JudikaturOGH

10Nc22/24b – OGH Entscheidung

Entscheidung
10. Januar 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Schober und Dr. Annerl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen I*, geboren * 2012, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 26. September 2024, GZ 27 Ps 94/18p 79, ausgesprochene Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache (Personensorgesache und Unterhaltssache; Ps Akt und Pu Akt) an das Bezirksgericht Melk wird genehmigt.

Text

Begründung:

[1] Mit Beschluss vom 26 . 9 . 20 24 (ON 79 ) übertrug das Bezirksgericht Traun die Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache (Personensorgesache und Unterhaltssache) hinsichtlich I* dem Bezirksgericht Melk , das die Übernahme jedoch ablehnte (27 Ps 265/24v 80 ). Dem Argument des übertragenden Gerichts, der aktuelle ständige Aufenthalt des Kindes bei seiner Mutter liege im Sprengel des übertragenen Gerichts, hielt dieses entgegen, die Eltern hätten die gemeinsame Obsorge für ihre beiden Kinder Z* und I* und eine Aufteilung des Pflegschaftsakts für die beiden Minderjährigen auf verschiedene Bezirksgerichte sei weder sinnvoll noch zweckmäßig, zumal keine der Parteien dem übertragenen Gericht persönlich bekannt seien.

[2] Tatsächlich hat das Kind eine * 2009 geborene Schwester ( Z* ), die bei ihrem Vater im Sprengel des Bezirksgerichts Linz lebt (ON 73); die Obsorge steht beiden Eltern gemeinsam zu .

[3] Nach Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses legte das Bezirksgericht Traunden Akt zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die verfügte Übertragung ist in Ansehnung des minderjährigen I* berechtigt.

[5] 1.Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn es im Interesse des Minderjährigen oder sonstigen Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit ist dabei immer das Kindeswohl (RS0047074). Dabei wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RS0049144 [T5, T6]; RS0047074 [T18]). Eine Zuständigkeitsübertragung ist daher grundsätzlich zu genehmigen, wenn der Lebensmittelpunkt des Kindes in den Sprengel eines anderen als des bisher zuständigen Bezirksgerichts verlagert wird (RS0047300 [T11]).

[6] 2.In der Rechtsprechung wurde zwar immer wieder betont, dass eine Aufsplitterung des Pflegschaftsverfahrens für mehrere Kinder aus einer Lebensgemeinschaft oder einer Ehe nach Tunlichkeit vermieden werden sollte, weil es in der Regel zweckmäßig sei, wenn die Pflegschaft bei einem Gericht geführt wird (RS0047074 [T3]; vgl auch Gitschthaler in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I 2§ 111 JN Rz 14 FN 48). Tatsächlich wurde eine getrennte Führung der Verfahren von Geschwistern aber immer wieder gebilligt, wenn sich deren Lebensmittelpunkte in verschiedenen Bezirksgerichtssprengeln befanden (6 Nc 4/17s; 6 Nc 5/16m; 8 Nc 31/15y; 6 Nc 18/15x; 10 Nd 503/01).

[7] 3. Angesichts des Alters der Minderjährigen und der faktischen Trennung der Lebensbereiche der beiden Geschwister (beim jeweiligen Elternteil), kommt dem Einwand des übertragenen Gerichts, eine Aktentrennung sei bei Geschwistern nicht sinnvoll, keine Berechtigung zu, zumal die Notwendigkeit eines wechselseitigen Abstimmens von Maßnahmen oder eines besonderen Informationsaustauschs hier nicht ersichtlich ist.