JudikaturOGH

15Os111/25z – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
15. Oktober 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Oktober 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Rathmayr in der Strafsache gegen * L* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Juli 2025, GZ 25 Hv 55/25i 77, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde * L* des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (1.) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (2.) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in A* zwischen 15. und 17. Februar 2025

1. mit seiner * 2023 geborenen Tochter * S*, somit einer unmündigen Person, den Beischlaf unternommen, indem er seinen Penis an ihrer Vagina ansetzte und hierdurch in sie einzudringen versuchte;

2. an seiner Tochter, demnach mit einer minderjährigen Person, die mit ihm in absteigender Linie verwandt ist, die unter 1. beschriebene geschlechtliche Handlung vorgenommen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, welche sich als nicht berechtigt erweist.

[4] Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung die Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachbereich der Kinderpsychologie/Kinderpsychiatrie zum Beweis dafür, dass das Kind keine psychischen Beeinträchtigungen und keine Verhaltensänderungen wie Ängstlichkeit, Aggressivität, Leistungsabfall oder Rückzugstendenzen aufweise, welche aus einem sexuellen Missbrauch resultieren könnten, woraus sich ergäbe, dass der Angeklagte keine strafbaren Handlungen gegen sie gesetzt habe (ON 76.1, 35).

[5] Entgegen dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung dieses Antrags keine Verfahrensrechte verletzt. Der Antrag zielte nämlich – im Stadium der Hauptverhandlung unzulässig – auf eine Erkundungsbeweisführung ab (RISJustiz RS0099453). Mit der Kritik an der Begründung des abweislichen Zwischenerkenntnisses entfernt sich die Rüge vom Prüfungsmaßstab des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (RISJustiz RS0116749, RS0121628 [T1]).

[6] Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) nimmt Bezug auf die beweiswürdigenden Erwägungen des Schöffengerichts, wonach aufgrund der sowohl beim Angeklagten als auch beim Opfer festgestellten Gonorrhö Infektion von einem direkten Kontakt der Schleimhaut des Angeklagten mit der Schleimhaut des Kindes „auszugehen“ sei (US 8, 10), und bringt vor, aus dieser Formulierung ergäbe sich, dass das Erstgericht nicht mit der im Strafverfahren geforderten „mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit“ überzeugt wäre, dass die Übertragung des Gonorrhö Erregers nicht auf andere Weise erfolgt sein k önnte .

[7]Undeutlichkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 erster Fall StPO ist gegeben, wenn aus dem Urteil nicht unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde (Feststellungsebene) oder auch aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist (Begründungsebene; RISJustiz RS0089983 [T1]). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein.

[8] Inwiefern die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu 1. und 2. des Schuldspruchs (US 4) undeutlich (neuerlich Z 5 erster Fall) sein sollten, erklärt die Nichtigkeitsbeschwerde nicht.

[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wirft den Tatrichtern substanzlosen Gebrauch der verba legalia vor und vermisst Feststellungen zum Penetrationsvorsatz des Angeklagten. Damit nimmt sie prozessordnungswidrig (vgl RISJustiz RS0099810) nicht Maß an den erstgerichtlichen Feststellungen, wonach der Angeklagte seinen Penis an der Vagina des Opfers ansetzte und hierdurch in sie einzudringen versuchte (US 4; vgl auch US 10 zur Absicht seine Tochter vaginal zu penetrieren).

[10] Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge (Z 9 lit a), den Beweisergebnissen sei nicht zu entnehmen, was den Angeklagten davon abgehalten h abe, das Opfer zu penetrieren, sohin seinen Vorsatz zu verwirklichen, ein ohne nachweisbare Intervention erfolgtes Ablassen von der Penetration schließe bei richtiger Würdigung den darauf gerichteten Vorsatz des Angeklagten aus, übt bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO).

[11]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO). Angemerkt sei, dass bei einer Verurteilung nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB die Berücksichtigung der Begehung der Tathandlungen zum Nachteil einer nahen Angehörigen als Erschwerungsgrund (US 11) einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot darstellt, weil die angesprochene Täter-Opfer-Relation zu den Tatbestandselementen dieser Strafnorm zählt und solcherart bereits deren Strafdrohung bestimmt (RISJustiz RS0130193 [T11], RS0119220).

[12]Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.