JudikaturOLG Linz

9Bs70/24v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
09. September 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende, Mag. Hemetsberger und Mag. Kuranda in der Medienrechtssache des Antragstellers A* gegen den Antragsgegner B* wegen §§ 6 ff ua MedienG über die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz vom 13. März 2024, 30 Hv 14/24v-10, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Gegenstand des Verfahrens ist ein via Facebook von zahlreichen Personen geteilter Beitrag über den Antragsteller in Bezug auf dessen Berufsausübung als Polizist, welcher (unkontroversiell, vgl StA Wels 16 St 7/24p-2.4, 2, -5.5,3 f und -9, 2) am 23. Februar 2021 auch vom Facebook-Account des Antragsgegners gepostet und somit veröffentlicht worden war.

Am 13. Dezember 2023 erstattete der Antragsteller wegen dieser Veröffentlichung Anzeige gegen B* wegen §§ 111 Abs 1 und Abs 2 iVm 117 Abs 2 StGB (zuletzt StA Wels 16 St 7/24p-2) und begehrte darin unter anderem den Zuspruch einer Entschädigung nach §§ 6 ff (iVm § 8) MedienG sowie gleichzeitig für den Fall der Einstellung des Ermittlungsverfahrens die Aktenvorlage an das Gericht zur urteilsmäßigen Entscheidung über den medienrechtlichen Entschädigungsantrag (StA Wels 16 St 7/24p-2.1, 2 f).

Mit Verfügung vom 16. Jänner 2024 stellte die Staatsanwaltschaft Wels das gegen B* wegen Verdachts der üblen Nachrede in Bezug auf das inkriminierte Posting (ursprünglich von der Staatsanwaltschaft Linz zu 21 St 193/23y) geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO mangels Erweislichkeit der Täterschaft des Beschuldigten ein (StA Wels 16 St 7/24p-1.5), weil dieser seinen unwiderlegten Angaben zufolge zur mutmaßlichen Tatzeit als Taxifahrer auch Fahrgästen sein Tablet und damit seinen Facebook-Account zugänglich gemacht hatte.

Unter Bezugnahme auf den Ausgang dieses Ermittlungsverfahrens begehrte der Antragsteller in der Folge beim Erstgericht den Zuspruch der bereits beantragten Entschädigung gemäß §§ 6 Abs 1, 7a und 7b (nunmehr iVm § 8a) MedienG sowie darüber hinaus, gestützt auf § 37 Abs 1 MedienG, die Anordnung der Veröffentlichung einer Mitteilung des Verfahrens und gemäß § 33 Abs 2 MedienG die Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stelle im Facebook-Profil „der angeklagten Person mit dem im Entschädigungsantrag bezeichneten Domainnamen“ (ON 2.1).

Mit dem nun angefochtenen Beschluss (ON 10) wies das Erstgericht die medienrechtlichen Anträge des Antragstellers (1.) auf Zuspruch einer Entschädigung nach §§ 6 ff MedienG und auf Einziehung nach § 33 Abs 2 MedienG gemäß § 485 Abs 1 Z 2 StPO iVm §§ 8a Abs 1, 41 Abs 1 MedienG sowie den Antrag (2.) auf Veröffentlichung einer Mitteilung nach § 37 Abs 1 MedienG (3.) kostenpflichtig zurück, und zwar zusammengefasst mit der Begründung, dass der verfahrenseinleitende Schriftsatz hinsichtlich der medienrechtlichen Entschädigungsanträge sowie des Veröffentlichungsantrags den Erfordernissen einer Anklageschrift (§ 211 StPO) nicht gerecht würde; mangelnde wesentliche Angaben zur Person und zur Tat des Antragsgegners verwehrten die gerichtliche Überprüfbarkeit der Erfüllung des objektiven Tatbestands einer strafbaren Handlung.

Dagegen wendet sich die Beschwerde des Antragstellers (ON 11) mit Erfolg.

Den Anspruch auf einen Entschädigungsbetrag nach §§ 6, 7, 7a, 7b oder 7c MedienG kann der Betroffene in dem Strafverfahren, in dem der Medieninhaber als Beschuldigter beteiligt ist, bis zum Schluss der Hauptverhandlung oder Verhandlung geltend machen. Kommt es nicht zu einem solchen Strafverfahren, so kann der Anspruch mit einem selbstständigen Antrag geltend gemacht werden (§ 8 Abs 2 MedienG). Die im selbstständigen Verfahren nach § 8a (Abs 2 erster Satz) MedienG vorgesehene Fallfrist von sechs Monaten ab Verbreitung (Ausstrahlung, Abrufbarkeit) kommt deshalb im Strafverfahren nicht zum Tragen; der medienrechtliche Entschädigungsantrag kann hier auch noch gestellt werden, wenn seit dem Beginn der Verbreitung mehr als sechs Monate verstrichen sind ( Berka in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG 4 § 8 Rz 5 mH; Rami in WK 2 MedienG § 8 Rz 4 mwN; RIS-Justiz RS0067210).

Im Gegenstand hat der Beschwerdeführer bereits im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, das wegen eines Ehrenbeleidigungsdelikts gegen B* als Beschuldigten und gleichzeitig Medieninhaber des von der umstrittenen Veröffentlichung betroffenen **-Accounts geführt wurde, und damit nach dem Gesagten rechtzeitig, seine Ansprüche nach §§ 6 ff MedienG in Form eines unselbstständigen Entschädigungsantrags geltend gemacht. Wird in einem solchen Strafverfahren der Angeklagte freigesprochen oder, wie hier, das Verfahren gemäß § 190 Z 2 StPO mangels Nachweises der Täterschaft des Beschuldigten eingestellt, ist das Verfahren bezüglich des Entschädigungsantrags fortzuführen, wobei letzterer, sofern nicht auch insoweit ein Zurückweisungs-, Einstellungs- oder Abweisungstatbestand vorliegt, in Urteilsform zu erledigen ist (OLG Wien MR 2022, 13 „Shitstorm II“; OLG Wien MR 2022, 131 „Shitstorm IV“ ua; Rami in WK 2 MedienG § 8 Rz 4/1 f). Denn ein durch ein Medieninhaltsdelikt Betroffener kann während eines anhängigen Strafverfahrens seinen Entschädigungsanspruch wirksam nur in diesem Strafverfahren mit einem (unselbstständigen) Antrag nach § 8 MedienG geltend machen; im Fall eines Freispruchs oder einer Verfahrenseinstellung stünde ihm in der Regel ein (nunmehr selbstständiger) Antrag nach § 8a MedienG just deshalb nicht mehr offen, weil die relativ kurze Frist des § 8a Abs 2 MedienG zumeist bereits abgelaufen sein wird. In dem Sinn gilt nach, soweit überschaubar, mittlerweile einhelliger Judikatur (OLG Wien MR 2022, 13 mwN „Shitstorm II“; OLG Wien MR 2022, 17 mwN „Shitstorm III“; OLG Wien MR 2022, 131 „Shitstorm IV“; vgl auch OLG Linz 10 Bs 15/22k; OLG Linz 9 Bs 79/22i; OLG Linz 9 Bs 17/24z), dass im Fall eines Freispruchs oder einer Einstellung das offiziöse Strafverfahren endet, also die Staatsanwaltschaft aus dem Verfahren „ausscheidet“ und „auf Anklägerseite“ fortan nur mehr der Antragsteller verbleibt, wodurch es zu einem selbstständigen Verfahren wird, auf das ab nun – wie auch im aktuell zu entscheidenden Fall – die Regeln des § 8a MedienG anzuwenden sind. Der prozessuale Lückenschluss (dazu allgemein Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal MedienG 4 § 41 Rz 4) vermag freilich nach dem Dafürhalten dieses Beschwerdegerichts stets nur in eine sinngemäße Anwendung bestehender Vorschriften zu münden, als deren Konsequenz am Befund einmal eingetretener Rechtzeitigkeit des Entschädigungsantrags aber im Nachhinein nicht mehr zu rütteln ist. Das bedeutet: Die von der Beschwerde reklamierte inhaltliche Entscheidung über den medienrechtlichen Entschädigungsantrag steht fraglos in einem bereits anhängig gewordenen Verfahren an. Da dieses aber noch nicht bis ins Hauptverfahrensstadium gediehen war, kam dem Erstgericht nunmehr vor Anordnung der Hauptverhandlung gemäß § 41 Abs 5 zweiter Satz MedienG iVm § 485 StPO die Prüfung des Entschädigungsantrags, aber auch des erstmals gestellten (selbstständigen) Einziehungsantrags nach § 33 Abs 2 MedienG zu (grundlegend zur Behandlung von Entschädigungs- und Einziehungsanträgen in Strafverfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts oder in selbstständigen Entschädigungsverfahren oder Einziehungsverfahren 15 Os 9/23x = EvBl 2023/238, Rami = MR 2023, 59, Zöchbauer ).

Mit den im Ergebnis zutreffenden Argumenten des Beschwerdeführers weisen dessen medienrechtliche Anträge allerdings – bei der gebotenen gesamtheitlichen Beurteilung (vgl Kirchbacher StPO 15 § 212 Rz 6) des oben dargelegten, relevanten Verfahrenssubstrats – keine wesentlichen, die Mindesterfordernisse des § 211 StPO unterschreitenden formellen Mängel in der Bedeutung des Zurückweisungsgrundes nach § 485 Abs 1 Z 2 iVm § 212 Z 4 StPO auf. Denn bei verständiger Lesart sind aus dem Schriftsatz ON 2.1 in der Zusammenschau mit der Sachverhaltsmitteilung vom 13. Dezember 2023 (C* 16 St 7/24p-2) sowohl die Person des Medieninhabers und damit Antragsgegners, als auch die Tat, die den Prozessgegenstand bildet, hinreichend deutlich individualisiert, sodass für den Antragsgegner aus objektiver Sicht zweifelsfrei zum Ausdruck kommt, welchen Prozessgegenstand der Beschwerdeführer der tatsächlichen Klärung und rechtlichen Beurteilung durch das erkennende Gericht übertragen wollte ( Birklbauer , WK-StPO § 211 Rz 5 f und Rz 8 ff):

Konkret wegen des am 23. Februar 2021 vom Facebook-Account des Antragsgegners mit dem Domain-Namen ** veröffentlichten, in Wort und Bild wiedergegebenen Postings, welchem ein Bedeutungsinhalt beizumessen sei, der den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede zum Nachteil des Antragstellers erfülle (§ 6 Abs 1 MedienG), den Antragsteller identifizierend des Amtsmissbrauchs als verdächtig bezeichne (§ 7a Abs 1 Z 2 MedienG) und ihn dessentwegen auch bereits als schuldig hinstelle (§ 7b Abs 1 MedienG), werden gegen B* als Medieninhaber zum einen im nunmehr selbstständigen Entschädigungsverfahren nach §§ 8 Abs 1 (zweiter Satz), 8a MedienG Ansprüche gemäß §§ 6 Abs 1, 7a Abs 1 und 7b Abs 1 MedienG geltend gemacht (weshalb der damit verbundene Antrag auf Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung, wie vom Erstgericht zutreffend ausgeführt, indes mit Blick auf die hier gleichermaßen indizierten Sachverhaltsvoraussetzungen unschädlich, auf § 8a Abs 5 MedienG zu stützen wäre [vgl Rami in WK 2 MedienG § 8a Rz 15 ff]). Zum anderen begehrt der Privatankläger – prozessual kompatibel (vgl 15 Os 9/23x = EvBl 2023/238, Rami = MR 2023, 59, Zöchbauer ; Rami in WK 2 MedienG § 8 Rz 1/1 ff und § 33 Rz 14 ff) – mit schriftlichem, (seit BGBl I 2020/148; vgl schon RIS-Justiz RS0132570; MR 2024, 104) unbefristetem selbstständigem Einziehungsantrag gemäß § 33 Abs 2 MedienG, schlüssig auf Basis des Vorbringens zu § 6 Abs 1 MedienG, unmissverständlich vom Antragsgegner die Löschung des wortgetreu inkriminierten Postings.

Das Erstgericht wird sich daher einer Sachentscheidung über die medienrechtlichen Anträge des Beschwerdeführers zu unterziehen haben. Sollten sich dabei die vorhandenen Indizien für einen Wechsel der in § 40 (Abs 1 letzter Satz) MedienG genannten Orte verifizieren lassen (vgl StA Wels 16 St 7/24p-3; Rami in WK 2 MedienG § 40 Rz 5), wäre freilich die Abtretung an das örtlich zuständige Landesgericht zu verfügen (RIS-Justiz RS0125311; Bauer , WK-StPO § 485 Rz 6/1 aE mwN; Roitner , ÖJZ 2019, 403 [404]).

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Rechtliche Beurteilung

begründung:

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