Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Michael Mutz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Dr. Christian Puchner, Mag. Martin Streitmayer, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1100 Wien, Wienerbergstraße 11, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 18. Februar 2025, GZ 7 Rs 11/25d 10, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger ist freigestellter Betriebsratsvorsitzender des Landeskrankenhauses * und veranstaltet in Absprache mit der Betriebsleitung – zum Zweck der Förderung der betrieblichen Kommunikation und des Betriebsklimas – jährlich einen mehrtägigen Skiausflug nach Saalbach Hinterglemm, für den der Betriebsrat einen Zuschuss von 30 EUR pro Tag gewährt. Für diese oder wahlweise andere betriebliche Veranstaltungen stellt der Dienstgeber jedem Mitarbeiter generell einen Betriebsausflugstag sowie einen Betriebszusatztag pro Jahr zur Verfügung. Allerdings muss der Dienstbetrieb des Krankenhauses sichergestellt sein, sodass aus den verschiedenen Abteilungen nur einzelne Mitarbeiter mit Zustimmung des Abteilungsleiters teilnehmen dürfen. Die Zahl der freien Plätze orientiert sich zudem am verfügbaren Bettenkontingent des Hotels. Daher beteiligen sich nur wenige der insgesamt 1.750 Mitarbeiter des Krankenhauses am Ausflug. Durchschnittlich nehmen daran 30 Personen, darunter auch Angehörige und ehemalige Mitarbeiter, teil.
[2] Auch für die Zeit von 17. bis 20. 1. 2024 organisierte der Kläger einen solchen Skiausflug inklusive Hotelunterkunft, An- und Abreise sowie Skitickets für die 28 Teilnehmer (darunter 16 Mitarbeiter und ihre Angehörigen, jedoch keiner der drei Betriebsdirektoren). Vor Ort war er – telefonisch jederzeit erreichbare – Ansprechperson, informierte über die Hotelinfrastruktur sowie den Ablauf, etwa betreffend die Zeit für das Abendessen im Hotel, und kümmerte sich um auftretende Probleme. Den teilnehmenden Mitarbeitern fielen für den viertägigen Ausflug, abzüglich des erwähnten Zuschusses, Kosten von insgesamt 545 EUR an. Es gab kein vorgegebenes Programm; die Teilnehmer konnten den Tag grundsätzlich selbst gestalten, die meisten nützten die Zeit aber zum Skifahren in Gruppen. Die Anwesenheit beim gemeinsamen Abendessen im Hotel wurde erwartet, ohne dass ein Fernbleiben negative Konsequenzen gezeitigt hätte. Der Kläger stellte den Reiseteilnehmern zudem frei, gemeinsam zu Mittag zu essen. Dazu gab er jeden Tag einen Treffpunkt bei einer Skihütte bekannt. Anwesenden wurde ein Getränk aus der Gemeinschaftskasse spendiert.
[3] Auch am 18. 1. 2024 bot er den Teilnehmern ein gemeinsames Mittagessen um 13:00 Uhr bei einer bestimmten Skihütte an. Gegen 12:30 Uhr befuhr er als Teil einer vierköpfigen Gruppe eine schwarze Piste mit der Absicht, nach der Abfahrt den Ort zu durchqueren und auf der anderen Seite den Berg hinaufzufahren, um rechtzeitig für das Mittagessen zur Hütte zu gelangen. In einem flach auslaufenden Bereich am Ende der Piste verschnitten sich die Ski des Klägers, er verlor die Kontrolle und stürzte. Dabei zog er sich einen Schienbeinkopftrümmerbruch links mit postoperativer tiefer Venenthrombose am linken Unterschenkel und eine beginnende posttraumatische Kniegelenksabnützung links zu.
[4] Mit Bescheid vom 23. 9. 2024 anerkannte die Beklagte diesen Unfall nicht als Arbeitsunfall und lehnte die Gewährung von Leistungen aus der Unfallversicherung ab.
[5] Mit der dagegen gerichteten Klage begehrt der Kläger die Gewährung einer Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag. Für den Skiunfall bestehe Unfallversicherungsschutz, seien doch auch nicht unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängende soziale Aktivitäten der Unfallversicherung zuzurechnen. Der vom Betriebsrat für den Dienstgeber organisierte Betriebsausflug diene der Förderung des Betriebsklimas und des kollegialen Miteinanders. Überdies stehe der Kläger in diesem Zusammenhang unter dem Schutz des § 176 Abs 1 Z 1 ASVG.
[6] Die Beklagte hält dem entgegen, das freie Skifahren sei der privaten Freizeitgestaltung zuzurechnen. Die Voraussetzungen und Merkmale einer durch die Unfallversicherung geschützten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung lägen nicht vor. Da der Kläger als Betriebsratsvorsitzender und Organisator des Skiausflugs tätig gewesen sei und als Reiseleiter fungiert habe, sei zwar für bestimmte Teile der Veranstaltung Versicherungsschutz anzunehmen, nicht jedoch für Beschäftigungen im Rahmen dieser Veranstaltung, bei denen der Kläger nicht in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender bzw Organisator tätig gewesen sei.
[7] Das Erstgericht wies die Klage ab. Der freiwillige Skiausflug sei nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung zu werten, zumal die (wenigen) Teilnehmer die Reisekosten zu 80 % selbst zu tragen gehabt hätten, kein betriebliches Rahmenprogramm vorgesehen gewesen sei und die Veranstaltung in Abwesenheit der Geschäftsleitung stattgefunden habe. Zwar sei der Kläger als Reiseleiter jederzeit erreichbar gewesen. Der Unfall habe sich jedoch unzweifelhaft anlässlich der freien Tagesgestaltung beim Skifahren und nicht im Rahmen seiner Planungs- und Organisationstätigkeit ereignet. Weder örtlich noch zeitlich sei ein unmittelbarer Zusammenhang zum beabsichtigten gemeinsamen Mittagessen gegeben.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Gemäß § 176 Abs 1 Z 1 ASVG seien Arbeitsunfälle Unfällen gleichgestellt, die sich als Mitglied des Betriebsrats ereignen. Der Schutzbereich für die Betriebsratsmitglieder richte sich nach ihren sich aus dem Arbeitsverfassungsgesetz ergebenden Befugnissen, die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Dienstnehmer im Betrieb wahrzunehmen und zu fördern (§ 38 ArbVG). Dabei gehe es aber auch um die Repräsentation des Betriebsrats gegenüber den von ihm vertretenen Dienstnehmern des Betriebs. Unfallversicherungsschutz könne diesfalls auch bestehen, wenn die übrigen Teilnehmer keinen Schutz genießen, weil keine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung vorliegt. Maßgeblich sei daher die Wahrnehmung von mit der Funktion als Betriebsrat in Zusammenhang stehenden Aufgaben. Dass die hier zu beurteilende Gemeinschaftsveranstaltung für die Teilnehmer grundsätzlich nicht unter Unfallversicherungsschutz stehe, vielmehr der Freizeitcharakter im Vordergrund gestanden sei, folge schon aus dem geringen Teilnehmerkreis, der Möglichkeit der Teilnahme von Angehörigen, der Zahlung des deutlich überwiegenden Teils des Reisepreises durch die teilnehmenden Mitarbeiter, dem fehlenden Rahmenprogramm und der Nichtteilnahme der Geschäftsführung. Die Tätigkeit des Klägers als Betriebsrat und Organisator der Reise stünde nur dann unter Unfallversicherungsschutz, wenn sich der Unfall bei einer Tätigkeit ereignet hätte, die unmittelbar mit seiner Betriebsratstätigkeit zusammenhänge, keinesfalls jedoch durchgehend vom Beginn bis zum Ende der Veranstaltung. Der Unfall des Klägers habe sich beim freien Skifahren auf der Piste gegen 12:30 Uhr ereignet. Um zu dem von ihm organisierten gemeinsamen Mittagessen um 13:00 Uhr zu gelangen, hätte er den Ort durchqueren müssen, um auf der anderen Seite den Berg hinaufzufahren. Damit fehle es am erforderlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Betriebsrat.
[9] Dagegen wendet sich die außerordentliche Revision des Klägers, mit der er die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klagestattgebenden Sinn anstrebt. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10]
Die außerordentliche Revision ist nicht zulässig.
[11] 1. Der Kläger zieht die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der Skiausflug nicht als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand (vgl dazu RS0084560; RS0084544 ua; 10 ObS 76/23h Rz 6 ff mwN), in der Revision nicht mehr in Zweifel.
[12] 2. Er kritisiert im Wesentlichen, das Berufungsgericht sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die vom Kläger im Rahmen seiner Betriebsratstätigkeit geleitete Veranstaltung, insbesondere das von ihm organisierte Mittagessen (auch am Unfalltag), grundsätzlich vom Unfallversicherungsschutz umfasst gewesen sei. Obwohl aber feststehe, dass der Unfall sich gerade auf dem Weg zu diesem gemeinsamen Mittagessen, also zu einer geschützten Tätigkeit iSd § 176 ASVG, ereignet habe, sei in der angefochtenen Entscheidung unter Außerachtlassung der ständigen Rechtsprechung zu Wegunfällen der Versicherungsschutz verneint worden.
[13] 3. Mit diesem Vortrag zeigt der Kläger keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[14] 3.1. Auch wenn der Kläger nach § 176 Abs 1 Z 1 ASVG während der Teilnahme an der von ihm in seiner Funktion als Vorsitzender des Betriebsrats für die Belegschaft des Krankenhauses organisierten und geleiteten Freizeitveranstaltung grundsätzlich unter Unfallversicherungsschutz stand (vgl nur 10 ObS 114/95; Müller in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV Komm § 176 ASVG Rz 8), erstreckt sich der Schutz – worauf bereits das Berufungsgericht mit Recht hingewiesen hat – nicht durchgehend vom Beginn bis zum Ende dieser Veranstaltung, sondern nur auf Tätigkeiten, die mit seiner Organisations und Leitungstätigkeit im erforderlichen Zusammenhang stehen (vgl auch – zu betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen – RS0084544 [T7]).
[15] 3.2. Mit Blick darauf weist der Kläger in seiner Revision zwar sinngemäß richtig darauf hin, dass nach § 176 Abs 5 ASVG auch die Bestimmung des § 175 Abs 2 Z 1 ASVG über den Wegunfall anzuwenden ist: Grundsätzlich ist er auch auf seinen Wegen zu oder von der jeweils geschützten Organisations- bzw Leitungstätigkeit im Zuge des Skiausflugs unter Unfallversicherungsschutz gestanden.
[16] 3.3. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der vorliegende Unfall, der sich beim Skifahren im Rahmen der freien Tagesgestaltung, wenngleich auf dem Weg zu dem von ihm organisierten gemeinsamen Mittagessen auf einer Skihütte, ereignete, nicht als Arbeitsunfall zu werten ist, steht allerdings im Einklang mit dem klaren Gesetzeswortlaut und der dazu ergangenen Rechtsprechung:
[17] Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach klargestellt, dass es sich bei Wegunfällen iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG um eine rechtlich nicht zwingend gebotene, aus sozialpolitischen Überlegungen vorgenommene Erweiterung des Versicherungsschutzes handelt, obwohl dieser Bereich dem Einfluss des Dienstgebers weitgehend entzogen ist. Vor diesem Hintergrund sollen nur die typischen (allgemeinen) Weggefahren und Risiken versichert sein, nicht aber jegliche mit dem Weg in irgendeinem Zusammenhang stehende andere Ereignisse und Gefahren (vgl zuletzt etwa 10 ObS 150/20m Rz 20 ff; 10 ObS 127/23h Rz 6; 10 ObS 55/24x Rz 13, zu Unfällen mit einem Monowheel bzw E Scooter).
[18] Es gilt daher – insbesondere auch bei Unfällen im Zuge der Fortbewegung mit Sport oder Spielgeräten – die Grenze des Versicherungsschutzes zu bestimmen, das heißt den von der Unfallversicherung geschützten Lebensbereich von der Privatsphäre des Versicherten abzugrenzen. Das erfordert nach gesicherter Rechtsprechung eine Wertentscheidung, bei der nicht allein das Verhalten des Versicherten, sondern alle Gesichtspunkte und Überlegungen einzubeziehen sind. Entscheidend ist, ob die Gesamtumstände dafür oder dagegen sprechen, das unfallbringende Verhalten dem geschützten oder dem privaten Bereich zuzurechnen (RS0084490; zuletzt 10 ObS 55/24x Rz 14).
[19] Im Allgemeinen wird die Verwendung von Fortbewegungsmitteln, die nicht vorrangig einem Verkehrsbedürfnis dienen, sondern primär einen Spiel und Freizeitzweck verfolgen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sein, wenn sie aus persönlichen Gründen – und nicht etwa aufgrund allfälliger betrieblicher Erfordernisse – erfolgte (vgl 10 ObS 127/23h Rz 6, 9 mwN).
[20] Wenn nun die Vorinstanzen im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Einzelfalls erkennbar zum Ergebnis gelangten, dass das Pistenskifahren, im Zuge dessen sich der Unfall ereignete, im Wesentlichen privaten Interessen des Klägers diente und dessen Absicht, sich nach der Befahrung der schwarzen Piste auf den Weg zu der auf einem anderen Berg gelegenen Skihütte zu machen, noch keinen ausreichenden Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit begründet, so bedarf diese Beurteilung vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Leitlinien keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung. Der Kläger hat zudem nicht einmal behauptet, dass die Unfallfolgen nicht auf die Verwendung des Sportgeräts und die davon ausgehenden spezifischen Gefahren, sondern auf allgemeine Weggefahren zurückzuführen sind (vgl 10 ObS 150/20m Rz 29; 10 ObS 127/23h Rz 6; RS0084490 [T7]).
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