JudikaturOLG Graz

9Bs13/25t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Immaterieller Schaden
03. März 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag a . Kohlroser als Vorsitzende, den Richter Mag. Obmann, LL.M. und die Richterin Mag a. Berzkovics in der Medienrechtssache des Antragstellers A* gegen den Antragsgegner B* wegen §§ 6 ff MedienG über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. Dezember 2024, GZ **-6, in nicht öffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG).

Text

BEGRÜNDUNG:

Der Antragsteller ist Polizeibeamter und brachte am 6. August 2024 bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt eine mit medienrechtlichen Entschädigungsanträgen nach §§ 6 ff MedienG verbundene Sachverhaltsdarstellung ein, wonach der Antragsgegner der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und 2 StGB verdächtig sei, weil er am 11. März 2022 auf seinem Facebook-Account mit dem Profilnamen „B*“ einen Beitrag über den Antragsteller mit dem Inhalt „**, wenn man auf einem Gewerbegrund etwas lauter Musik spielt und die Polizeisich in weit entfernter Bundesstraße bei der Amtshandlung gestört fühlt. Wird man mit einer Waffe bedroht !!!!!“ sowie zwei Bild- bzw. Videoaufnahmen des Antragstellers und Kommentare Dritter geteilt und damit veröffentlicht habe. Für den Fall der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wurde die Aktenvorlage an das Gericht zur urteilsmäßigen Entscheidung über die medienrechtlichen Entschädigungsanträge beantragt (ON 2).

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt leitete daraufhin gegen B* zum AZ ** ein Ermittlungsverfahren wegen des angezeigten Sachverhalts ein und ordnete am 7. August 2024 seine Vernehmung als Beschuldigter (§ 164 StPO) durch die Polizeiinspektion C* an (ON 3). Nach Einlangen des Abschlussberichts der Polizei (ON 4) stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren am 12. September 2024 gemäß § 190 Z 2 StPO ein und übermittelte die Akten unter Hinweis auf die medienrechtlichen Entschädigungsanträge dem Landesgericht Klagenfurt (ON 1.2).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Zuspruch einer Entschädigung nach §§ 6 ff MedienG im selbstständigen Verfahren (§ 8a MedienG) gemäß §§ 485 Abs 1 Z 3 iVm 212 Z 1 StPO und § 41 Abs 1 MedienG zurück, stellte das Verfahren ein und verpflichtete den Antragsteller zum Ersatz allfälliger Vertretungskosten des Antragsgegners. Begründend führte es aus, dass selbstständige Anträge gemäß § 8a Abs 2 MedienG bei sonstigem Verlust des Anspruchs binnen sechs Monaten nach der erstmaligen Verbreitung, Ausstrahlung oder Abrufbarkeit beim zuständigen Gericht einzubringen seien. Der Antrag sei daher verspätet.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, der vorbringt, dass die sechsmonatige Frist des § 8a Abs 2 MedienG hier nicht zum Tragen komme. Er sei durch die angefochtene Entscheidung sohin in seinem Recht „auf Durchführung des Hauptverfahrens“ verletzt worden (ON 7).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist berechtigt.

Den Anspruch auf einen Entschädigungsbetrag nach den §§ 6, 7, 7a, 7b oder 7c MedienG kann der Betroffene in dem Strafverfahren, an dem der Medieninhaber als Beschuldigter beteiligt ist, bis zum Schluss der Hauptverhandlung geltend machen. Kommt es nicht zu einem solchen Strafverfahren, so kann der Anspruch mit einem selbstständigen Antrag gemäß § 8a MedienG geltend gemacht werden (§ 8 Abs 2 MedienG). Die sechsmonatige Frist des § 8a Abs 2 erster Satz MedienG kommt im Strafverfahren sohin nicht zum Tragen; der medienrechtliche Entschädigungsantrag muss nur bis zum Schluss der Hauptverhandlung gestellt werden und kann sohin auch noch gestellt werden, wenn seit dem Beginn der Verbreitung mehr als sechs Monate verstrichen sind ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG 4 § 8 Rz 5; Rami, WK 2MedienG § 8 Rz 4 mwN; so auch RS0067210 zur früheren Rechtslage).

Wird in einem solchen Strafverfahren, in dem gegen den Angeklagten ein Antrag auf Entschädigung nach §§ 6 ff iVm § 8 MedienG gestellt wurde, der Angeklagte freigesprochen oder der Strafantrag zurückgewiesen (§ 485 Abs 1 Z 2 StPO) oder der Strafantrag zurückgewiesen und das Verfahren eingestellt (§ 485 Abs 1 Z 3 StPO) oder das Strafverfahren abgebrochen (§ 197 StPO), ist das Verfahren bezüglich des Entschädigungsantrags fortzuführen, wobei letzterer, sofern nicht auch insoweit ein Zurückweisungs-, Einstellungs- oder Abweisungstatbestand vorliegt, in Urteilsform zu erledigen ist ( Rami, WK 2MedienG § 8 Rz 4/1 f; OLG Wien 18 Bs 327/21a, 18 Bs 328/21y = MR 2022, 13; OLG Wien 17 Bs 90/22t = MR 2022, 131). Nichts anderes kann für den Fall der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft nach § 190 Z 2 StPO gelten. Ein durch ein Medieninhaltsdelikt Betroffener kann während eines anhängigen Strafverfahrens seinen Entschädigungsanspruch wirksam nur in diesem Strafverfahren mit einem (unselbstständigen) Antrag nach § 8 MedienG geltend machen ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG 4§ 8 Rz 1). Würde der im Strafverfahren gestellte Entschädigungsantrag das rechtliche Schicksal des Verfahrens teilen, stünde dem Betroffenen im Fall eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung ein (nunmehr selbstständiger) Antrag nach § 8a MedienG in aller Regel danach nicht mehr offen, weil die sechsmonatige Frist des § 8a Abs 2 MedienG bis dahin zumeist abgelaufen wäre. Nach ständiger Rechtsprechung endet im Fall der Einstellung daher bloß das offiziöse Strafverfahren, sodass die Staatsanwaltschaft aus dem Verfahren ausscheidet und auf „Anklägerseite“ fortan nur mehr der Antragsteller verbleibt, wodurch das Verfahren zu einem selbstständigen Verfahren wird, auf das ab nun die Regeln des § 8a MedienG anzuwenden sind. Diese grundsätzliche Anwendbarkeit von § 8a MedienG kann allerdings nicht dahingehend interpretiert werden, dass Ansprüche, die im (unselbständigen) Entschädigungsverfahren rechtzeitig geltend gemacht wurden, durch die Umdeutung in einen selbstständigen Antrag plötzlich verfristet sind. Daraus folgt, dass die für den selbstständigen Entschädigungsantrag geltende sechsmonatige Frist auf zuvor im Strafverfahren gestellte Anträge auf Entschädigung nach § 8 MedienG nicht anzuwenden ist (so auch OLG Graz 1 Bs 1/25v, 1 Bs 7/25a, 1 Bs 9/25w; OLG Linz 9 Bs 70/24v).

Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.