JudikaturOGH

6Ob115/24s – OGH Entscheidung

Entscheidung
Gesellschaftsrecht
17. Januar 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. U* B*, Rechtsanwältin, *, als Masseverwalterin im Konkurs über das Vermögen der K* GmbH, FN *, wider die beklagte Partei KR G* K*, geboren am *, vertreten durch Mag. Stephan Hemetsberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 225.860,41 EUR sA, über den Rekurs der beklagen Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2024, GZ 1 R 67/24s 123, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 14. Februar 2024, GZ 35 Cg 46/23p 114, teilweise aufgehoben und dem Erstgericht insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.655,96 EUR (darin enthalten 442,66 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Der Beklagte war bis 15. 9. 2016 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der K* GmbH, FN *. Mit Beschluss vom 20. 12. 2016, 38 S 185/16g, wurde über diese Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und die Klägerin zur Masseverwalterin bestellt.

[2] Die Klägerin begehrt Schadenersatz, weil der Beklagte seiner Verpflichtung, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, trotz Vorliegens der Insolvenzeröffnungsvoraussetzungen nicht nachgekommen sei. Er habe dadurch die Insolvenzmasse um den Klagsbetrag geschmälert.

[3] Das Erstgericht verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 42.500 EUR sA und wies das Mehrbegehren von 183.360,41 sA (insoweit rechtskräftig) ab. Die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft sei für den Beklagten zum 31. 5. 2016 erkennbar gewesen. Die im Zeitraum 1. 6. bis 15. 9. 2016 eingetretene Masseschmälerung betrage 42.500 EUR. Eine Haftung des Beklagten für den Zeitraum nach seiner Abberufung am 15. 9. 2016 komme hingegen nicht in Betracht.

[4] Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgerichtbestätigte den klagsabweisenden Teil dieses Urteils. Im Umfang der Klagsstattgebung hob es das Urteil des Erstgerichts auf und trug diesem insoweit die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss ließ es zu. Zum Aufhebungsbeschluss führte es aus, nach dem 2. Halbsatz des § 84 Abs 3 Z 6 AktG seien Zahlungen, die auch nach Eintritt der materiellen Insolvenz mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, vom Zahlungsverbot ausgenommen. Dieser Ausnahmetatbestand sei analog im GmbH-Recht anzuwenden. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei unter diese Ausnahme nicht nur die Zahlung von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung zu zählen. Vielmehr seien auch die Zahlungen an Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Kommunalsteuer sowie Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung umfasst. Es sei aber davon auszugehen, dass diese Zahlungen in der vom Sachverständigen ermittelten Bandbreite der Masseschmälerung im Zeitraum 1. 6. bis 15. 9. 2016 – nach der dargelegten Rechtsansicht zu Unrecht – (als schmälernd) berücksichtigt wurden. Im fortgesetzten Verfahren sei es daher erforderlich, jene Masseschmälerung für den genannten Zeitraum zu ermitteln, die sich unter Außerachtlassung (auch) der Zahlungen an Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Kommunalsteuer sowie Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung ergebe.

[5]Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil Rechtsprechung, inwieweit Leistungen von Abgaben und Sozialversicherungsbeiträgen durch ein Organ einer Kapitalgesellschaft zu den Ausnahmen nach § 84 Abs 3 Z 6 2. Halbsatz AktG (hier iVm § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG) zu zählen seien, außerhalb der (hier nicht gegenständlichen) Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der lediglich vom Beklagten erhobene Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zeigt der Rekurs nicht auf:

[7]1. Der Rekurs wendet sich nicht gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, unter die Ausnahme des § 84 Abs 3 Z 6 2. Halbsatz AktG seien nicht nur die Zahlung von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung zu zählen, sondern auch die Zahlungen an Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Kommunalsteuer sowie Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung; er tritt dieser Auffassung (naturgemäß) vielmehr bei. Auf diese Rechtsfrage ist daher nicht mehr einzugehen.

[8]2. Zweck des Rekurses nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist die Überprüfung der Rechtsansicht der zweiten Instanz durch den Obersten Gerichtshof. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden oder wird sie – wie hier – vom Rekurswerber nicht bekämpft, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RS0042179 [T22, T23]).

[9] Hier steht im Vordergrund, dass der Sachverständige, auf Basis dessen Gutachtens die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur eingetretenen Masseschmälerung gründen, darlegte, dass die von ihm mangels vollständiger Buchhaltung geschätzte Bandbreite des Schadens auf Basis des aktivseitigen Masseabflusses ermittelt und nicht durch die Summe an verpönten Zahlungen errechnet wurde. Es läge daher auch nicht auf der Hand, die vom Berufungsgericht als erforderlich erachtete Feststellung durch den (bloßen) rechnerischen Abzug der von ihm genannten Zahlungen von der bisher festgestellten Masseschmälerung zu ersetzen, wie dies der Rekurs meint.

[10]3. Aufgrund der teilweisen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung werden im fortgesetzten Verfahren die Feststellungen zur eingetretenen Masseschmälerung nach Durchführung der vom Berufungsgericht angeordneten Verfahrensergänzung neu zu treffen sein. Schon deshalb bleiben die Rekursausführungen, die sich gegen die Anwendung und die Ausübung des richterlichen Ermessens iSd § 273 ZPO im Zusammenhang mit dem von der Aufhebung betroffenen Teil des ersten Rechtsgangs wenden, ohne Relevanz.

[11]4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO (RS0123222). Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.