11Os143/24z – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Jänner 2025 durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Müller BSc als Schriftführerin in der Strafsache gegen R* D* wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 13. August 2024, GZ 79 Hv 30/24d 64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurde R* D* – soweit hier relevant – eines Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen „nach §§ 206 Abs 1, 15 StGB“ (I/), mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II/), mehrerer Vergehen der Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (III/), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses „nach §§ 212 Abs 1 Z 1, 15 StGB“ (IV/) und eines Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 1 und Abs 4 zweiter Fall StGB (V/1/) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in M* und A*
I/ „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem Jahr 2019 bis 28. Mai 2021“ mit der am * geborenen, somit unmündigen E* D* eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung unternommen oder zu unternehmen versucht, indem er wiederholt mit einem Finger in ihre Scheide eindrang und einmalig seinen erigierten Penis zum Kopf der Genannten drückte und sie zum Oralverkehr anzuleiten versuchte, wobei die Taten eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (posttraumatische Belastungsstörung), sohin eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), zur Folge hatten;
II/ „ab einem nicht näher bekannten Zeitraum im Jahr 2019 bis 28. Mai 2021“ wiederholt außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an der am * geborenen, somit unmündigen E* D* vorgenommen oder von der Genannten an sich vornehmen lassen, indem er die Hand der Genannten nahm und sie zum Handverkehr bis zur Ejakulation anleitete und ihr an die unbekleidete Brust griff;
III/ im Zeitraum von 29. Mai 2021 bis 1. September 2023 wiederholt mit E* D*, sohin mit einer Person, die (US 4, 6: als seine leibliche Enkelin) mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen versucht, indem er in zumindest fünf Angriffen versuchte, seinen Penis in ihre Scheide einzuführen;
IV/ durch die zu I/ bis III/ beschriebenen Tathandlungen sowie weiters (erkennbar: im Zeitraum nach ihrem 14. Geburtstag im Jahr 2021 bis September 2023; vgl US 6, 10 f) dadurch, dass er E* D* an ihrer Vagina oral penetrierte und mit zwei Fingern in ihre Scheide eindrang, sohin mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person (US 4, 6: seiner Enkelin), wiederholt geschlechtliche Handlungen vorgenommen und vorzunehmen versucht bzw von einer solchen Person an sich vornehmen lassen;
V/ durch fortlaufende körperliche Misshandlungen eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, wobei die Tat gegen eine unmündige Person begangen und die Gewalt länger als ein Jahr ausgeübt wurde, und zwar
1/ „in einem nicht näher bekannten Zeitraum zwischen 2015 und 2019“ gegen E* D*, geboren am *, indem er zumindest alle zwei Tage mittels Gegenständen (Pantoffel, Holzkleiderbügel) oder mit seiner flachen Hand auf ihr Gesicht oder andere Körperstellen schlug.
Rechtliche Beurteilung
[3]Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung von in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen auf Ladung und Vernehmung weiterer Personen als Zeugen (ON 63 S 6) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.
[5] Die Begehren bezogen sich auf die Befragung von
1/ * M* und * P*, „weil diese ein besonders gutes Vertrauensverhältnis zu E* haben“ und „Auffälligkeiten bezüglich Missbrauch oder Misshandlung wiedergeben können“ „sollten“,
2/ * Z*, „da er Wahrnehmungen zu einem Besuch der Kindesmutter im Sommer letzten Jahres hat“, und
3/ der Volksschullehrerin „Frau L*“.
[6] Die Anträge 2/ und 3/ ließen offen, zur Klärung von welchen für die Schuld oder Subsumtionsfrage erheblichen Umständen * Z* und die Volksschullehrerin L* hätten beitragen sollen (RISJustiz RS0118444).
[7] Das Begehren auf Vernehmung der im Antrag 1/ genannten (Religions )Lehrerinnen aus der Mittelschule geht von einem – nicht näher belegten – „besonders guten Vertrauensverhältnis“ der Genannten mit E * D* aus, wogegen die Zeugin S*, die Sportlehrerin der Letztgenannten, bei deren Nennung bloß auf „viel Kontakt“ des Opfers mit diesen Lehrpersonen hingewiesen (ON 63 S 4) und vielmehr „die Integrationslehrerin“ als für ein besonderes Vertrauensverhältnis „zuständig“ (ON 63 S 3) bezeichnet hatte. Erkennbar diese Integrationslehrerin (* G*) wurde ohnehin in der Hauptverhandlung als Zeugin vernommen und konnte (wie schon die Sportlehrerin) über keine Wahrnehmungen zu allfälligen Verletzungen (roten Stellen, blauen Flecken) und ansonsten bloß über Entwicklungsverzögerungen berichten (ON 63 S 4).
[8] Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die Angaben des Opfers, „einfach lange Sachen angezogen“ zu haben (vgl US 13 f), hätte der Beschwerdeführer im Zuge der Antragstellung darzulegen gehabt, weshalb die Befragung der im Antrag 1/ genannten Personen ein für die Schuld oder Subsumtionsfrage bedeutsames Ergebnis erwarten lassen würde (RISJustiz RS0099453 [T17]; vgl auch RS0118444 [T5]).
[9] Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes unbeachtlich (RISJustiz RS0099618).
[10]Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang (nominell Z 4) unter Hinweis auf die (von den Tatrichtern berücksichtigten) Angaben des Opfers, dessen Mutter und des Angeklagten zu einer bereits im Kindheitsalter bei E* D* diagnostizierten „posttraumatischen Belastungsstörung“ (dazu US 14 f: posttraumatischen Entwicklungsstörung) sowie unter Berufung auf den Grundsatz „in dubio pro reo“ die Feststellungen zur Kausalität ua der im Schuldspruch zu I/ inkriminierten sexuellen Übergriffe für die im Urteilszeitpunkt aktuelle posttraumatische Belastungsstörung (US 5 f, 14 f) in Zweifel zieht, zeigt er auch kein Begründungsdefizit (Z 5 zweiter und vierter Fall) auf. Vielmehr bekämpft er bloß die logisch nachvollziehbare und empirisch einwandfreie Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld (RISJustiz RS0098400, RS0102162).
[11] Gleiches gilt für die auf Aussagen des älteren Bruders des Opfers, El* D* (dazu US 17 f), gestützten Erwägungen des Nichtigkeitswerbers betreffend den Schuldspruch zu V/1/.
[12]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[13]Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.