1Ob89/25g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T*, vertreten durch die Grasch + Krachler Rechtsanwälte OG in Leibnitz, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Mag. Fabian Wagner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24. März 2025, GZ 2 R 44/25t 23, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Mit der angefochtenen Entscheidung schied das Berufungsgericht die zwischen den Streitteilen 2013 geschlossene Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers.
Rechtliche Beurteilung
[2] 1. Welchem Ehepartner Eheverfehlungen zur Last fallen und welchen Teil das überwiegende Verschulden trifft, sind regelmäßig irreversible Fragen des Einzelfalls (RS0118125). Das gilt auch für die Frage, ob das Scheidungsbegehren sittlich gerechtfertigt ist (RS0057246 [insb T3]). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zeigt die Beklagte in ihrer außerordentlichen Revision, die auf eine Klageabweisung mangels ihres Verschuldens oder mangels sittlicher Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens abzielt, nicht auf.
[3] 2. Zu einer Scheidung nach § 49 EheG berechtigen nur vom beklagten Ehegatten schuldhaft begangene Verfehlungen, die zur unheilbaren Zerrüttung geführt oder zumindest dazu beigetragen haben ( Jesser-Huss in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang³ § 49 EheG Rz 3; RS0056921 [T3]). An der sittlichen Rechtfertigung des Scheidungsbegehrens mangelt es, wenn die zur Zerrüttung der Ehe beitragende schwere Eheverfehlung des beklagten Ehepartners erst durch das schuldhafte Verhalten des klagenden Teils hervorgerufen wurde oder wenn ein Zusammenhang zwischen der Verfehlung des Klägers mit dem Verhalten der Beklagten besteht und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe das Begehren von auf Scheidung wegen dieses Zusammenhangs nicht als unzulässig erkannt werden könnte oder wenn die Verfehlungen des Klägers unverhältnismäßig schwerer wiegen als die des beklagten Ehepartners (RS0057159; 1 Ob 605/94). Die Beurteilung des Scheidungsbegehrens als sittlich gerechtfertigt ist allerdings nicht schon deshalb unvertretbar, weil die vom Kläger gesetzten Eheverfehlungen bei weitem überwiegen (4 Ob 47/19v; 7 Ob 7/20k jeweils mwN).
[4] 3. Es kann keine Rede davon sein, dass das Berufungsgericht im vorliegenden Fall von diesen Grundsätzen abgewichen wäre:
[5] Nach den Feststellungen führte der Kläger seit Sommer 2023 eine ehewidrige Beziehung mit einer anderen Frau, nachdem die Beklagte ihm eine 2020 eingegangen außereheliche Beziehung verziehen hatte. Die Beklagte zeigte wiederum wenig Interesse an gemeinsamen Aktivitäten mit dem Kläger und lehnte seine Vorschläge für gemeinsame Kinobesuche oder Treffen zum Essen oftmals ab. An Körperkontakt war sie uninteressiert, was für den Kläger problematisch war. Zudem fühlte sich der Kläger, der den Haushalt einvernehmlich alleine führte, aufgrund ihrer Unordentlichkeit im Stich gelassen und es kam dadurch zu Unstimmigkeiten über die Haushaltsführung. Schließlich stellte das Erstgericht (disloziert in der Beweiswürdigung) fest, dass das Verhalten der Beklagten die Beziehung beeinträchtigte und den Kläger belastete.
[6] Ausgehend von den zitierten Feststellungen weckt die Revision an der Auffassung der Vorinstanzen, dass auch der Beklagten ein – wenngleich untergeordnetes – Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten sei, keine Bedenken. Ausdrücklich schloss das Berufungsgericht aus, dass die von der Beklagten gesetzten Eheverfehlungen unter § 49 Satz 3 EheG zu subsumieren seien. Mit seinen Ausführungen, dass das mindere Verschulden der Beklagten fast völlig in den Hintergrund trete (vgl RS0057858 [insb T8, T9, T16]) und die Beklagte nur „ein ganz geringfügiges Mitverschulden“ treffe, wollte das Berufungsgericht gerade nicht zum Ausdruck bringen, dass die Eheverfehlungen der Beklagten hinter die Eheverfehlungen des Klägers derart zurücktreten würden, sodass ihre Berücksichtigung sittlich nicht gerechtfertigt wäre (vgl RS0057344). Diese Schlussfolgerung wäre vom festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt.