22Ds7/24k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 8. April 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer als weiteren Richter sowie die Rechtsanwältin Dr. Mascher und den Rechtsanwalt Dr. Schimik als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Brüggler LL.M., BSc in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwältin in *, wegen Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 24. Juni 2024, GZ D 54/23, 1 DV 1/24 18, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Roitner, des Kammeranwalts Rechtsanwalt Mag. Kammler und der Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, im Freispruch vom Vorwurf, *, Rechtsanwältin in *, habe ihren Klienten * S* hinsichtlich ihrer Honorarnote 23/122 vom 25. Mai 2023 nicht über die Erhöhung der Bemessungsgrundlage von 17.600 Euro auf 60.000 Euro aufgeklärt, sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, eine neue mündliche Verhandlung angeordnet und die Sache im Umfang der Aufhebung an den Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer verwiesen.
Mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe wird der Kammeranwalt auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde – soweit im Verfahren über die Berufung von Bedeutung – *, Rechtsanwältin in *, vom Vorwurf freigesprochen, sie habe ihren Klienten * S* hinsichtlich ihrer Honorarnote 23/122 vom 25. Mai 2023 nicht über die Erhöhung der Bemessungsgrundlage von 17.600 Euro auf 60.000 Euro aufgeklärt (i).
Rechtliche Beurteilung
[2] Die dagegen wegen des Vorliegens des Nichtigkeitsgrundes (dazu RISJustiz RS0128656 [T1]) der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Berufung des Kammeranwalts ist – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – im Recht:
[3]Die Mängelrüge zeigt zutreffend Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) des angefochtenen Erkenntnisses auf, weil sich der Disziplinarrat im Rahmen seiner Beweiswürdigung (§ 37 zweiter Halbsatz DSt) nicht mit in der mündlichen Verhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (§ 37 erster Halbsatz DSt) auseinandergesetzt hat, die seinen den Freispruch i tragenden Feststellungen, nach denen die laut Disziplinaranzeige unterlassene Aufklärung sehr wohl stattgefunden hat, entgegenstehen (13 Os 138/03, SSt 2003/93; RISJustiz RS0118316). In concreto unterblieb die Erörterung insoweit erheblicher Passagen des Transkripts einer Konferenz vom 19. Juni 2023, wonach die Beschuldigte die Abrechnung der in Rede stehenden Honorarnote „auf Basis der 17.600 Euro“ mit der Begründung anbot, es zuvor „nicht gesagt“ zu haben, und die unterschiedliche Verrechnung gleicher Leistungen damit begründete, bei „der ersten Abrechnung einen geringeren Streitwert“ und „dann wahrscheinlich danach eine höhere Bemessungsgrundlage ... als vorher“ genommen zu haben (Beilage ./7 S 2 iVm TZ 17 S 8).
[4] Unter dem Aspekt erfolgreicher Freispruchsanfechtung (RISJustiz RS0127315) macht die Berufung überdies zutreffend einen Feststellungsmangel geltend (der Sache nach Z 9 lit a), indem sie aufzeigt, dass aus den mit Stillschweigen übergangenen Beweisergebnissen im Zusammenhalt mit dem äußeren Tatgeschehen auch Feststellungen zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen des Disziplinarvergehens der Verletzung von Berufspflichten nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt indiziert sind.
[5]Der von der Berufung erfolgreich aufgezeigte Begründungsmangel führte – ebenfalls in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 288 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt zur Aufhebung des angefochtenen Freispruchs (i), womit auch der Strafausspruch zu kassieren war.
[6] Auf das Vorbringen der Berufung wegen Vorliegens weiterer Nichtigkeitsgründe und des Ausspruchs über die Schuld im engeren Sinn (zur Reihenfolge der Behandlung dieser Berufungspunkte Ratz , WK StPO § 477 Rz 9) war daher nicht einzugehen.
[7] Mit seiner Berufung wegen des Strafausspruchs war der Kammeranwalt auf die Aufhebung dieses Ausspruchs zu verweisen.
[8]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.