JudikaturOGH

7Ob58/25t – OGH Entscheidung

Entscheidung
AGB-Recht
07. August 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch die Leissner Kovaricek Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Jänner 2025, GZ 3 R 3/25v 18, womit das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 18. November 2024, GZ 6 Cg 51/24t 12, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.639,40 EUR (darin enthalten 439,90 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]Der Kläger ist ein zur Verbandsklage nach § 29 Abs 1 KSchG berechtigter Verband.

[2] Die Beklagte betreibt das Versicherungsgeschäft und schließt als Unternehmerin regelmäßig mit Verbrauchern Kranken versicherungsverträge ab. Diesen Vertragsabschlüssen legt die Beklagte die Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Krankenkosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB 2005 – Fassung 01/2024) (in der Folge AVB 2005) als Allgemeine Geschäftsbedingungen zugrunde.

[3] § 1 AVB 2005 lautet auszugsweise:

Gegenstand und Geltungsbereich des Versicherungsschutzes

[...]

2.1. Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten (Mitversicherten) wegen Krankheit und Unfallsfolgen. [...]

[...]

2.4. Als Versicherungsfall gelten nicht:

- kosmetische Behandlungen und Operationen und deren Folgen, soweit diese Maßnahmen nicht der Beseitigung von Unfallsfolgen dienen sowie Geschlechtsumwandlungen;

- Zahnimplantationen sowie die damit im ursächlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen und Folgen, soweit diese nicht der Beseitigung von Unfallsfolgen dienen;

- nicht ärztliche Hauspflege sowie Maßnahmen der Geriatrie, der Rehabilitation [...] und der Heilpädagogik;

- alle Formen der künstlichen Befruchtung [...] sowie die damit im ursächlichen Zusammenhang stehenden Maßnahmen und Folgen.

[4] Der Kläger begehrt, die Beklagte sei schuldig, die Verwendung von § 1.2.4. erster Spiegelstrich zweiter Fall AVB 2005 (Ausschluss von Geschlechtsumwandlungen) oder von sinngleichen Klauseln zu unterlassen sowie sich darauf zu berufen. Darüber hinaus begehrt er, ihm möge die Ermächtigung zur V eröffentlichung des klagestattgebenden Urteils erteilt werden. Die Klausel verstoße gegen § 1c VersVG, der verfassungskonform dahin zu interpretieren sei, dass eine Diskriminierung zwischen sämtlichen Geschlechtern verboten sei.

[5] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Die Klausel sei weder rechtswidrig noch verstoße sie gegen die guten Sitten. Der Risikoausschluss betreffe jeden Versicherungsnehmer unabhängig vom Geschlecht. Dass ausschließlich transidente Personen geschlechtsangleichende Behandlungen benötigen würden, begründe keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.§ 1c VersVG sei lediglich auf ab dem 21. Dezember 2012 geschlossene Verträge anzuwenden, weshalb das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst sei.

[6] Das Erstgerichtwies das Klagebegehren ab. Es liege kein Verstoß gegen § 1c VersVG vor, weil der Risikoausschluss für jeden Versicherungsnehmer unabhängig vom Geschlecht gelte. Es liege weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung vor.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte die Entscheidung im Sinn einer Klagestattgebung ab. Die Klausel schließe Geschlechtsumwandlungen generell als Versicherungsfall aus, auch wenn sie medizinisch notwendig seien . Vordergründig schließe sie zwar jeden Versicherungsnehmer von der Versicherungsleistung aus. Tatsächlich bedeute sie jedoch eine geschlechtliche Diskriminierung von transidenten Personen. (Nur) Diese würden von einer medizinisch notwendigen Geschlechtsumwandlung (Geschlechtsanpassung) ausgeschlossen, stelle sich doch eine solche bei Personen, deren Geschlechtsidentität mit dem ihnen bei ihrer Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimme, nicht. Die Klausel verstoßedaher gegen § 1c VersVG, der nicht nur eine Diskriminierung zwischen den Geschlechtern Mann und Frau verbiete.

[8] Die Revision sei zulässig, weil d ie fragliche Klausel vom Obersten Gerichtshof bislang noch nicht beurteilt worden sei .

[9] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[10] In der Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

[11] Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Intersexualität und Transgender

[12] 1.1. Der Begriff Intersexualität bezeichnet eine Variante der Geschlechtsentwicklung, die, weil die geschlechtsdifferenzierenden Merkmale durch eine atypische Entwicklung des chromosomalen, anatomischen oder hormonellen Geschlechts gekennzeichnet sind, die Einordnung eines Menschen als männlich oder weiblich nicht eindeutig zulässt. Sie liegt somit vor, wenn ein Mensch den äußeren Merkmalen nach weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht eindeutig zuordenbar ist (VfGH G 77/2018 ; Wehringer, Begriffe zum Thema Transidentität, DAG 2023/ 39 , 5; BVerfG NJW 2017, 3643 ; Horcher in BeckOKBGB 73 § 1 AGG Rn 25 ).

[13] 1.2. Der Begriff Transgender (verwendet werden auch die Begriffe Transidentität, Transsexualität, Gender-Dysphorie oder Gender-Inkongruenz) bezeichnet Personen, die genetisch und/oder anatomisch bzw hormonell einem Geschlecht (männlich/weiblich) zugewiesen sind, sich in diesem Geschlecht aber falsch oder unzureichend beschrieben fühlen oder jede Form der Geschlechtszuordnung und Kategorisierung ablehnen (VfGH G 77/2018 ; 10 ObS 2303/96s; VwGH Ro 2023/01/0008 ; EGMR BswNr 9532/81 , Rees/VK ; EuGH ECLI:EU:C:1996:170, C 13/94 , P/S ). Er wird somit für Menschen verwendet, für die herkömmliche Geschlechtergrenzen nicht passen. Dazu gehören Personen, die sich einem temporären oder permanenten Geschlechterwechsel innerhalb des binären Modells unterziehen, aber auch Personen, die sich in beiden Geschlechtern des binären Modells oder außerhalb des binären Modells („drittes Geschlecht“) identifizieren oder die Kategorie „Geschlecht“ als Identifikationskriterium ablehnen. Der Begriff transident wird insbesondere für Menschen im „falschen“ anatomischen Geschlecht verwendet ( Wehringer, DAG 2023/ 39 , 5; ähnlich Pschyrembel Online [Stand Oktober 2022]; vgl auch Horcher in BeckOKBGB 73§ 1 AGG Rn 26).

2. Krankheit

[14]2.1. Gemäß § 178b VersVG ist bei der Krankheitskostenversicherung der Versicherer verpflichtet, die Aufwendungen für die medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit und Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen einschließlich medizinischer Betreuung und Behandlung bei Schwangerschaft und Entbindung im vereinbarten Umfang zu ersetzen. In diesem Sinn definiert § 1.2.1. AVB 2005 den Versicherungsfall als medizinisch notwendige Heilbehandlung des Versicherten (Mitversicherten) wegen Krankheit und Unfallfolgen.

[15] 2.2. Eine Krankheit ist ein abnormer (regelwidriger) Körper- oder Gesundheitszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf ( 7 Ob 3/24b ; 7 Ob 78/24g ; ähnlich Zoppel in Fenyves/Perner/Riedler[2020] § 178b VersVG Rz 5; Voit in Prölss/Martin, VVG 32 § 192 VVG Rn 20 ).

[16] Transgender zu sein ist keine Krankheit (idS auch BVerfG NJW 2018, 222 ). Auch Intersexualität ist kein Ausdruck einer krankhaften Entwicklung (vgl VfGH G 77/2018 ). Krankheitswertig kann aber ein (möglicherweise) damit verbundener klinisch-relevanter Leidensdruck sein. Transsexualität kommt nach der Rechtsprechung daher etwa dann Krankheitswert zu, wenn die innere Spannung zwischen dem körperlichen Geschlecht und der seelischen Identifizierung mit dem anderen Geschlecht so ausgeprägt ist, dass nur durch die Beseitigung dieser Spannung schwere Symptome psychischer Krankheiten behoben oder gelindert werden ( RS0085164 ; 10 ObS 2303/96s; Voit in Prölss/Martin, VVG 32 § 192 VVG Rn 35; vgl auch BSG B 1 KR 16/22R = NZS 2024, 782 ).

3. Risikoausschluss für Geschlechtsumwandlungen

[17]3.1. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; vgl RS0080068).

[18] 3.2. § 1.2.4. erster Spiegelstrich AVB 2005 nimmt (unter anderem) Geschlechtsumwandlungen vom Versicherungsschutz aus. Unter Geschlechtsumwandlung versteht der durchschnittliche Versicherungsnehmer im gegebenen Zusammenhang die Annäherung oder Angleichung des physischen Erscheinungsbildes einer Person an das Identitätsgeschlecht mithilfe von Operationen, Hormonbehandlungen und sonstigen medizinischen Maßnahmen (vgl 10 ObS 2303/96s).

[19]§ 1.2.4. erster Spiegelstrich zweiter Fall AVB 2005 normiert einen Risikoausschluss, weil der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz begrenzt und ein bestimmtes Risiko, das von der primären Risikoumschreibung erfasst ist, ausschließt: Er nimmt nämlich – jedenfalls bei der hier gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (RS0016590) – an versicherten Personen vorgenommene Geschlechtsumwandlungen generell, also auch bei Vorliegen von Krankheitswert und medizinischer Behandlungsnotwendigkeit, vom Versicherungsschutz aus.

4. Diskriminierungsverbot

[20]4.1. Nach § 1c VersVG darf der Faktor Geschlecht – vorbehaltlich des § 93 Abs 7 VAG – nicht zu unterschiedlichen Prämien oder Leistungen für Frauen und Männer führen.

[21]§ 1c VersVG – wie auch § 91 Abs 2 VAG (vormals § 9 Abs 2 VAG idF BGBl I Nr 34/2015) – setzen die durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH ECLI:EU:C:2011:100, C 236/09 , Test-Achats ) modifizierte Richtlinie 2004/113/EG (Unisex-RL) um. Danach darf der Versicherer bei Verträgen, die seit dem 21. Dezember 2012 abgeschlossen wurden, keine verschiedenen Prämien und Leistungen für Männer und Frauen vereinbaren ( 7 Ob 37/20x ).

[22]Das Verbot der Geschlechterdiskriminierung in § 1c VersVG ist umfassend und absolut. Es dürfen keine geschlechtsspezifischen Obliegenheiten, Risikoausschlüsse oder Wartefristen vereinbart werden ( Perner in Fenyves/Perner/Riedler[2020] § 1c VersVG Rz 6 ).

[23]Die Bestimmung ist zugunsten des Versicherungsnehmers zwingend (§ 15a Abs 1 VersVG).

[24]4.2. Der Wortlaut des § 1c VersVG spricht einerseits vom Faktor „Geschlecht“, andererseits bezieht er sich aber ausdrücklich nur auf Männer und Frauen.

[25] Art 5 Abs 1 Unisex-RL ist hingegen neutraler formuliert. Danach haben die Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen, dass die Berücksichtigung des Faktors Geschlecht bei der Berechnung von Prämien und Leistungen im Bereich des Versicherungswesens und verwandter Finanzdienstleistungen nicht zu unterschiedlichen Prämien und Leistungen führt. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist Transsexualität dem Begriff „Geschlecht“ zuzuordnen (vgl EuGH ECLI:EU:C:1996:170, C 13/94 , P/S ).

[26]Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs umfasst das von Art 8 EMRK geschützte Recht auf Privat- und Familienleben auch die geschlechtliche Identität und Selbstbestimmung. Es räumt daher Personen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung gegenüber männlich oder weiblich das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht ein, dass auf das Geschlecht abstellende Regelungen ihre Variante der Geschlechtsentwicklung als eigenständige geschlechtliche Identität anerkennen (VfGH G 77/2018 ; vgl auch EGMR BswNr 35968/97 , Van Kück/Deutschland). Art 8 EMRK schützt somit nicht nur Männer vor Diskriminierungen wegen ihres männlichen Geschlechts und Frauen vor Diskriminierungen wegen ihres weiblichen Geschlechts. Vielmehr schützt er auch Menschen, die sich keiner dieser beiden Kategorien in ihrer geschlechtlichen Identität zuordnen, vor Diskriminierungen wegen dieses weder allein männlichen noch allein weiblichen Geschlechts.

[27]Dies muss auch für das Diskriminierungsverbot des § 1c VersVG gelten. Die Bestimmung ist daher unter Beachtung unionsrechtlicher und grundrechtlicher Vorgaben (analog) auf transgender und intersexuelle Personen anzuwenden und schützt diese vor Diskriminierungen wegen ihres weder allein männlichen noch allein weiblichen Geschlechts.

[28]4.3. Das Verbot der Geschlechterdiskriminierung wurde für Sachverhalte außerhalb der Arbeitswelt in den §§ 30 ff GlBG umgesetzt. Die Bestimmungen des GlBG wurden nach § 30 Abs 4 GlBG durch das VersVG und das VAG verdrängt, soweit diese besondere Regelungen enthielten. Dies war ursprünglich als Verweis auf die Ausnahmebestimmung (§ 9 Abs 2 bis 4 VAG vor dem VersRÄG 2013) gedacht, wonach noch Geschlechtertarife zulässig waren. Nunmehr sind sie nicht mehr zulässig, insofern existieren keine besonderen Vorschriften im VersVG und VAG mehr. Damit ist der Weg für eine Anwendung der Vorschriften des GlBG möglich, die die mittelbare Diskriminierung regeln ( 7 Ob 37/20x ).

[29]Gemäß § 32 Abs 1 GlBG liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person (ua) aufgrund des Geschlechts in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Diskriminierung nach § 32 Abs 2 GlBG liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen, die einem Geschlecht angehören, in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen oder erforderlich.

[30] 4.4. § 1.2.4. erster Spiegelstrich zweiter Fall AVB 2005 ist neutral formuliert, sodass keine unmittelbare Diskriminierung vorliegt. Eine mittelbare Diskriminierung setzt voraus, dass diese neutral formulierte Regelung eine Person, die einem Geschlecht angehört, gegenüber Personen des anderen Geschlechts in besonderer Weise benachteiligen kann (vgl dazu auch Perner , Privatversicherungsrecht 2 Rz 1.48 ). Dies ist hier der Fall:

[31]Die Klausel nimmt an versicherten Personen vorgenommene Geschlechtsumwandlungen generell, also auch bei Vorliegen von Krankheitswert und medizinischer Behandlungsnotwendigkeit, vom Versicherungsschutz aus. Vordergründig schließt sie jeden Versicherten von der Versicherungsleistung aus. In Wahrheit bedeutet sie jedoch eine geschlechtliche Diskriminierung von intersexuellen und transgender Personen, weil eine Geschlechtsumwandlung nur bei dieser (dritten) Personengruppe infrage kommt. Bei Personen, deren äußere Geschlechtsmerkmale dem weiblichen oder dem männlichen Geschlecht eindeutig zuordenbar sind und bei denen die Geschlechtsidentität mit dem ihnen bei der Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimmt, kann der Versicherungsfall Geschlechtsumwandlung nämlich nicht zum Tragen kommen. Das Kernargument der Beklagten, der Ausschluss betreffe sowohl Umwandlungen von Mann zu Frau als auch von Frau zu Mann und behandle daher alle Versicherten gleich, ist nicht zutreffend. Vielmehr diskriminiert die inkriminierte Klausel transgender und intersexuelle Personen wegen ihres weder allein männlichen noch allein weiblichen Geschlechts, weil sie dieser Personengruppe die Möglichkeit nimmt, eine medizinisch notwendige Geschlechtsumwandlung mit Kostendeckung der Beklagten durchzuführen. Die Klausel verstößt daher gegen § 1c VersVG in Verbindung mit § 32 Abs 2 GlBG.

[32] 4.5. Dass die Klausel als mittelbare Diskriminierung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sei und das Mittel (Risikoausschluss) zur Erreichung dieses Ziels angemessen oder erforderlich sei, hat die Beklagte in erster Instanz nicht behauptet. Auch in der Revision führt sie kein Argument für die sachliche Rechtfertigung der Klausel im Sinn des § 32 Abs 2 GlBG an; eine solche ist auch nicht offenkundig.

[33] 4.6. Die inkriminierte Klausel ist daher wegen des Verstoßes gegen ein gesetzliches Gebot unwirksam.

5. Unterlassungsbegehren

[34]Die Beklagte argumentiert, die vom Kläger gewünschte Unterlassung gehe zu weit, weil damit undifferenziert auch die Unterlassung der Anwendung der Klausel für vor dem 21. Dezember 2012 (Inkrafttreten von § 1c VersVG) abgeschlossene Verträge begehrt werde. Da sich die Revision mit dem Argument des Berufungsgerichts, eine derartige Einschränkung sei im Verbandsprozess nicht vorzunehmen, mit keinem Wort auseinandersetzt, ist sie diesbezüglich nicht gesetzlich ausgeführt ( RS0043312 [T13]). Im Übrigen sind die Ausführungen der Revision auch insoweit verfehlt, als sich ihre Argumentation allein auf die Unterlassungsverpflichtung bezieht und diese ohnehin nur die Einbeziehung der inkriminierten Klausel in künftige Verträge betrifft (vgl ErlRV 311 BlgNR 20. GP 31). Schließlich wäre im vorliegenden Fall ein Beharren der Beklagten auf der inkriminierten Klausel in vor dem 21. Dezember 2012 geschlossenen Verträgen (vgl § 191c Abs 13 VersVG) ohnehin sittenwidrig (vgl RS0016740 ; insb 6 Ob 55/18h zu einer weibliche Personen diskriminierenden Regelung in einem Gesellschaftsvertrag aus dem Jahr 1963).

6. Ergebnis und Kosten

[35] 6.1. Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

[36]6.2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.