JudikaturOGH

3Ob166/25w – OGH Entscheidung

Entscheidung
Schadenersatzrecht
28. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Dr. Stefan Rieder, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. M*, vertreten durch Mag. Sarah Abel, Rechtsanwältin in Salzburg, und 2. S* GmbH, *, vertreten durch die Mahringer Steinwender Bestebner Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen 7.164,36 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 10. Juli 2025, GZ 53 R 145/25t-18, mit dem das Teilurteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 12. März 2025, GZ 31 C 1179/24h 12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.000,75 EUR (darin enthalten 166,79 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der bei der Zweitbeklagten als Buslenker beschäftigte Erstbeklagte fand am Morgen des 11. November 2023 bei einer Kontrolle des ihm zugeteilten Busses in einer Haltestelle den im Bus schlafenden Kläger vor. Dieser kam der Aufforderung des Erstbeklagten, den Bus zu verlassen, nach. Außerhalb des Busses versetzte der Erstbeklagte dem Kläger mehrere heftige Faustschläge gegen Gesicht und Oberkörper, wodurch der Kläger diverse Verletzungen erlitt. Aufgrund dieses Vorfalls wurde der mehrfach einschlägig vorbestrafte Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. Jänner 2024 wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB zu einer (teilweise bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt.

[2] Der Kläger begehrte Schadenersatz und die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle künftigen Schäden aus dem Vorfall vom 11. November 2023. Seinen Anspruch gegen die Zweitbeklagte begründete er, soweit in dritter Instanz noch von Interesse, damit, dass sich diese des Erstbeklagten als wegen seiner Gewaltbereitschaft habituell untüchtigen Besorgungsgehilfen im Sinn des § 1315 Fall 1 ABGB bedient habe.

[3] Die Zweitbeklagte wendete ein, der Erstbeklagte sei wegen seiner Vorstrafen nicht von vornherein als ungeeignet für die Tätigkeit als Busfahrer anzusehen. Die strafgesetzwidrige vorsätzliche Schädigung eines Dritten durch einen ihrer Mitarbeiter sei ihr nicht zuzurechnen.

[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte ab. Der Erstbeklagte sei nicht als habituell untüchtig anzusehen, weil diesem die Eignung zur Verrichtung der Tätigkeit als Busfahrer nicht gefehlt habe. Eine strafbare Handlung, die inhaltlich mit der auszuübenden Tätigkeit nichts zu tun habe, mache ihn nicht untüchtig.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die Haftung nach § 1315 ABGB setze unter anderem voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem übertragenen Aufgabengebiet und der Untüchtigkeit des Gehilfen bestehe. Die Schadenszufügung müsse in Ausführung und nicht bloß gelegentlich der Besorgung, zu der der Gehilfe herangezogen werde, erfolgen. Im Anlassfall habe die unerlaubte Handlung des Gehilfen nicht mehr dessen Aufgabenbereich als Buslenker betroffen. Vielmehr stelle sich diese als Verletzung der allgemeinen Pflicht dar, die Integrität fremder Rechtsgüter zu wahren. Da der Kläger zur Zeit des tätlichen Angriffs des Erstbeklagten den Bus bereits verlassen gehabt habe, sei der Angriff nicht mehr in Verfolgung der Interessen der Zweitbeklagten erfolgt.

[6] Das Berufungsgericht erklärte die Revision nachträglich für zulässig, weil die Auffassung des Klägers, der sachliche Zusammenhang sei noch nicht gänzlich aufgelöst gewesen, zumal sich der Erstbeklagte noch in der Nähe des Busses befunden habe, nicht gänzlich von der Hand zu weisen sei.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

[8] 1.1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass zwar auch vorsätzliche unerlaubte Handlungen in Erfüllung einer vertraglichen Pflicht in einer dem Schuldner zurechenbaren Weise vom Erfüllungsgehilfen begangen werden können, dass jedoch dazu ein innerer Sachzusammenhang der schädigenden Handlung des Erfüllungsgehilfen mit der Vertragserfüllung gefordert, also umgekehrt jede Schädigung ausgeschlossen wird, die der Gehilfe dem Gläubiger nur „gelegentlich“, also anlässlich der Erfüllung zugefügt hat und die einer selbständigen unerlaubten Handlung entsprungen ist. Nur dann, wenn die unerlaubte Handlung des Gehilfen in den Aufgabenbereich eingreift, zu dessen Wahrnehmung dieser vom Schuldner bestimmt worden war, hat der Schuldner dafür einzustehen (RS0028626). Der Geschäftsherr hat also für das deliktische Verhalten des Erfüllungsgehilfen gemäß § 1313a ABGB nur dann einzustehen, wenn das Delikt nicht außerhalb des vom Geschäftsherrn übernommenen Pflichtenkreises liegt und eine typische nachteilige Folge ist, mit der beim Einsatz eines Gehilfen im Allgemeinen gerechnet werden muss (RS0028517 [T1]). Mit dieser Haftungsbegrenzung auf vorhersehbare Gefahren soll eine uferlose, unbegrenzte Haftung des Geschäftsherrn für Delikte seines Gehilfen vermieden werden (RS0028517 [T2]).

[9] 1.2. Ähnliches gilt nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre auch im hier interessierenden Anwendungsbereich des § 1315 ABGB, wenn sich der Geschäftsherr einer untüchtigen Person zur Besorgung seiner Angelegenheiten bedient. Da sich die Untüchtigkeit eines Besorgungsgehilfen immer nur auf die Besorgung der übertragenen Tätigkeit bezieht, können nur Schädigungen in Ausführung der Besorgung den Geschäftsherrn ersatzpflichtig machen, nicht jedoch jene, die bloß gelegentlich “, also anlässlich der Besorgung erfolgen (RS0029001; 7 Ob 49/22i mwN).

[10] 1.3. Die mitunter schwierige Abgrenzungsfrage, ob der Gehilfe „bei der Erfüllung bzw Besorgung“ der Angelegenheiten des Geschäftsherrn oder bloß „gelegentlich“ der Erfüllung bzw Besorgung handelte, hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab (7 Ob 49/22i mwN).

[11] 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Erstbeklagte habe den Kläger nicht bei, sondern bloß anlässlich der Geschäftsbesorgung vorsätzlich verletzt, stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

[12] 2.1. In der Entscheidung zu 1 Ob 127/07v wurde die Haftung eines Gastwirts für den bei ihm beschäftigten Kellner verneint, der bei einem betrunkenen Gast kassieren wollte und diesem, als er das Lokal verließ, ohne zu zahlen, nachfolgte und ihn vor dem Lokal durch Schläge verletzte. Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass der Geschäftsherr nicht für ein Verhalten seiner Hilfspersonen einzustehen habe, das mit dem Schuldverhältnis in keinem inneren Zusammenhang mehr stehe, sondern in den Bereich der allgemeinen Lebensführung des Gehilfen gehöre, in deren Rahmen er seine eigenen Interessen verfolge. Dies sei im Anlassfall – anders als in dem der Entscheidung zu 5 Ob 555/78 SZ 51/55 zugrunde liegenden Fall, in dem die beklagte Gastwirtin ihren bei ihr angestellten Ehemann aufgefordert hatte, einen betrunkenen, andere Gäste belästigenden Gast „aus dem Lokal zu entfernen“ – zu verneinen, weil der Kellner die Verletzungshandlungen nicht vorrangig mit dem Ziel gesetzt habe, die Zeche für den Gastwirt zu kassieren, zumal es dazu weder eines Trittes gegen das Knie noch mehrerer Faustschläge ins Gesicht bedurft hätte, sondern höchstens eines Festhaltens im Sinn eines aus den §§ 19, 344 ABGB abgeleiteten Selbsthilferechts. Die einzige Verknüpfung zwischen der Körperverletzung und Nichtzahlung der Zeche liege darin, dass die Zahlungsverweigerung des Klägers einen Streit und schließlich die Aggressionshandlungen des Kellners ausgelöst habe. Der Angriff selbst sei aber nicht mehr in Verfolgung der Interessen des Gastwirts erfolgt, was bereits der Art des Angriffs eindeutig zu entnehmen sei.

[13] Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält sich deutlich innerhalb des Rahmens dieser Rechtsprechung, weil das Interesse der Zweitbeklagten nur darin bestand, dass der Kläger den Bus verlässt.

[14] 2.2. Die vom Kläger ins Treffen geführte Entscheidung zu 1 Ob 711/89 ist hier schon deshalb nicht einschlägig, weil sie kein vorsätzliches strafgesetzwidriges Verhalten des Gehilfen, sondern lediglich eine versehentliche Beschädigung im Rahmen von Reparaturarbeiten – wenn auch in Überschreitung des erteilten Auftrags aus Gefälligkeit – zum Gegenstand hatte. Tragende Begründung der dortigen Bejahung der Haftung für die Schadenszufügung war überdies, dass das Verhalten des Gehilfen weder örtlich noch sachlich aus seinem allgemeinen Aufgabenbereich herausfiel und er auch annehmen durfte, dass er bei der gefälligkeitshalber erfolgten Überschreitung seines Aufgabenbereichs im Rahmen der Verfolgung der Interessen seines Geschäftsherrn blieb.

[15] 2.3. Auch die vom Kläger weiters zitierte Entscheidung zu 10 Ob 96/08b betraf kein strafgesetzwidriges vorsätzliches Verhalten des Gehilfen, sondern eine bloß fahrlässige Schädigung.

[16] 3.1. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.

[17] 3.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.