12Os112/25z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Oktober 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. Setz-Hummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * B* wegen Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 und 2 VerbotsG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 8. Juli 2025, GZ 25 Hv 56/25m 27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt dem Oberlandesgericht Graz zu.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde * B*der Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 und 2 VerbotsG (A/I) und nach § 3g Abs 1 VerbotsG (A/II und A/III) sowie „d[er] Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG“ (B) und „zu B/II zusätzlich nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG“ schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in F* und an anderen Orten des Bundesgebiets
(A) sich auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinne betätigt, indem er
(I) auf eine Weise, dass es vielen Menschen zugänglich wird (§ 3g Abs 2 VerbotsG),
(1) am 17. April 2020 den auf der öffentlich einsehbaren Facebookseite des * R* geteilten Beitrag, zeigend eine Blumenwiese im Sonnenschein mit dem Text: „DER SONNE SIEG IST UNSER HEIL“, mit „Wenn man das auf ein verbotenes Sonnensymbol bezieht, vollkommen richtig!!“, kommentierte, wobei das „verbotene Sonnensymbol“ für jenes das Hakenkreuz ersetzende Symbol der Schwarzen Sonne steht;
(2) am 22. April 2020 auf seiner öffentlich einsehbaren Facebookseite den Text: „Alles für Rasse und Nation I! 14 Words and 88!“, veröffentlichte, wobei „14 Words“ für den neonazistischen Glaubenssatz: „We must secure the existence of our people and a future for white children“, zu Deutsch: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sichern“, sowie die Zahl „88“ für zweimal den achten Buchstaben des Alphabets, somit für „HH“, daher die nationalsozialistische Parole „Heil Hitler“ steht;
(3) zumindest im Zeitraum 11. Dezember 2023 bis 26. Oktober 2024 auf seiner öffentlich einsehbaren Facebookseite den Text: „14 Words are my Religion!“, sowie zu seinem Profilbild das Symbol der weißen Faust neben dem Text: „WHITE LIVES MATTER“, veröffentlichte, wobei „14 Words“ für den neonazistischen Glaubenssatz: „We must secure the existence of our people and a future for white children“, zu Deutsch: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und eine Zukunft für weiße Kinder sichern“, sowie die weiße Faust als Symbol für „White Power“ für den Wahlspruch der (neo-)nationalsozialistischen und rassistischen Theorie von der Vorherrschaft der „weißen Rasse“ stehen;
(II) im Zeitraum Ende 2021 bis 26. Oktober 2024 nationalsozialistische Devotionalien in propagandistischer Aufmachung in seiner Wohnung für andere wahrnehmbar machte, zur Schau stellte oder dafür bereit hielt, sodass diese von Besuchern seiner Wohnung wahrgenommen werden konnten, und zwar im Wohnzimmer in einer Glasvitrine vier Gürtelschnallen mit Hakenkreuz, eine Postkarte mit Hitlerbild und Hakenkreuz, ein Arbeitsbuch des deutschen Reichs samt Reichsadler und Hakenkreuz, sieben Anstecknadeln mit Hakenkreuzen, neun Medaillen und Abzeichen samt Hakenkreuz, eine nationalsozialistische Medaille mit Band in einer roten Schachtel, nationalsozialistische Münzen in einer schwarzen Schachtel, sieben Münzen mit Hakenkreuzmotiv sowie in einer Kommode 17 CDs „mit nationalsozialistischem Gedankengut“;
(III) seit einem unbekannten Zeitpunkt im Jahr 1999 bis 26. Oktober 2024 seine Tätowierungen einer Odalrune am rechten Unterschenkel sowie eines gleichschenkeligen Keltenkreuzes am rechten Oberarm für andere und jedenfalls für seine Lebensgefährtinnen zur Schau stellte;
(B) bis 26. Oktober 2024 wenn auch nur fahrlässig, Waffen besessen, obwohl ihm der Besitz aufgrund eines aufrechten behördlichen Waffenverbots verboten ist, nämlich
(I) zwei Kampfmesser seit 2012
(II) einen Teleskopschlagstock seit 2015 sowie
(III) einen Wurfstern seit 1996.
Rechtliche Beurteilung
[3]Die gegen Schuldspruch zu A aus § 345 Abs 1 Z 10a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.
[4]Die prozessordnungskonforme Ausführung des Nichtigkeitsgrundes nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO setzt voraus, dass jene Beweismittel deutlich und bestimmt bezeichnet werden, welche erhebliche Bedenken gegen die im Wahrspruch festgestellten Tatsachen begründen würden (RISJustiz RS0117446, RS0099711). Diesen Anforderungen wird die Rüge, soweit sie pauschal auf „den Inhalt des durchgeführten Beweisverfahrens“ verweist, nicht gerecht.
[5] Indem sie weiters der Sache nach die Verantwortung des Angeklagten als glaubhaft beurteilt und ausgehend von dieser Prämisse erhebliche Bedenken gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptet, bekämpft sie unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter (vgl RISJustiz RS0119583).
[6]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 iVm § 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i iVm § 344 StPO).
[7]Dieses wird zu beachten haben, dass dem Schuldspruch zu (B) in mehrfacher Hinsicht nicht geltend gemachte Nichtigkeit (§ 345 Abs 1 Z 12 StPO) anhaftet:
[8]§ 50 Abs 1 Z 3 WaffG zielt auf die Gesamtmenge der von einer Person im Tatzeitraum unbefugt besessenen Gegenstände ab. Demnach ist dem Erstgericht auf Basis des Urteilssachverhalts durch die Annahme mehrerer Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (zu B des Schuldspruchs) ein Rechtsfehler unterlaufen.
[9] Zudem liegt zu B/II des Schuldspruchs ein Rechtsfehler mangels Feststellungen vor, weil ohne Konstatierungen zu Materialbeschaffenheit, Gewicht, Funktion und Wirkungsweise nicht (rechtlich) beurteilt werden kann, ob der Teleskopschlagstock eineverbotene Waffe iSd § 17 Abs 1 Z 6 WaffGdarstellt (RIS-Justiz RS0133245; vgl zum Vorliegen echter Idealkonkurrenz von Z 2 und Z 3 je des § 50 Abs 1 WaffG RISJustiz RS0129796) .
[10]Zu einer amtswegigen Wahrnehmung dieser Subsumtionsfehler (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) besteht kein Anlass, weil sie sich weder bei der Strafrahmenbildung (nach § 3g Abs 2 VerbotsG) noch bei der Strafbemessung (US 11) ausgewirkt haben. Angesichts der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei seiner Berufungsentscheidung an die fehlerhafte Subsumtion nicht gebunden (RISJustiz RS0118870).
[11]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.