JudikaturOLG Graz

1Bs1/25v – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
Immaterieller Schaden
06. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Mag. Redtenbacher (Vorsitz), Mag. Petzner und Mag. Wieland in der Medienrechtssache des Antragstellers A* gegen den Antragsgegner B* wegen § 6 iVm § 8 MedienG über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 8. Dezember 2024, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Verfahrens ist ein via Facebook von zahlreichen Personen, u.a. vom Nutzer „C*“ am 16. August 2021, geteilter Beitrag über den Antragsteller in Bezug auf dessen Berufsausübung als Polizist mit dem Inhalt: „ In **, wenn man auf einem Gewerbegrund etwas lauter Musik spielt und die Polizei sich in weit entfernter Bundesstraße bei der Amtshandlung gestört fühlt. Wird man mit einer Waffe bedroht!!!!! ", dem auch zwei Bild- bzw. Videoaufnahmen des Antragstellers in Polizeiuniform beigefügt sind (ON 2.4,1). Diese Bildaufnahmen sind auch anklickbar, woraufhin sich ein Kommentarfeld öffnet und unter anderem die in der Sachverhaltsdarstellung (ON 2.5,2ff) auszugsweise wiedergegebenen Kommentare sichtbar werden. Dieser Beitrag wurde am 20. August 2021 auch vom Facebook-Account (siehe auch dazu RIS-Justiz RS0125859 [T2]) des Antragsgegners B* unter dem Profilnamen „B*“ geteilt und somit veröffentlicht (siehe auch ON 4.5,3).

Diesen Sachverhalt brachte A* am 12. August 2024 bei der Staatsanwaltschaft Klagenfurt zur Anzeige (ON 2.1) und begehrte darin – neben Privatbeteiligtenzusprüchen und dem Widerruf – auch den Zuspruch einer Entschädigung nach §§ 6 ff (iVm § 8) MedienG sowie gleichzeitig für den Fall der Einstellung des Ermittlungsverfahrens die Aktenvorlage an das Gericht zur urteilsmäßigen Entscheidung über diesen medienrechtlichen Entschädigungsantrag (ON 2.5,5f), woraufhin zum Aktenzeichen ** ein Ermittlungsverfahren gegen B* wegen des Verdachts des Vergehens der üblen Nachrede nach §§ 111 Abs 1 und 2, 117 Abs 2 iVm § 1 Z 12 MedienG eingeleitet wurde (ON 1.1).

Nach der am 8. September 2024 über Anordnung der Staatsanwaltschaft vom 13. August 2024 (ON 3 [zur diesbezüglichen Hemmung der Verjährung siehe OGH 15 Os 160/12m; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari , StGB 14 § 58 Rz 7]) erfolgten Einvernahme des B* als Beschuldigter und Erstattung des Abschlussberichts samt Einholung der notwendigen Ermächtigungen iSd § 92 StPO (ON 4.9 bis ON 4.11) durch die Polizeiinspektion D* am 8. September 2024, stellte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt mit Verfügung vom 9. September 2024 das Verfahren aus Beweisgründen gemäß § 190 Z 2 StPO ein, weil im Zweifel die subjektive Tatseite nicht erweislich war (ON 1.2).

Mit Übermittlungsnote vom 30. September 2024 (ON 1.4) brachte die Staatsanwaltschaft Klagenfurt den Akt unter Hinweis auf die medienrechtlichen Entschädigungsanträge dem Landesgericht Klagenfurt in Vorlage, wobei nach Aufforderung des Gerichtes (ON 1.8) der Antragstellervertreter am 4. Dezember 2024 (ON 6) seine Zustimmung gem. § 41 Abs 5 zweiter Satz MedienG zur Entscheidung des Gerichtes nach § 485 Abs 1 Z 3 iVm § 212 Z 1 und 2 StPO ohne Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung erklärte.

Die Einzelrichterin des Landesgerichtes Klagenfurt wies mit angefochtenem Beschluss vom 8. Dezember 2024 den Antrag des Antragstellers A* auf Zuspruch einer Entschädigung gemäß §§ 6 ff MedienG im selbstständigen Verfahren (§ 8a MedienG) gemäß §§ 485 Abs 1 Z 3 iVm § 212 Z 1 StPO und § 41 Abs 1 MedienG zurück (ON 7) und stellte das Verfahren ein. Zudem verpflichtete sie den Antragsteller gemäß §§ 390 Abs 1a, 393 Abs 4a StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG zum Ersatz allfälliger Kosten der Vertretung des Antragsgegners in diesem Verfahren, nicht aber zum sonstigen Kostenersatz. Inhaltlich führte das Erstgericht (zusammengefasst) aus, dass es in Folge der Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft zu einem selbständigen Verfahren gekommen sei, auf das nun die Regeln des § 8a MedienG anzuwenden seien, wobei der Entschädigungsantrag auf Grund des Überschreitens der Frist des § 8a Abs 2 MedienG nunmehr verjährt sei.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Antragstellers, in der er sich „in seinem Recht auf Durchführung des Hauptverfahrens“ verletzt sieht und erkennbar die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung anstrebt (ON 8).

Der Antragsgegner äußerte sich im Verfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist in ihrem implizierten Kassationsbegehren berechtigt.

Den Anspruch auf einen Entschädigungsbetrag nach §§ 6, 7, 7a, 7b oder 7c MedienG kann der Betroffene in dem Strafverfahren, in dem der Medieninhaber als Beschuldigter beteiligt ist, bis zum Schluss der Hauptverhandlung oder Verhandlung geltend machen. Kommt es nicht zu einem solchen Strafverfahren, so kann der Anspruch mit einem selbstständigen Antrag geltend gemacht werden (§ 8 Abs 2 MedienG). Die im selbstständigen Verfahren nach § 8a (Abs 2 erster Satz) MedienG vorgesehene Fallfrist von sechs Monaten ab Verbreitung (erstmalige Ausstrahlung bzw. Abrufbarkeit) kommt deshalb im Strafverfahren nicht zum Tragen; der medienrechtliche Entschädigungsantrag kann hier auch noch gestellt werden, wenn seit dem Beginn der Verbreitung mehr als sechs Monate verstrichen sind ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG 4 § 8 Rz 5; Rami in WK 2 MedienG § 8 Rz 4 mwN; zur alten Rechtslage siehe auch ferner RIS-Justiz RS0067210).

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Klagenfurt, das wegen eines Ehrenbeleidigungsdelikts gegen B* als Beschuldigten geführt wurde, und damit rechtzeitig seine Ansprüche nach §§ 6 ff MedienG in Form eines unselbständigen Entschädigungsantrags geltend gemacht, wobei mit Blick auf § 32 letzter Satz MedienG iVm § 57 Abs 3 StGB die dreijährige Verjährungsfrist (siehe dazu OLG Innsbruck, AZ 6 Bs 114/24a) mit der Veröffentlichung des Facebook-Postings am 20. August 2021, auch weil dieses a prima vista einer breiten Öffentlichkeit im Sinne des § 111 Abs. 2 StGB zugänglich gemacht wurde (vgl ON 2.5,5), im Zeitpunkt der Anzeige (und auch der Anordnung der Ermittlungen [zu der entsprechenden Fortlaufhemmung vgl Marek in WK 2 StGB § 58 Rz 2]) noch nicht abgelaufen war; sehr wohl aber die Frist des § 8a Abs 2 MedienG. Wird in einem solchen Strafverfahren der Angeklagte freigesprochen oder, wie hier, das Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO mangels Nachweises der Täterschaft des Beschuldigten eingestellt, ist das Verfahren bezüglich des Entschädigungsantrags fortzuführen, wobei letzterer, sofern nicht auch insoweit ein Zurückweisungs-, Einstellungs- oder Abweisungstatbestand vorliegt, in Urteilsform zu erledigen ist ( Rami in WK 2 MedienG § 8 Rz 4/1, ferner OLG Wien MR 2022, 13 „Shitstorm II“; OLG Wien MR 2022, 131 „Shitstorm IV“ ua). Ein durch ein Medieninhaltsdelikt Betroffener kann während eines anhängigen Strafverfahrens seinen Entschädigungsanspruch wirksam nur in diesem Strafverfahren mit einem (unselbstständigen) Antrag nach § 8 MedienG geltend machen ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG 4 § 8 Rz 1). Im Fall eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung stünde ihm ein (nunmehr selbstständiger) Antrag nach § 8a MedienG womöglich deshalb nicht mehr offen, weil die relativ kurze Frist des § 8a Abs 2 MedienG bereits abgelaufen sein könnte. Aus der mittlerweile einhelligen Judikatur ( Rami in WK 2 MedienG § 8 Rz 4/1; OLG Graz, 1 Bs 160/23y, so auch OLG Wien MR 2022, 13 mwN „Shitstorm II“; OLG Wien MR 2022, 17 mwN „Shitstorm III“; OLG Wien MR 2022, 131 „Shitstorm IV“) ergibt sich, dass im Fall eines Freispruchs oder einer Einstellung das offiziöse Strafverfahren endet, also die Staatsanwaltschaft aus dem Verfahren ausscheidet. Auf „Anklägerseite“ verbleibt fortan nur mehr der Antragsteller, wodurch das Verfahren zu einem selbständigen Verfahren wird, auf das ab nun die Regeln des § 8a MedienG anzuwenden sind. Die grundsätzliche Anwendbarkeit von § 8a MedienG kann allerdings nicht dahingehend interpretiert werden (zum prozessualen Lückenschluss in Medienrechtssachen siehe Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG 4 § 41 Rz 4), dass eine einmal eingetretene Rechtzeitigkeit der Geltendmachung der Ansprüche in einem (unselbständigen) Entschädigungsverfahren nunmehr bei bereits eingetretenem Ablauf der Frist des § 8a Abs 2 MedienG im Zeitpunkt der Einstellung (hier des Ermittlungsverfahrens) wieder wegfällt (siehe dazu auch OLG Linz, 9 Bs 70/24v), hat es der Antragsteller doch nicht in der Hand wie lange das Ermittlungsverfahren anhängig ist bzw. in welcher Form dies beendet wird. Bei konsequenterer Fortführung dieser Prämisse würde auch die oben dargestellte einhellige Judikatur konterkariert werden und wäre für den Antragsteller im Ergebnis nicht viel gewonnen, wenn in Folge der Einstellung des Verfahrens zwar angenommen wird, dass der medienrechtliche Anspruch nicht das „rechtliche Schicksal des Hauptantrages“ teilt und in einem (übergeleiteten) selbständigen Verfahren zu behandeln wäre, gleichsam aber auf die Frist des § 8a Abs 2 MedienG abgestellt wird (siehe dazu auch OLG Wien, AZ 17 Bs 90/22t, wo ebenso auf eine medienrechtliche Antragstellung im Ermittlungsverfahren abgestellt wird). Dass der Antragsteller gehalten wäre seine Ansprüche innerhalb von sechs Monaten ab Verbreitung (zum Beginn der Verjährungsfrist siehe 13 Os 30/82) in einem Strafverfahren (unselbständigen Entschädigungsverfahren) geltend zu machen, um nach dessen allfälliger Beendigung (Einstellung) fristenwahrend seine Ansprüche in einem – nunmehr übergeleiteten – selbständigen Entschädigungsverfahren zu verfolgen, kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Oftmals scheitert es bereits an der Kenntnis des inkriminierten Inhalts, sodass eine derartige Einschränkung dem Gesetz nicht unterstellt werden kann (siehe auch zu § 32 MedienG die ErlRV 481BlgNR XXVII. GP, 21).

Insofern trifft das Beschwerdeargument im Ergebnis zu, dass die für einen selbständigen Entschädigungsantrag gemäß § 8a Abs 2 MedienG geltende Frist von sechs Monaten ab Veröffentlichung auf im Strafverfahren gestellte Anträge auf Entschädigung nach § 8 MedienG nicht anzuwenden ist, sodass der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens (Anordnung der Hauptverhandlung) aufzutragen ist.

Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, weil eine das Verfahren erster Instanz erledigende Entscheidung nicht (mehr) vorliegt ( Lendl, WK-StPO § 390 Rz 6; 390a Rz 2 ff; 15 Os 124/23h).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG).

Rückverweise