14Os86/24i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Mai 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. SetzHummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Madari LL.M. (WU), BSc (WU) in der Strafsache gegen DDr. * T* und andere Beschuldigte sowie belangte Verbände wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall, 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 333 HR 151/19d des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über die Anträge des Dr. * J* LL.M., der J* Rechtsanwalt GmbH und der Mag. * R* auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1] Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption ( WKStA) führt zu AZ 62 St 1/19x gegen DDr. * T* und andere Beschuldigte sowie belangte Verbände ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts dem Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 12 zweiter Fall,146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen subsumierter Taten. In diesem fanden am 23. März 2021 Durchsuchungen der Geschäftsräume (unter anderem) der J* Rechtsanwalt GmbH sowie der Geschäfts und Privaträume des Dr. * J* LL.M. an den Adressen * sowie * und *statt, im Zuge derer zahlreiche Datenträger sichergestellt wurden (ON 1361; zum darauf bezogenen Erneuerungsantrag vgl 14 Os 89/23d). Gegen die Sicherstellungen erhobDr. J* LL.M. unter Berufung auf das gesetzlich anerkannte Recht auf Verschwiegenheit nach § 157 Abs 1 Z 2 StPO Widerspruch nach § 112 Abs 1 StPO (idF vor BGBl I 2024/157), sodass – soweit gegenständlich relevant – unverzüglich eine Versiegelung der sichergestellten Gegenstände (insb der Datenträger) erfolgte (ON 1361 S 1–5, 19, 23, 35, 193 f).
[2] Mit Antrag vom 16. August 2023 begehrten Dr. J* LL.M., die J* Rechtsanwalt GmbH und Mag. R* die Ausfolgung von mehreren bei den Hausdurchsuchungen am 23. März 2021 sichergestellten Datenträgern (ON 2376).
[3] Mit Beschluss vom 12. September 2023, GZ 333 HR 151/19d2414, wies das Landesgericht für Strafsachen Wien diesen Ausfolgungsantrag ab und beschlagnahmte – (auch) in Entsprechung eines Antrags der WKStA vom 11. September 2023 (ON 1 S 1205) – die sichergestellten Datenträger gemäß § 115 Abs 1 Z 1 StPO. Am 13. März 2024 hob die Staatsanwaltschaft – nach erfolgter Spiegelung der Daten der gegenständlich relevanten Datenträger im Dezember 2023 (ON 2602) – die Beschlagnahme in Betreff eines Teils derselben auf (ON 1, 1323).
[4] Das Oberlandesgericht Wien gab den gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien gerichteten (gemeinsam ausgeführten) Beschwerden des Beschuldigten Dr. J* LL.M., der J* Rechtsanwalt GmbH sowie der Mag. R* (ON 2434) mit Beschluss vom 30. April 2024, AZ 21 Bs 306/23p, nicht Folge (ON 2730).
[5] Gegen diesen (am 6. Mai 2024 rechtswirksam zugestellten) Beschluss richten sich die a m 2. September 2024 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten, nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützten und gemeinsam ausgeführten Anträge des Dr. J* LL.M., der J* Rechtsanwalt GmbH und der Mag. R*auf Erneuerung des Verfahrens gemäß § 363a StPO. Diese reklamier en im Wesentlichen eine „durch die verspätete Beauftragung der Spiegelung der sichergestellten Datenträger“ sowie „die unzureichende Organisation der Gerichte und Behörden“ entstandene unverhältnismäßig lange Dauer des Entzugs der gegenständlichen Datenträger als Verletzung von Art 1 1. ZPMRK.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die Anträge erweisen sich aus mehreren Gründen als offenbar unberechtigt.
[7] Zunächst wird vernachlässigt, dass die behauptete Grundrechtsverletzung (deutlich und bestimmt) – soweit nicht (nach dem vergleichbaren Maßstab des § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO) Begründungsmängel oder erhebliche Bedenken geltend gemacht werden – nur in Auseinandersetzung mit der (letztinstanzlichen) Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 30. April 2024, AZ 21 Bs 306/23p, welche die Beschlagnahme von Datenträgern zum Gegenstand hat, und auf Basis deren Tatsachenannahmen dargelegt werden kann (RISJustiz RS0124359, RS0122737 [T41]).
[8]Demgegenüber bezieht sich das Vorbringen der Erneuerungswerber nahezu ausschließlich (isoliert) auf das Vorgehen des Erstgerichts ab Sicherstellung der gegenständlichen Datenträger. So nimmt vor allem die Argumentation der Erneuerungsanträge zu einer aus ihrer Sicht gebotenen sofortigen Herstellung von Kopien der Datenträger nach deren Sicherstellung nicht auf die Ausführungen des Oberlandesgerichts zu den erhobenen Widersprüchen nach § 112 StPO, zur Verweigerung der Herausgabe von Codes seitens der Antragsteller sowie zur teilweise mangelnden Funktionstüchtigkeit von Geräten (ON 2730, 9 f) Bezug und ist daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.
[9]Anzumerken bleibt an dieser Stelle mit Blick auf das Antragsvorbringen, dass eine Überprüfung des Gangs des mit den genannten Sicherstellungen im Zusammenhang stehenden Sichtungsverfahrens nach § 112 StPO im Rahmen der gegenständlichen Erneuerungsanträge nicht stattfindet (vgl dazu auch schon 14 Os 89/23d [Rz 11]).
[10] Darüber hinaus steht dem Einwand eines – aus behördlicher Säumigkeit zwischen Sicherstellung und Ausfolgung der gegenständlichen Datenträger nach Spiegelung der darauf befindlichen Daten resultierenden – unverhältnismäßig lange dauernden Eigentumsentzugs, welcher zu einem die Eigentumsrechte der Antragsteller berührenden Wertverlust der sichergestellten Datenträger geführt hätte, auch die mangelnde Ausschöpfung des Rechtswegs entgegen.
[11] Bei einem (wie hier) nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (vgl dazu RISJustiz RS0122228) handelt es sich um einen subsidiären Rechtsbehelf, für den alle gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 sowie 35 MRK sinngemäß gelten (RISJustiz RS0122737). Demgemäß kann der Oberste Gerichtshof erst nach Ausschöpfung des Rechtswegs (Art 35 Abs 1 MRK) angerufen werden. Diesem Erfordernis wird nur dann entsprochen, wenn von allen in der innerstaatlichen Rechtsordnung vorgesehenen effektiven Rechtsmitteln Gebrauch gemacht (vertikale Erschöpfung; zum Ganzen Grabenwarter/Pabel, EMRK 7 § 13 Rz 28 ff) und die geltend gemachte Konventionsverletzung zumindest der Sache nach und in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften im Instanzenzug vorgebracht wurde (horizontale Erschöpfung; zum Ganzen Grabenwarter/Pabel, EMRK 7 § 13 Rz 36 ff; vgl auch RISJustiz RS0122737 [T13]).
[12]Gegenständlich haben die Erneuerungswerber nicht einmal behauptet, in den der Sicherstellung folgenden drei Jahren mit Bezug auf das Sichtungsverfahren nach § 112 StPO einen Fristsetzungsantrag nach § 91 Abs 1 GOG gestellt zu haben, obwohl dieser (auch) im vorliegenden Fall ein wirksamer und ausreichender Rechtsbehelf zur Hintanhaltung ungebührlicher Verzögerungen bei der Spiegelung der Daten und anschließenden Rückgabe der sichergestellten Datenträger gewesen wäre (vgl RISJustiz RS0122736 [T6, T10], RS0122737 [T7, T18]; siehe auch 14 Os 89/23d [Rz 11]).
[13]Auch einen Antrag auf Ausfolgung der gegenständlichen Datenträger (vgl § 111 Abs 4 iVm § 115 Abs 2 und 3 und § 110 Abs 4 StPO jeweils idF vor BGBl I 2024/157) haben die Erneuerungswerber erst zweieinhalb Jahre nach der Sicherstellung gestellt, womit sie – unter dem Aspekt der Erschöpfung des Instanzenzugs – die Beschränkung ihrer Eigentumsrechte in dieser Zeit nicht wirksam bekämpft haben.
[14]Die Anträge auf Verfahrenserneuerung waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO).