Verfahren AZ F* des Bezirksgerichts Graz-Ost verhängte sechsmonatige Freiheitsstrafe ist über den Angeklagten daher eine Zusatzfreiheitsstrafe von zwei Monaten zu verhängen.

Folge der Sachentscheidung ist die auf § 390a Abs 1 StPO gegründete Verpflichtung des Angeklagten auch zum Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Da der Angeklagte sämtliche Taten im Zeitraum vor seiner ersten Anhaltung im Strafvollzug ausgeführt hat und diesem Freiheitsentzug nicht zuletzt aufgrund der zu erwartenden Dauer von einem Jahr ein höherer spezialpräventiver Wirkungsgrad beizumessen ist, erscheint neben der Zusatzfreiheitsstrafe der Vollzug des zehnmonatigen Strafteils der mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen vom 16. Februar 2023, AZ C*, verhängten Freiheitsstrafe nicht zusätzlich erforderlich, um den Angeklagten von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten. Aus diesem Grund ist in Stattgebung der Beschwerde gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO vom Widerruf der im Verfahren AZ C* des Landesgerichts für Strafsachen Graz gewährten bedingten Strafnachsicht abzusehen.