9ObA16/25f – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. WallnerFriedl (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Reisinger, Rechtsanwalt in Mureck, wider die beklagte Partei S*, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 27.600 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Februar 2025, GZ 9 Ra 6/25f-15, mit dem der Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 6. Dezember 2024, GZ 2 Nc 32/24w-9, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidung des Rekursgerichts wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Rekursgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Im Verfahren * des Arbeits- und Sozialgerichts Wien zeigte die Vorsitzende in der vorbereitenden Tagsatzung nach Verlesung des bisherigen Akteninhalts und dem Führen eines Vergleichsgesprächs und nach Bekanntgabe des Klagevertreters, dass auf einen Zeugen, der der Lebensgefährte ihrer Kollegin sei, nicht verzichtet werden könne, ihre Befangenheit an.
[2] Das Erstgericht sprach mit Beschluss aus, dass die gegenständliche Rechtssache der Vorsitzenden abgenommen und dem Leiter einer anderen Gerichtsabteilung zur weiteren Bearbeitung übertragen werde.
[3]Das Rekursgericht wies den Rekurs des Klägers gegen diesen Beschluss zurück. Nach § 24 Abs 2 JN finde gegen die Stattgebung der Ablehnung kein Rechtsmittel statt. Gegen Entscheidungen, die dem Ablehnungsantrag stattgeben, sei daher jedes Rechtsmittel ausgeschlossen. Der Rekurs sei daher absolut unzulässig und ohne inhaltliche Überprüfung zurückzuweisen. Der Rechtszug an den Obersten Gerichtshof stehe zwar ausnahmsweise offen, weil das Rekursgericht eine meritorische Behandlung des Rekurses aus verfahrensrechtlichen Gründen ablehne, der Revisionsrekurs sei aber mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[4] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung, dass seinem Rekurs gegen den Beschluss des Arbeits und Sozialgerichts Wien stattgegeben werde; in eventu die Aufhebung der Vorentscheidungen und Verweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste oder zweite Instanz.
[5] Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde freigestellt, aber nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
[6] Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.
[7] Der Revisionsrekurs richtet sich, so wie schon der Rekurs, inhaltlich nur gegen das Fehlen des Ausspruchs über die Aufhebung nichtiger Prozesshandlungen. Der Ausspruch über die Befangenheit der Vorsitzenden wird nicht bekämpft.
[8]1.1. In Ablehnungssachen ist gegen Entscheidungen der zweiten Instanz ein weiteres Rechtsmittel grundsätzlich ausgeschlossen, legt doch die Rechtsprechung die Regelung des § 24 Abs 2 JN als abschließende Sonderregelung über die Rechtsmittelzulässigkeit im Ablehnungsverfahren aus ( RS0074402 ; 5 Ob 162/21s mwN).
[9]1.2. Die Rechtsmittelbeschränkungen des § 24 Abs 2 JN betreffen aber nur die Entscheidung über die Ablehnung selbst, nicht jedoch eine allenfalls erforderliche Nichtigerklärung des Verfahrens im Sinn des § 25 2. Satz JN. Insoweit daher die erforderliche Nichtigerklärung des Verfahrens nicht oder nur teilweise erfolgt, ist auch die Entscheidung der zweiten Instanz anfechtbar, wobei freilich die Grenzen des § 528 Abs 1 ZPO zu beachten sind (RS0107874; RS0046014; 9 ObA 37/04p).
[10]1.3. Es kommt bei Nichtigkeiten – anders als bei „schlichten“ Verfahrensmängeln – nicht auf deren Relevanz an, sodass ein Ausspruch nach § 25 2. Satz JN zwingend ist ( RS0046014 [T2]).
[11] 1.4. Die Entscheidung über die Ablehnung eines Richters und die Aufhebung der vom befangenen Richter vorgenommenen Prozesshandlungen als nichtig bildet dabei nicht nur insoweit eine Einheit, als darüber grundsätzlich in einem Beschluss zu entscheiden ist, sondern auch insoweit, als sich beide Aussprüche in ihrem zeitlichen Wirkungsbereich decken müssen ( 5 Ob 162/21s Rz 13; RS0109586). Die Befangenheit der abgelehnten Richterin muss nicht zwingend bis zu ihrer erstmaligen Befassung mit der Rechtssache zurückreichen (RS0109586).
[12] 2. Wie der Revisionsrekurs richtig aufzeigt, unterblieb eine Behandlung der Frage der Nichtigerklärung trotz entsprechender Bemängelung durch den Kläger bereits in seinem Rekurs. Die Entscheidung darüber, ob und wenn ja welche Prozesshandlungen und Verfahrensteile als nichtig aufzuheben sind, wird das Rekursgericht nachzuholen haben.
[13] 3. Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben, die Entscheidung des Rekursgerichts aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.
[14]4. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.