Der Präsident des Obersten Gerichtshofs fasst im Verfahren 34 Dg 1/24g des Oberlandesgerichts Wien über den Antrag der betroffenen Person *, geboren am *, Richterin des Bezirksgerichts *, vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz, Rechtsanwalt in Wels, wegen Dienstfreistellung und Versetzung in den vorigen Ruhestand, über den Ablehnungsantrag der betroffenen Person gegen die Präsidentin sowie alle Richter des Oberlandesgerichts Wien den
Beschluss:
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung:
Mit Eingabe vom 3. 10. 2025 (Datum des Einlangens) lehnte die Disziplinarbeschuldigte den gesamten Disziplinarsenat sowie die gesamte „Richterschaft“ des Oberlandesgerichts Wien als befangen ab. Als Begründung werde darauf hingewiesen, dass das ursprüngliche Erkenntnis des „Schiedsgerichtes“ vom 10. 1. 2025 wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben wurde. Dies sei der Betroffenen ausschließlich aufgrund der Zustellung des neuerlichen Gutachtensauftrags vom 4. 9. 2025 bekannt geworden. Die Betroffene gehe davon aus, dass zumindest ein Grund dieser Aufhebung der Umstand war, dass ihr bzw ihrem Rechtsvertreter das ursprüngliche Gutachten der BVAEB nicht zugestellt wurde und auch trotz eines entsprechenden Antrags in der Verhandlung vom 8. 1. 2015 (sic) nicht übergeben wurde. Ein derartiger Fehler möge noch als Versehen erklärt werden, wenn auch die Betroffene schon damals der Auffassung gewesen sei, dass diese Vorgangsweise ihr gegenüber System habe. Dazu sei anzumerken, dass die Betroffene jahrelang unter einem Mobbing der vorgesetzten Dienstbehörde leide und daher diese Vorgangsweise als Fortsetzung dieser Handlungen empfinden habe müssen. Nunmehr habe offensichtlich der Oberste Gerichtshof der Beschwerde der Betroffenen Folge gegeben. Obwohl eine sofortige Zustellung dieser Entscheidung im Sinne der Wahrung des rechtlichen Gehörs erforderlich gewesen wäre, habe diese Zustellung bis heute nicht stattgefunden. Aufgrund dieser wiederholten Verstöße gegen die Vorschriften über das rechtliche Gehör müsse die Betroffene davon ausgehen, dass der Senat aufgrund der Nähe zur Antragstellerin nicht in der Lage sei, dieses Verfahren unvoreingenommen zu führen. Generell müsse darauf hingewiesen werden, dass es nicht rechtmäßig sein könne, wenn Richter eines Oberlandesgerichts über einen Antrag ihrer dienstvorgesetzten Präsidentin, der aufgrund seiner Begründung eindeutig die Versetzung in den Ruhestand zum Ziel habe, zu entscheiden hätten. Auffällig sei auch, dass trotz entsprechender Anträge durch die Betroffene ohne jede weitere Beweisaufnahme entschieden worden sei. Ähnliche Überlegungen würden für alle anderen Richter und Richterinnen des Oberlandesgerichts Wien gelten. In jedem Fall sei davon auszugehen, dass Richter in verschiedenen Punkten, insbesondere bei zukünftigen Bewerbungen, aber auch bei der Geschäftsverteilung, Ressourcenzuteilung, Kanzleibesetzung und Ähnlichem von einer guten Beziehung zur Präsidentin abhängig seien, sodass es kaum möglich sein werde, Entscheidungen in dieser Dienstrechtssache völlig unbeeinflusst zu treffen.
Hierzu war zu erwägen:
§ 115 Abs 2 RStDG (iVm § 93 Abs 1 RStDG) verweist hinsichtlich der Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen auf die Vorschriften der Strafprozessordnung.
Über die Ausschließung des Präsidenten bzw der Präsidentin des Oberlandesgerichts hat nach wie vor der Präsident des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden, weil § 45 Abs 1 Satz 1 StPO in der seit 1. Juni 2009 geltenden Fassung diesen Fall nicht erfasst und nur die Entscheidung über die Ausschließung des Präsidenten, des Vizepräsidenten und eines Mitglieds des Obersten Gerichtshofs einem Dreiersenat überträgt (RS0124709).
Die diesbezügliche Zuständigkeit des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs erstreckt sich dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nicht nur der Präsident bzw die Präsidentin eines Oberlandesgerichts, sondern auch alle Richter des Oberlandesgerichts abgelehnt werden, auch auf die Entscheidung über die Ablehnung, ist doch der Ausschließungsgrund in diesem Fall hinsichtlich aller betroffenen Richter dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs anzuzeigen (§ 44 Abs 2 StPO). Daraus ergibt sich gemäß § 45 Abs 1 StPO die Zuständigkeit des Präsidenten des Obersten Gerichtshofs, über die Ausschließung zu entscheiden.
Die Ablehnung von Richtern muss auf Gründe gestützt werden, die geeignet sind, die volle Unbefangenheit der Abgelehnten in Zweifel zu ziehen (RS0097082). Diese Gründe müssen daher genau angegeben und nach Möglichkeit bescheinigt werden (RS0097082). In erster Linie kommen als Befangenheitsgründe private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien oder zu ihren Vertreten in Betracht, die ein Naheverhältnis begründen, das bei objektiver Betrachtung zumindest geeignet ist, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen ().
Soweit der Antrag darauf gestützt wurde, dass der Aufhebungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs der Betroffenen nicht zugestellt wurde, handelt es sich dabei um ein Versehen der Kanzlei des Obersten Gerichtshofs. Bei Rückmittlung des Aktes an das Oberlandesgericht Wien wurden nämlich zwar die erforderlichen Ausfertigungen für die Zustellung beigelegt, irrtümlich jedoch auf dem stampiglienförmig angebrachten Beisatz: „Die Zustellung an die Verfahrensbeteiligten durch den OGH wurde nicht/vorgenommen.“ (ON 18) das Wort „nicht“ durchgestrichen. Dadurch musste beim Oberlandesgericht Wien der Eindruck entstehen, dass vom Obersten Gerichtshof eine Direktzustellung veranlasst wurde, was jedoch tatsächlich nicht der Fall war. Eine Befangenheit der Präsidentin des Oberlandesgerichts oder anderer Richter des Oberlandesgerichts Wien lässt sich daraus nicht ableiten.
Gleiches gilt für den Umstand, dass die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien als Antragstellerin einschreitet. Die diesbezügliche Zuständigkeit des Dienstgerichts ergibt sich aus § 90 RStDG. In Hinblick auf die gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Zuständigkeit lässt sich aus dem bloßen Umstand, dass die Präsidentin des Oberlandesgerichts kraft ihrer amtlichen Befugnis als Antragstellerin einschreitet, bei Zugrundelegung der Wertungen des Gesetzes kein Ausschließungsgrund ableiten. Verfassungsmäßige Bedenken gegen § 90 RStDG bestehen in Hinblick auf die gesetzliche Unabhängigkeit der Richter (auch) des Dienstgerichts nicht. Derartige Bedenken könnten im Übrigen auch nicht zum Gegenstand eines Ausschließungsbzw Ablehnungsantrags gemacht werden, lässt sich dies doch unter keinen der in § 43 StPO angeführten Fälle subsumieren.
Der Antrag war daher spruchgemäß abzuweisen.
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