JudikaturOGH

1Ob81/25f – OGH Entscheidung

Entscheidung
31. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin M*, vertreten durch Mag. Anton Becker, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Mag. B*, vertreten durch die Stefan Prochaska Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 19. Februar 2025, GZ 42 R 334/24i 75, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten für die Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin wird abgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die im Jahr 1997 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil des Erstgerichts vom 30. 9. 2019 geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 31. 12. 2015 aufgehoben.

[2] Der Mann verkaufte in den Jahren 2010 und 2011 seine Anteile an einem 2002 von ihm mitgegründeten Unternehmen. Den Verkaufserlös überwies er auf ein Konto bei der E*Bank *. Von dort veranlagte er einen Teil weiter, und zwar insbesondere auf zwei Wertpapierdepots sowie ein Girokonto. Für den Mann war dieses Geld immer unternehmerisch gewidmet, weil er seit dem Verkauf seiner Unternehmensanteile wieder im Startup Bereich tätig sein und daher den Großteil des Verkaufserlöses in andere Unternehmen investieren wollte. Da er noch bis 31. 12. 2015 bei seinem alten Unternehmen angestellt war, fing er nur in kleinem Rahmen an, als sogenannter „Business Angel“ in Unternehmen zu investieren. Im Jahr 2011 beteiligte er sich mit 50.000 EUR aus dem Verkaufserlös als stiller Gesellschafter an der R* GmbH, bei der er nicht in die operativen Geschäfte involviert war und keine Mitspracherechte hatte, dem Gründer allerdings mit Rat und Tat zur Seite stand. Erst am 2. 7. 2015 gründete er für seine Tätigkeit als „Business Angel“ die B* GmbH, deren Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter er ist.

[3] Der Mann wendet sich gegen die Höhe der der Frau zugesprochenen Ausgleichszahlung von 2.000.000 EUR, weil entgegen der Ansicht der Vorinstanzen das Konto bei der E*Bank * mit 367.949,23 EUR, das Wertpapierdepot bei der U* Bank * mit 239.819,50 EUR, das Girokonto bei der R*bank * mit 136.369,92 EUR, das Wertpapierdepot bei der L* Bank * mit 1.500.000 EUR und die Anteile an der R* GmbH mit 180.583,17 EUR nicht der Aufteilung unterlägen.

[4] Mit seinem – eine Ausgleichszahlung von lediglich 790.000 EUR anstrebenden – außerordentlichen Revisionsrekurszeigt er allerdings keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Rechtliche Beurteilung

[5]1. Nach der (bereits von den Vorinstanzen zitierten) Rechtsprechung zählt der Erlös aus der Veräußerung eines Unternehmens oder von Unternehmensanteilen – sofern er nicht zur Anschaffung eines neuen Unternehmens verwendet oder in ein anderes Unternehmen investiert wird – zur Aufteilungsmasse (RS0057567; 2 Ob 143/07d [Pkt 1.]). Anderes gilt, wenn die Veräußerung erst nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgte (7 Ob 102/09i) oder das Unternehmen bereits in die Ehe eingebracht wurde und sich sein Wert in diesem Zeitraum nicht wesentlich erhöhte (1 Ob 262/15h [Pkt 2.5.3.]; 1 Ob 147/18a [Pkt 4.2. mwN]). Im letztgenannten Fall verlangt die Rechtsprechung eine klare Umwidmung in eheliche Ersparnisse, damit der Veräußerungserlös doch der Aufteilung unterliegt (1 Ob 262/15h [Pkt 2.5.4.]). Derartiges liegt hier nicht vor. Das Unternehmen wurde vom Mann während aufrechter Ehegemeinschaft mitgegründet. Auf die Frage der Beweislast für eine Umwidmung kommt es daher nicht an.

[6] 2. Die Argumentation des Rechtsmittelwerbers, die Widmung für die (Re )Investition in andere (neue) Unternehmen würde den Erlös aus dem Verkauf des Unternehmens für das Aufteilungsverfahren „immunisieren“, übergeht die Beurteilung des Rekursgerichts, dass eine konkrete unternehmerische Widmung gerade nicht nachgewiesen wurde. Nach den Feststellungen konnten die auf den Konten und Wertpapierdepots „geparkten“ Gelder zum Aufteilungsstichtag (wirtschaftlich) noch keinem bestimmten Unternehmen zugeordnet werden; vielmehr wollte der Mann den Veräußerungserlös ganz allgemein in ein Unternehmen oder in ein (von ihm selbst als reine Wertanlage qualifiziertes) Bauherrenmodell investieren, wobei er sich bis Ende 2015 tatsächlich auch an diversen Bauherrenmodellen beteiligte. Nach Ansicht des Rekursgerichts können daher die Feststellungen, dass die Gelder auf den Konten und Depots für den Mann unternehmerisch gewidmet waren, nur so verstanden werden, dass er zwar Investitionen in „Unternehmen“ ins Auge gefasst, aber noch nicht festgelegt hatte, ob diese dann reine Wertanlagen oder unternehmerische Beteiligungen sein sollten.

[7]3. Die Auslegung der in einer gerichtlichen Entscheidung enthaltenen Feststellungen ist jeweils einzelfallbezogen und bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RS0118891 [T4]). Nur wenn die Auslegung der erstrichterlichen Feststellungen durch die zweite Instanz eine unvertretbare Fehlbeurteilung darstellt, ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs zur Korrektur zulässig (RS0118891 [T5]). Eine solche zeigt der Revisionsrekurswerber aber schon deshalb nicht auf, weil er sich mit der Auslegung der Feststellungen durch das Rekursgericht nicht weiter auseinandersetzt, sondern sich auf den Vorwurf beschränkt, es sei von den Feststellungen abgewichen.

[8] Es ist daher nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen den auf den zwei Wertpapierdepots sowie den zwei Konten veranlagten Veräußerungserlös mangels konkreten Unternehmensbezugs in die Aufteilung einbezogen haben.

[9]4. Nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG unterliegen Sachen nicht der Aufteilung, die zu einem Unternehmen gehören, und nach § 82 Abs 1 Z 4 EheG unterliegen Anteile an einem Unternehmen nicht der Aufteilung, außer es handelt sich um eine bloße Wertanlage. Einer Unternehmensbeteiligung kommt dann Wertanlagecharakter zu, wenn mit ihr keine Mitwirkung an der Unternehmensführung oder sonst ein maßgeblicher Einfluss auf das Unternehmen verbunden ist (RS0058277), wofür die bloße rechtliche Möglichkeit eines solchen Einflusses ausreicht (RS0058277 [T3]). Die Beurteilung, ob ein Unternehmensanteil der Aufteilung unterliegt, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab, zu denen auch die Rechtsform der Gesellschaft, die Art der Beteiligung und der konkrete Gesellschaftsvertrag zählen (RS0058277 [T5]).

[10]5. Der Auffassung der Vorinstanzen, die einmalige Investition von 50.000 EUR in die R* GmbH als stiller Gesellschafter im Jahr 2011 sei mangels Involvierung in das operative Geschäft und mangels Mitspracherechten eine bloße Wertanlage, hält der Mann entgegen, das Halten von Unternehmensanteilen sei gerade der Unternehmenszweck eines „Business Angels“, der sich finanziell an Unternehmen beteilige und die Gründer mit Knowhow und Kontakten in der frühen Phase unterstütze. Dabei blendet er allerdings aus, dass die Vorinstanzen eine unternehmerische Tätigkeit seinerseits vor Gründung der B* GmbH 2015 verneinten, weil damals (noch) keine mit einer organisierten Arbeit verbundene Tätigkeit vorgelegen habe. Dem setzt er daher nichts Stichhältiges entgegen (vgl RS0043605). Vor allem zeigt er nicht auf, inwieweit seine Tätigkeit als „Business Angel“ vor 2015 den in der Entscheidung 1 Ob 112/18d (Pkt 4.4.6.) dargelegten (auch auf das Halten von Unternehmensanteilen umlegbaren) Kriterien entsprochen hätte, wann (ausnahmsweise) eine während der Ehe erwirtschaftete eheliche Errungenschaft deshalb von der Aufteilung ausgenommen sein soll, weil ein im Sinn des § 82 Abs 1 Z 3 EheG schutzwürdiges Unternehmen betrieben wird. So ist in keiner Weise ersichtlich, dass bereits vor 2015 die Beteiligung an Unternehmen Teil seines aktiven Erwerbslebens gewesen wäre und eine eigenständige Organisation eingerichtet gewesen wäre, unter deren „Dach“ das Halten von Unternehmensanteilen betrieben worden wäre.

[11]6. Wenn der Oberste Gerichtshof der Revisionsrekursgegnerin die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung nicht freigestellt hat, ist eine dennoch erstattete Revisionsrekursbeantwortung nicht im Sinn des § 78 Abs 1 AußStrG zur Rechtsverfolgung notwendig. Der Antrag auf Kostenzuspruch für solche Revisionsrekursbeantwortungen ist daher abzuweisen (RS0121741).