JudikaturOGH

9Ob99/25m – OGH Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
23. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Korn, Dr. Stiefsohn, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Partei F* GmbH, *, vertreten durch Dr. Emelle Eglenceoglu, Rechtsanwältin in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Dr. *, als Insolvenzverwalter in der Insolvenz des Mag. G*, vertreten durch Dr. Andreas Fink und Dr. Christopher Fink, Rechtsanwälte in Imst, wegen 850.000 EUR, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 28. August 2025, GZ 10 R 6/25w 17, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines vor Insolvenzeröffnung mit dem Schuldner geschlossenen Kaufvertrags über eine Liegenschaft, da diese vertragswidrig nicht lastenfrei gestellt worden sei, und die Rückzahlung des Kaufpreises von 850.000 EUR „Zug um Zug gegen die Aufhebung des Kaufvertrags“.

[2] Der beklagte Masseverwalter wandte unter anderem die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein, da es sich um eine Insolvenzforderung handle, die die Klägerin nicht im Insolvenzverfahren angemeldet habe.

[3] Das Erstgericht wies die Klage zurück. Während des laufenden Prüfungsverfahrens sei für die Geltendmachung von Insolvenzforderungen der Rechtsweg unzulässig.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen diese Entscheidung nicht Folge. Die Vertragsaufhebung sei nur Vorfrage für die Beurteilung des Leistungsbegehrens Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, ihren Geldanspruch im Insolvenzverfahren anzumelden.

Rechtliche Beurteilung

[5]Der außerordentliche Revisionsrekurs der Klägerin ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[6]1. Zwar steht die Konformatssperre des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO der Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht entgegen, weil die Vorinstanzen die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen haben. Allerdings sind auch in einem solchen Fall die hier maßgeblichen Revisionsrekursbeschränkungen nach § 528 Abs 1 und Abs 2 Z 1a ZPO zu beachten (vgl RS0044496 [T7]).

[7] Eine Bewertung durch das Rekursgericht war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht erforderlich, da das Klagebegehren auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet ist, die 30.000 EUR übersteigt.

[8]2. Nach § 2 Abs 2 IO wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Schuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Insolvenzverfahrens erlangt (Insolvenzmasse) dessen freier Verfügung entzogen. Nach § 6 Abs 1 IO können Rechtsstreitigkeiten, welche die Geltendmachung oder Sicherstellung von Ansprüchen auf das zur Insolvenzmasse gehörige Vermögen bezwecken, nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Schuldner weder anhängig gemacht noch fortgesetzt werden.

[9] Der Einklagung einer Insolvenzforderung steht das Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs und daher eine amtswegig wahrzunehmende Nichtigkeit des Verfahrens entgegen (vgl RS0042001 ).

[10] 3. Die Klägerin macht geltend, dass es sich bei der Ausübung von Gestaltungsrechten nicht um eine Insolvenzforderung handle.

[11] Richtig ist, dass Gestaltungsrechte keine Insolvenzforderungen sind, weil sie dem Inhaber (bloß) die Möglichkeit verschaffen, Änderungen der Rechtslage zu erwirken. Erst ihre Ausübung kann Insolvenzforderungen begründen (10 Ob 42/20d Rz 99 ; Musger in Koller/Lovrek/Spitzer [Hrsg], Insolvenzordnung² [2023] § 14 Rz 3).

[12] Mit dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Rekursgerichts aber nicht in Widerspruch. Die Klägerin übergeht, dass sie unter Berufung auf die Ausübung ihres Gestaltungsrechts gerade eine solche Insolvenzforderung, nämlich die (Rück )Zahlung von 850.000 EUR, geltend macht. Wird zusätzlich zum Zahlungsbegehren ausdrücklich auch das Begehren auf Aufhebung des Vertrags gestellt, ist die Vertragsaufhebung nur Vorfrage für die Beurteilung, ob das Leistungsbegehren berechtigt ist. Dem Vertragsaufhebungsbegehren kommt kein eigenständiger Wert zu (vgl 4 Ob 70/18z Pkt 2.1 mwN). In diesen Fällen führt die Beurteilung des Zahlungsbegehrens, das auf die Rückzahlung geleisteten Entgelts gerichtet ist, zur abschließenden Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses, weshalb die Entscheidung über den verbundenen Rechtsgestaltungsanspruch keine über das betreffende Verfahren hinausgehende Bedeutung hat ( 7 Ob 111/16y ; 6 Ob 36/04v mwN). Mit dieser tragenden Begründung des Rekursgerichts setzt sich die Klägerin in ihrem Rechtsmittel nicht auseinander. Sie führt auch nicht aus, dass bzw wieso im vorliegenden Fall dem Rechtsgestaltungsanspruch eine weitergehende Bedeutung zukäme.

[13] 4. Darauf, dass es sich bei dem Begehren auf Rückzahlung des Kaufpreises um einen Absonderungsanspruch handelt, hat sich die Klägerin bislang nicht berufen und auch keinen Sachverhalt vorgebracht, aus dem sich das ableiten ließe.

[14]5. Nach § 46 Z 6 IO zählen Ansprüche aus einer grundlosen Bereicherung der Masse zu den Masseforderungen. Die Bereicherung muss nach der Insolvenzeröffnung erfolgt sein. Vor der Insolvenzeröffnung entstandene Bereicherungsansprüche sind dagegen gewöhnliche Insolvenzforderungen, weil der Schuldner und nicht die Masse bereichert ist ( RS0065108 [T2]; RS0111103). Der aus dem Vertragsrücktritt der Klägerin abgeleitete Rückabwicklungsanspruch stellt keine Forderung iSd § 46 Z 6 IO dar.

[15]6. Insgesamt gelingt es der Klägerin daher nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Der Revisionsrekurs der Klägerin ist daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht.