JudikaturOGH

4Ob3/25g – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Istjan, LL.M., Mag. Waldstätten, Mag. Böhm und Dr. Gusenleitner Helm in der Rechtssache der klagenden Partei AKM eingetragene Genossenschaft m.b.H, *, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger und Dr. Diana Holzinger, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei * Genossenschaft mit beschränkter Haftung, *, vertreten durch die GRAF ISOLA Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Rechnungslegung und Zahlung (Stufenklage, Gesamtstreitwert 51.900 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2024, GZ 5 R 112/24p 31, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 23. April 2024, GZ 11 Cg 39/23g 25, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2. 681,34 EUR (darin 446,89 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin ist eine Verwertungsgesellschaft, die die Aufführungs-, Sende- und Zurverfügungstellungs-Rechte für Musikwerke mit und ohne Text für Textautoren, Komponisten und Musikverleger (Rechteinhaber) wahrnimmt.

[2] Sie begehrt von der beklagten Wohnbaugenossenschaft, die ihre Mehrparteienhäuser mit Gemeinschaftsantennenanlagen und einer Kabelinfrastruktur zum Rundfunkempfang ausstattet, mittels Stufenklage iSd Art XLII EGZPO iVm § 87a UrhG Rechnungslegung über die von ihr angeschlossenen Teilnehmer sowie Zahlung des sich daraus ergebenden Werknutzungsentgelts.

[3] Das Erstgericht wies die Klage ohne Durchführung eines formellen Beweisverfahrens ab. Schon nach dem Vorbringen werde keine vergütungspflichtige Zweitverwertung iSd §§ 17, 59a UrhG vorgenommen, weil die Beklagte nur eine technische Anlage zur Verfügung stelle und damit kein neues Publikum erschließe.

[4] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es ging für seine rechtliche Beurteilung von folgenden – vermeintlich – unstrittigen Umständen aus:

dass die Beklagte in zumindest 133 Wohnhausanlagen Gemeinschaftsantennenanlagen errichtet hat, die sie betreibt und kontrolliert;

die von diesen Gemeinschaftsantennenanlagen zentral empfangenen Fernseh- und Rundfunksignale mittels Kabeln an insgesamt über 10.000 Anschlüsse in diesen Wohnhausanlagen weitergeleitet werden;

womit, wie auch bei jeder singulär genutzten Satellitenempfangsanlage, sämtliche über Eutelsat, Astra und andere Satelliten zur Verfügung gestellten Signale empfangen werden können;

dass das LNC Gerät dazu dient, die vom Satelliten gesendeten Signale zu empfangen, und dass vom LNC-Gerät ein Kabel zum TV-Gerät führt, über das die TV Programme in der Wohnung empfangen werden;

dass auf den Wohnhausanlagen der Beklagten Gemeinschaftsantennenanlagen bereitgestellt werden und aus diesem Grund den Bewohnern das Aufstellen individueller SAT Anlagen von der Beklagten verboten wird, diese daher nicht einfach individuell Satellitenschüsseln aufstellen und so die Signale empfangen und so in den Genuss der ausgestrahlten Werke kommen könnten;

dass die Bewohner (auch der einzelnen) Wohnhausanlagen nicht alle durch persönliche oder familiäre Beziehungen verbunden sind, dass in jeder einzelnen Wohnhausanlage der Beklagten recht viele Personen wohnen und dass die Anzahl der Bewohner lediglich durch die Aufnahmekapazität der Wohnhausanlagen beschränkt ist.

[5] In rechtlicher Hinsicht ging das Berufungsgericht davon aus, dass nur dann eine Vergütungspflicht der Beklagten für eine Weiterleitung bestehe, wenn deren Tätigkeit als „öffentliche Wiedergabe“ iSv Art 3 Abs 1 InfoRL („ Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft “) verstanden werden könne. Unter Verweis auf Rechtsprechung des EuGH nahm das Berufungsgericht zwar grundsätzlich eine Wiedergabehandlung an. Selbst bei größeren Wohnhausanlagen würde jedoch mit der bloßen Zuleitung der Programme von einer Kopfstelle in die Wohnungen kein neues Publikum erschlossen.

[6] Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Frage fehle, ob es sich bei der Weitersendung von per Satellit ausgestrahlten Rundfunksendungen über Gemeinschaftsantennenanlagen in Wohnhausanlagen um eine „öffentliche Wiedergabe“ iSd Art 3 Abs 1 der InfoRL und der §§ 17 und 59a UrhG idF der UrhR Novelle 2021 handle.

[7] Die Klägerin begehrt mit ihrer Revision (erkennbar gemeint) eine Abänderung in eine Stattgebung ihres Rechnungslegungsbegehrens; hilfsweise stellt sie Aufhebungsanträge.

[8] Die Beklagte beantragte unter Verweis auf die Entscheidung C 135/23 , GEMA/GL , des EuGH vom 20. 6. 2024 die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision der Klägerin ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig und daher zurückzuweisen .

[10] 1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist einzig die Frage, ob die Tätigkeit der Beklagten als „öffentliche Wiedergabe“ iSd Art 3 Abs 1 InfoRL zu verstehen ist.

[11] Hängt die Entscheidung von der Lösung einer Frage des Gemeinschaftsrechts ab, und ergeben sich aus der Rechtsprechung des EuGH Leitlinien zur Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, so liegt eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nur vor, wenn das Gericht zweiter Instanz seinen Beurteilungsspielraum überschritten hat, ihm also bei Lösung dieser Frage eine gravierende Fehlbeurteilung unterlaufen ist (vgl RS0117100 [insb T12, T14]).

[12] Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Zulässigkeitsvoraussetzungen zudem noch bei der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gegeben sein; es kommt also auf den Stand der Rechtsprechung in diesem Zeitpunkt an. Eine im Rechtsmittel tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn diese durch eine andere Entscheidung bereits geklärt wurde (vgl RS0112921 [T4, T5]). Eine zur Unzulässigkeit der Revision führende Klärung der Rechtslage kann im Anwendungsbereich des Unionsrechts auch durch eine Vorabentscheidung des EuGH erfolgen. Hat der EuGH eine Frage des Unionsrechts entschieden, so ist die Revision nur zulässig, wenn die angefochtene Entscheidung dazu im Widerspruch steht; das Fehlen von Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs schadet dann – ebenso wie bei einem acte clair – nicht (vgl 2 Ob 94/21v).

[13] 2.1 Die in der Revisionsbeantwortung genannte Entscheidung C 135/23 , GEMA/GL , des EuGH vom 20. 6. 2024 erging in einem deutschen Ausgangsverfahren zwischen der (Verwertungs )Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte e. V. (GEMA) und einem Betreiber eines Apartmenthauses, der in den Apartments Fernsehgeräte mit einer Zimmerantenne zum Empfang von Signalen und zur Übertragung von Sendungen zur Verfügung stellte (s dazu etwa auch die Glossen von Walter , MR Int 2024, 44 ; Handig , ecolex 2024/450 ; Schmitt , jusIT 2024/95 ).

[14] Der EuGH verwies – soweit hier von Interesse – auf seine ständige Rechtsprechung, nach der der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ iSd Art 3 Abs 1 InfoRL zwei kumulative Tatbestandsmerkmale umfasse – nämlich eine Handlung der Wiedergabe eines Werks und seine öffentliche Wiedergabe – und eine individuelle Beurteilung erfordere, bei der eine Reihe weiterer, unselbständiger und miteinander verflochtener Kriterien zu berücksichtigen seien (Rn 22 f).

[15] Zur Unterscheidung einer „öffentlichen Wiedergabe“ von der (unschädlichen) „bloßen Bereitstellung von Einrichtungen“ iSd 27. ErwGr der InfoRL (Art 8 WTC) sei insbesondere darauf abzustellen, ob der Nutzer (Anlagenbetreiber) eine zentrale Rolle einnehme, um seinen Kunden Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen, sowie auf die Vorsätzlichkeit seines Tätigwerdens, gerade wenn dieses Erwerbszwecken diene. (Dabei geht es iW um den Fall, dass der Nutzer aus der Verbreitung geschützter Werke die Attraktivität seiner eigenen Einrichtung steigern und daraus einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen kann, vgl Rn 20, 25 f).

[16] Weiters nahm der EuGH auf seine Vorjudikatur Bezug, in der er beim Betrieb einer Gastwirtschaft, eines Hotels, einer Kureinrichtung und eines Rehabilitationszentrums von Handlungen der öffentlichen Wiedergabe ausging, wenn der Betreiber einer solchen Einrichtung willentlich seinen Kunden Signale und Fernseh- oder Radiogeräte bereitstelle, die die Übertragung von in diesen Signalen kodierten Sendungen ermöglichen würden und an mehreren Orten dieser Einrichtung installiert seien, ohne dass es darauf ankomme, welche Technik zur Übertragung des Signals verwendet werde (vgl Rn 29 f). Auch eine Unterscheidung zwischen Zentral- und Zimmerantennen stünde daher nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Technologieneutralität (vgl Rn 37).

[17] Der Begriff „Öffentlichkeit“ umfasse nach der Vorjudikatur eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten und setze im Übrigen recht viele Personen voraus, die gleichzeitig oder nacheinander Zugang zum Werk haben könnten. Falls das vorlegende Gericht feststellen sollte, dass die (dort: 18) Apartments des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Hauses kurzzeitig vermietet würden, namentlich als Unterkunft für Touristen, sollten ihre Bewohner als „Öffentlichkeit“ angesehen werden, weil sie in ihrer Gesamtheit wie Hotelgäste eine unbestimmte Zahl potenzieller Leistungsempfänger bilden würden (vgl Rn 38 f, 42).

[18] Schließlich sei nach ständiger Rechtsprechung für eine Einstufung als „öffentliche Wiedergabe“ erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines spezifischen technischen Verfahrens, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein „neues Publikum“ wiedergegeben werde, dh für ein Publikum, an das der Rechtsinhaber nicht bereits gedacht gehabt habe, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubt habe. Mieter von Apartments in einem Haus, in dem kurzzeitige Vermietungen, namentlich als Unterkunft für Touristen, erfolgen, sollten ein solches „neues“ Publikum bilden: Denn diese Personen könnten, obwohl sie sich im Sendegebiet der Sendung aufhalten, ohne das Tätigwerden des Betreibers dieses Hauses grundsätzlich nicht in den Genuss des ausgestrahlten Werks kommen. Dagegen könnten, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Apartments als Wohnsitz an Mieter vermietet werden, diese nicht als „neues Publikum“ angesehen werden (Rn 43 ff).

[19] In Rn 60 der Schlussanträge , auf die der EuGH insoweit verweist, hielt der Generalanwalt dazu fest, dass Mieter mit Haupt- oder Zweitwohnsitz in Mietappartements als „Besitzer von Empfangsgeräten“ iSv Rn 41 des Urteils SGAE ( C 306/05 ) und somit als Mitglieder der Öffentlichkeit anzusehen seien, die von den Inhabern der Urheberrechte berücksichtigt worden seien, als sie ihre Erlaubnis für die ursprüngliche Wiedergabe (dort die terrestrische Fernsehübertragung) erteilt hätten. Diese Personen würden die geschützten Werke dann im privaten oder familiären Kreis genießen, und es sei unerheblich, dass ihnen das Empfangsgerät vom Eigentümer oder Betreiber des Appartements im Rahmen von dessen Vermietung zur Verfügung gestellt werde. Eine solche Zurverfügungstellung sei als bloße Bereitstellung von Einrichtungen einzustufen und bedürfe keiner zusätzlichen Erlaubnis.

[20] 2.2 Weiters nahm der EuGH in seinem Urteil vom 11. 4. 2024 zu C 723/22, Citadines/MPLC zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe Stellung, und zwar in einem (ebenfalls in Deutschland anhängigen) Verfahren zwischen der Verwertungseinrichtung MPLC und der Betreiberin eines Hotels, die ihren Gästen in den Gästezimmern sowie im Fitnessraum Fernsehgeräte zur Verfügung stellte, wobei das Funksignal den Geräten zeitgleich und unverändert über eine hoteleigene Kabelverteilanlage zugeleitet wurde. (Strittig war iW, ob der nach deutschem Recht geschlossene Lizenzvertrag auch die Weiterleitung innerhalb des Hotels umfasste.)

[21] Der EuGH betonte, dass die SatKabRL 93/83 („ Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung “) nur die Ausübung des Rechts zur Kabelweiterverbreitung im Verhältnis zwischen den Inhabern der Urheberrechte und verwandter Schutzrechte auf der einen und den „Kabelnetzbetreibern“ bzw den „Kabelunternehmen“ auf der anderen Seite regle. Die Begriffe „Kabelnetzbetreiber“ bzw „Kabelunternehmen“ würden aber die Betreiber traditioneller Kabelnetze bezeichnen, sodass ein Hotel folglich nicht als „Kabelunternehmen“ iSd RL 93/83/EWG angesehen werden könne (Rn 26 f).

[22] Was die „öffentliche Wiedergabe“ anbelange, sei erstens zu berücksichtigen, dass der Betreiber eines Hotels eine Wiedergabehandlung iSv Art 3 Abs 1 InfoRL vornehme, wenn er geschützte Werke absichtlich dadurch an seine Kunden übertrage, dass er willentlich ein Signal über Fernseh- oder Radioempfänger verbreite, die er in diesem Hotel installiert habe (vgl Rn 48). Zweitens würden die Gäste eines Hotels eine unbestimmte Zahl potenzieller Leistungsempfänger darstellen, und es handle sich um recht viele Personen, so dass diese als „Öffentlichkeit“ anzusehen seien (vgl Rn 49). Drittens müsse der betreffende Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens einem zusätzlichen Publikum Zugang zu einer Rundfunksendung verschaffen, die ein geschütztes Werk enthalte, wobei die Personen, die dieses „neue“ Publikum darstellen, ohne dieses Tätigwerden grundsätzlich nicht in den Genuss dieses Werks kommen könnten, obwohl sie sich im Sendegebiet der Sendung aufhielten. Ohne das Tätigwerden der Hotelbetreiberin könnten die Hotelgäste aber nicht in den Genuss des geschützten Werks kommen, obwohl sie sich im Sendegebiet aufhielten (vgl Rn 50). Irrelevant sei hingegen, welche Technik zur Übertragung des Signals verwendet werde (vgl Rn 54).

[23] 2.3 Mit Beschlüssen vom 8. 2. 2024 legte der BGH zu I ZR 34/23 , Seniorenwohnheim , drei weitere Fragen zur Vorabentscheidung vor, nämlich:

1. Handelt es sich bei den Bewohnern eines kommerziell betriebenen Seniorenwohnheims, die in ihren Zimmern über Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk verfügen, an die der Betreiber des Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz weitersendet, um eine 'unbestimmte Anzahl potentieller Adressaten' im Sinne der Definition der 'öffentlichen Wiedergabe' gemäß Art 3 Abs 1 der Richtlinie 2001/29/EG?

2. Hat die bisher vom Gerichtshof der Europäischen Union verwendete Definition, wonach die Einstufung als 'öffentliche Wiedergabe' iSv Art 3 Abs 1 der Richtlinie 2001/29/EG erfordert, dass 'die Wiedergabe des geschützten Werks unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich von dem bisher verwendeten unterscheidet, oder ansonsten für ein neues Publikum erfolgt, das heißt für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht gedacht hatte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe seines Werks erlaubte', weiterhin allgemeine Gültigkeit, oder hat das verwendete technische Verfahren nur noch in Fällen Bedeutung, in denen eine Weiterübertragung von zunächst terrestrisch, satelliten- oder kabelgestützt empfangenen Inhalten in das offene Internet stattfindet?

3. Handelt es sich um ein 'neues Publikum' im Sinne der Definition der 'öffentlichen Wiedergabe' gemäß Art 3 Abs 1 der Richtlinie 2001/29/EG, wenn der zu Erwerbszwecken handelnde Betreiber eines Seniorenwohnheims über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz an die vorhandenen Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk in den Zimmern der Heimbewohner weitersendet? Ist für diese Beurteilung von Bedeutung, ob die Bewohner unabhängig von der Kabelsendung die Möglichkeit haben, die Fernseh- und Rundfunkprogramme in ihren Zimmern terrestrisch zu empfangen? Ist für diese Beurteilung weiter von Bedeutung, ob die Rechtsinhaber bereits für die Zustimmung zur ursprünglichen Sendung eine Vergütung erhalten?

[24] Der Generalanwalt vertritt in seinen Schlussanträgen vom 4. 9. 2025 zu C 127/24 , GEMA/Seniorenresidenz , die Ansicht, dass der Betreiber eines Seniorenwohnheims keine öffentliche Wiedergabe vornehme, wenn er über eine eigene Satellitenempfangsanlage empfangene Rundfunkprogramme zeitgleich, unverändert und vollständig durch sein Kabelnetz an die vorhandenen Anschlüsse für Fernsehen und Hörfunk in den Zimmern der Heimbewohner weitersende.

[25] Eine Entscheidung des EuGH steht noch aus.

[26] 3.1 Umgelegt auf den vorliegenden Sachverhalt ist aber die Rechtsansicht der Vorinstanzen jedenfalls vertretbar, bei den Mietern der Beklagten – mögen es pro Wohneinheit auch „recht viele“ sein – handle es sich nicht um „neues Publikum“ im Sinn der Rechtsprechung des EuGH zur „öffentlichen Wiedergabe“ gemäß Art 3 Abs 1 InfoRL.

[27] Die beklagte Wohnbaugenossenschaft brachte ausdrücklich und unwidersprochen vor, dass Kurzzeit (unter )vermietungen ihrer Wohnungen sowohl vertraglich als auch gesetzlich ausgeschlossen seien. Damit kann im Sinne der Entscheidung C 135/23, GEMA/GL , und der dieser zugrundeliegenden Schlussanträge davon ausgegangen werden, dass die Mieter der Beklagten als solche mit Haupt- oder Zweitwohnsitz und als Besitzer von Empfangsgeräten angesehen werden können, die die Sendung allein oder im privaten bzw familiären Kreis empfangen, und somit als Mitglieder der Öffentlichkeit, die von den Inhabern der Urheberrechte bereits berücksichtigt wurden, als sie ihre Erlaubnis für die ursprüngliche Wiedergabe erteilten (idS auch die Schlussanträge zu C 127/24 , GEMA/Seniorenresidenz , Rn 28 ff). Nach dem insoweit unstrittigen Sachverhalt verbietet die Beklagte ihren Bewohnern das Aufstellen individueller SAT Anlagen, weil sie zur Vermeidung eines „Wildwuchses“ (und in Entsprechung der BauO) Gemeinschaftsanlagen bereitstellt. Dass die Beklagte dabei (auch) eigene Interessen verfolgt und ihr Angebot attraktiver machen will, mag zwar durchaus sein, sie ersetzt aber im Ergebnis bloß die jeweilige Empfangsanlage ihrer Mieter, ohne dass sie andere oder zusätzliche Empfangsmöglichkeiten schafft, die den Mietern ohne dieses (Gesamt )Konzept nicht zur Verfügung stünden.

[28] Damit ist es vertretbar, die reine Zurverfügungstellung einer Gemeinschaftsantennenanlage durch die Beklagte als Hauseigentümerin und Vermieterin zu Wohnzwecken nicht als Erschließung „neuen Publikums“ und sohin auch nicht als eigene „öffentliche Wiedergabe“ zu verstehen.

[29] 3.2 Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht spielt es auch keine entscheidende Rolle, dass die Gemeinschaftsanlagen der Beklagten aus einer Satellitenempfangsanlage und einem „Kabelnetz“ bestehen, mit dem das Signal (laut Erstgericht: ab einer bestimmten Länge der Kabelführung verstärkt) in die jeweiligen Wohnungen weitergeleitet wird.

[30] Richtig ist zwar, dass es nach der Rechtsprechung des EuGH genügt, wenn ein geschütztes Werk entweder für „neues Publikum“ wiedergegeben wird oder „ unter Verwendung eines besonderen technischen Verfahrens, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet .

[31] Der EuGH hat in seinen Entscheidungen zu C 135/23 , GEMA/GL , und C 723/22 , Citadines/MPLC , jedoch die Technologieneutralität der öffentlichen Wiedergabe hervorgehoben und in letztgenannter Entscheidung zudem betont, dass ein Hotel nur deswegen, weil es Funksignale über eine eigene Kabelverteilanlage weiterleite, nicht zum „Kabelunternehmen“ iSd RL 93/83/EWG werde.

[32] Im Sinne der Schlussanträge zu C 127/24 , GEMA/Seniorenresidenz (Rn 16 ff), kann insoweit auch auf bereits ältere Rechtsprechung des EuGH zurückgegriffen werden, namentlich insbesondere C 607/11 , ITV Broadcasting (Rn 38 f; Internetstreaming) und C 265/16 , VCAST (Rn 48; Cloud-Computing). In der einen Fallkonstellation geht es um die Frage, ob ein Betreiber durch einen bewussten Eingriff eine Sendung, die geschützte Werke enthält, einem neuen Publikum zugänglich macht. Die andere hat zwei Übertragungen vor Augen, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, nämlich die ursprüngliche Übertragung durch den Fernsehsender und die Übertragung durch eine andere Einrichtung unter spezifischen technischen Bedingungen nach einem unterschiedlichen Verfahren.

[33] Die Beklagte betreibt jedoch kein traditionelles Kabelnetz im engeren Sinn, mit dem sie 133 Wohnhausanlagen und 10.000 Anschlüsse versorgt, oder stellt eine internetbasierte Übertragungsmöglichkeit her, sondern montiert – wovon grundsätzlich auch die Klägerin und das Berufungsgericht ausgehen – als Hauseigentümerin und Vermieterin pro Wohneinheit eine eigenständige Gemeinschaftsempfangsanlage mit einer Parabolantenne, von der sie das Signal kabelgebunden im jeweiligen Haus verteilt. Obwohl dadurch ein „Technologiewechsel“ von Satellit auf Kabel stattfindet, unterscheidet sich dieses Verfahren nicht vom Empfang einer Sendung mittels privater SAT Anlage eines Mieters, mit der das Signal eingefangen, bei Bedarf verstärkt und mittels Kabel zum eigenen Empfangsgerät geleitet wird.

[34] Damit zeigt die Revision auch mit ihrem Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH zum „ besonderen technischen Verfahren, das sich von den bisher verwendeten unterscheidet “ keine Unvertretbarkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen oder sonst eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

[35] 4. Da die hier zu beurteilenden Fragen somit anhand bereits bestehender Rechtsprechung des EuGH gelöst werden konnten, ist weder eine Unterbrechung bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen des BGH zu C 127/24 , GEMA/Seniorenresidenz , noch ein eigener Antrag auf Vorabentscheidung erforderlich, wie er in der Revision angeregt wird (vgl RS0082949 [T3]).

[36] 5. Auch auf die Rügen in der Revisionsbeantwortung der Beklagten, wonach das Berufungsgericht teils zu Unrecht von einem unstrittigen Sachverhalt ausgegangen sei, kommt es nicht an.

[37] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 iVm § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision wegen der noch vor deren Einbringung ergangenen EuGH Entscheidungen hingewiesen.

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