JudikaturOGH

11Os36/25s – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
06. Mai 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. Mai 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Boyer LL.M. (WU), LL.M. als Schriftführerin in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 2, 3 Z 1, 2 und 3 und Abs 4 erster Fall FPG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 30. Jänner 2025, GZ 8 Hv 95/24f 28, sowie über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* jeweils eines Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, 2, 3 Z 1, 2 und 3 und Abs 4 erster Fall FPG (A) und der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB (B) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 29. Oktober 2024

(A) als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und (in Erfüllung der Kriterien des § 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB) gewerbsmäßig die rechtswidrige Ein- und Durchreise von mehr als drei, nämlich 22 (aus der Türkei, aus Syrien und aus Afghanistan stammenden) Fremden mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, indem er sie in einem Kastenwagen von der ungarisch-serbischen Grenze durch Ungarn bis nach Österreich transportierte, wobei er

innerhalb der letzten fünf Jahre schon einmal, nämlich mit (rechtskräftigem) Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 27. Juli 2023, AZ 8 Hv 52/23f, wegen Schlepperei im Sinn des § 114 Abs 1 FPG verurteilt worden ist und

die Tat auf eine Art und Weise beging, durch die die Fremden längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, weil sie bei fehlender Versorgung mit ausreichend Luft, Nahrung und Wasser sowie ohne Möglichkeit, ihre Notdurft zu verrichten oder ihre (auf engstem Raum stehende oder kauernde) Körperhaltung zu verändern, im verschlossenen (2,40 Meter langen, 1,60 Meter breiten und 1,70 Meter hohen) Laderaum des Kastenwagens (US 5) mehrere Stunden ausharren mussten, und

(B) in M* anders als durch eine der in den §§ 169, 171 und 173 StGB mit Strafe bedrohten Handlungen eine Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) einer größeren Zahl von Menschen herbeigeführt, indem er, bei der vom Schuldspruch A umfassten Tat betreten, mit dem Kastenwagen, in dessen Laderaum die erwähnten 22 Personen (nicht weiter gesichert) zusammengepfercht waren, vor der Polizei die Flucht ergriff, wobei er ihn „mit riskanten Fahrmanövern sowie mit Schlangenlinien“ lenkte, „bei denen er teils auf den rechten Fahrbahnrand zu gelangen und zu verunfallen drohte“.

Rechtliche Beurteilung

[3] Nur gegen den Schuldspruch B wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Mit dem Einwand, der Beschwerdeführer habe „nicht vorsätzlich“ im Sinn des § 176 Abs 1 StGB gehandelt, weil er eine „konkrete Gefährdung“ der im Laderaum des von ihm gelenkten Kastenwagens befindlichen 22 Menschen „nicht in Kauf“ genommen habe, setzt sich die Rüge prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) über die – gerade gegenteiligen – Urteilsfeststellungen (US 7) hinweg.

[5] Gleiches gilt, soweit sie – solcherart übergangene – Konstatierungen zur „subjektiven Tatseite des § 176 StGB“ als nicht getroffen bezeichnet und sie durch davon abweichende, anhand eigenständiger Beweiswerterwägungen entwickelte Beschwerdeauffassungen ersetzt.

[6] Indem die Rüge den Eintritt eines konkreten Gefährdungserfolgs (erkennbar) bestreitet, spricht sie die Abgrenzung von Versuch (§ 15 StGB) und Vollendung, somit einen Aspekt an, der weder für die Schuld- noch für die Subsumtionsfrage, sondern erst bei der Strafbemessung rechtlich relevant ist (RIS-Justiz RS0122138).

[7] Unter dem Blickwinkel des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (RIS-Justiz RS0122137) sei hinzugefügt, dass das Erstgericht auf der Basis des Urteilssachverhalts (US 5 f) zu Recht von Vollendung, nämlich davon ausging, dass die vom Schuldspruch umfasste Tat eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben – gleichzeitig (RIS-Justiz RS0118702) – einer größeren Zahl von Menschen (vgl RIS-Justiz RS0066542) herbeigeführt hat.

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[9] Über die Berufung und die (gemäß § 498 Abs 3 dritter Satz StPO als erhoben zu betrachtende) Beschwerde hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[10] Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.