3Ob138/25b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G* eK, *, Deutschland, vertreten durch Dr. Erik Kroker und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H* GmbH, *, vertreten durch Mag. Martin Künz und Dr. Karoline Rümmele, Rechtsanwälte in Dornbirn, und die Nebenintervenientin E* GmbH Co KG, *, vertreten durch Dr. Horst Lumper, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 31.635 EUR (2.608,28 EUR und 29.026,72 EUR), über die „außerordentliche Revision“ der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 12. Juni 2025, GZ 1 R 51/25x 68, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 6. Februar 2025, GZ 9 Cg 26/24v 59, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Abweisung von 1.304,14 EUR samt Zinsen für Entgeltfortzahlung richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
[1] Ein bei der Klägerin, einer Transportunternehmerin, beschäftigter LKW Fahrer kam auf dem Betriebsgelände der Beklagten, als er ihr Frachtgut zustellte, auf einer Eisplatte zu Sturz und verletzte sich dabei.
[2] Die Klägerin begehrte insgesamt 31.635 EUR sA. Zum einen habe sie dem Verunfallten 2.608,28 EUR an Lohn fortzuzahlen gehabt. Dadurch sei es zu einer bloßen Verlagerung des Schadens gekommen, der Ersatzanspruch des Geschädigten sei auf sie übergegangen. Zum anderen habe sie für einen über 104 Tage notwendigen Ersatzfahrer 20.800 EUR, für den LKW-Rücktransport 200 EUR und an pauschalierten Kosten 70 EUR aufgewendet sowie – bis es ihr gelungen sei, einen Ersatzfahrer zu organisieren – einen Umsatzentgang von 7.956,72 EUR erlitten.
[3] Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage.
[4] Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des halben eingeklagten Betrags.
[5] Das Berufungsgericht änderte das Urteil dahin ab, dass es der Klägerin nur den halben unter der Bezeichnung „Regress Entgeltfortzahlung“ begehrten Betrag (1.304,14 EUR) samt Zinsen zusprach und das Mehrbegehren (30.330,86 EUR) samt Zinsen abwies. Die ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig.
[6] Gegen dieses Urteil erhob die Klägerin ein als „außerordentliche Revision“ bezeichnetes Rechtsmittel, das das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vorlegte.
Rechtliche Beurteilung
[7] Die Revision ist hinsichtlich des für Entgeltfortzahlung begehrten Betrags jedenfalls unzulässig, im Übrigen entspricht die Aktenvorlage nicht der Rechtslage.
Zu I.:
[8] 1. Die Klägerin hat sowohl eigene Schadenersatzansprüche als auch den aufgrund ihrer Lohnfortzahlungsverpflichtung auf sie durch Legalzession übergegangenen Anspruch des verletzten LKW Fahrers auf Verdienstentgang geltend gemacht.
[9]2. Durch eine Legalzession ändert sich der Schuldinhalt nicht. Insbesondere kommt es dadurch zu keiner Änderung für die Belange des Zivilprozesses. Dies gilt auch für die Frage der Zusammenrechnung eigener Ansprüche einerseits und im Wege der Legalzession übergegangener Forderungen andererseits. Die prozessuale Lage ist insofern nicht anders als bei Geltendmachung dieser Forderungen durch die ursprünglich Berechtigten als Streitgenossen (2 Ob 130/20m [Rz 14] mwN ).
[10]3. Nach ständiger Rechtsprechung bilden mehrere aus einem Unfall Geschädigte keine materielle, sondern nur eine formelle Streitgenossenschaft (RS0110982). Eine Zusammenrechnung nach § 55 JN findet daher in diesen Fällen unabhängig davon nicht statt, ob die Geschädigten ihre Ansprüche selbst verfolgen oder einem Dritten abgetreten haben (RS0110982 [T2]). Dies gilt auch im Fall eines Forderungsübergangs durch Legalzession (RS0042727 [T4]) und auch für vertragliche Schadenersatzansprüche (vgl 2 Ob 55/20g; RS0110982 [T9]).
[11]4. Diese Grundsätze gelten auch hier. Die Klägerin und ihr verletzter Dienstnehmer wären bei Verfolgung ihres jeweils eigenen Schadens nur formelle Streitgenossen gewesen. Damit hat – wie bereits für einem vergleichbaren Sachverhalt zu 2 Ob 130/20m erkannt wurde – eine Zusammenrechnung ihrer Ansprüche zu unterbleiben.
[12] 5. Der Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts hinsichtlich des auf die Klägerin übergegangenen Schadenersatzanspruchs ( Lohnfortzahlung) beträgt 2.608,28 EUR und übersteigt somit nicht den Betrag von 5.000 EUR, sodass insofern die Revisiongemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig und daher zurückzuweisen ist.
Zu II.:
[13]Der Entscheidungsgegenstand der übrigen Begehren der Klägerin für ihre eigenen Schadenersatzansprüche übersteigt insgesamt (§ 55 JN) zwar5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR. In einem solchen Fall ist eine Revision aber nur zulässig, wenn das Berufungsgericht die ordentliche Revision von vornherein für zulässig erklärt oder aber seinen ursprünglichen gegenteiligen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision nachträglich abändert (§ 508 Abs 3 ZPO).
[14]Die fehlende oder unrichtige Bezeichnung eines Rechtsmittels hindert dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise nicht (RS0036258). Ob der vorliegende Rechtsmittelschriftsatz als Antrag an das Berufungsgericht im Sinne des § 508 Abs 1 ZPO zu qualifizieren oder einem Verbesserungsverfahren zu unterziehen ist, bleibt der Beurteilung des Erstgerichts vorbehalten (RS0109623 [T5]). Im ersten Fall wird es den Schriftsatz dem Berufungsgericht vorzulegen und im zweiten Fall ein Verbesserungsverfahren einzuleiten haben (1 Ob 143/18p).