Das Landesgericht Wels als Rekursgericht hat durch Mag. W. Niedermayr als Vorsitzenden sowie Mag. Nagl, BA und Mag. Prielinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 27. November 2018 verstorbenen A** , zuletzt B**, C**, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen den Antragstellern 1. Dr. D** und 2. Dr. E**, vertreten durch die Grünbart-Lison Rechtsanwälte GmbH in Ried im Innkreis, und 3. F**, vertreten durch Mag. Jürgen Lappi, Rechtsanwalt in Lambach, über den Rekurs des Erst- und der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Vöcklabruck vom 22. März 2022, **-78, den
Beschluss
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass sie insgesamt lautet, wie folgt:
„Das Erbrecht des Erst- und der Zweitantragstellerin wird aufgrund des Testaments vom 18. April 2006 jeweils zur Hälfte des Nachlasses festgestellt.
Die aufgrund des Testaments vom 24. Jänner 2018 zum gesamten Nachlass abgegebene Erbantrittserklärung des Drittantragstellers wird abgewiesen.
Der Drittantragsteller ist schuldig, dem Erst- und der Zweitantragstellerin binnen 14 Tagen deren mit EUR 37.464,52 bestimmte Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens (darin EUR 5.739,09 USt und EUR 3.030,00 Barauslagen) zu ersetzen.“
Der Drittantragsteller ist schuldig, dem Erst- und der Zweitantragstellerin binnen 14 Tagen deren mit EUR 3.012,12 (darin EUR 502,02 USt) bestimmte Kosten des Rekursverfahrens und deren mit EUR 3.613,82 (darin EUR 602,37 USt) bestimmte Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
BEGRÜNDUNG:
Am 27. November 2018 verstarb der am ** geborene A**, zuletzt wohnhaft gewesen B**, C**.
Der Verstorbene hinterließ ein Testament vom 18. April 2006, welches gleichzeitig von drei weiteren Testamentszeugen unterfertigt war, mit welchem er zu gleichteiligen Erben seines Nachlassvermögens Dr. E** (= Zweitantragstellerin), geboren am **, sowie Dr. D** (= Erstantragsteller), geboren am **, einsetzte und allfällig vorhandene Noterben auf den gesetzlichen Pflichtteil setzte (ON 6).
Weiters hinterließ der Verstorbene ein fremdhändiges Testament vom 24. Jänner 2018, mit welchem er F** (= Drittantragsteller), geboren am **, zu seinem Alleinerben einsetzte und allfällig vorhandene Noterben auf den gesetzlichen Pflichtteil setzte; zugleich widerrief er alle seine früheren letztwilligen Anordnungen (ON 7).
Der Erst- und die Zweitantragstellerin gaben aufgrund des Testaments vom 18. April 2006 bedingte Erbanstrittserklärungen jeweils zur Hälfte des Nachlasses ab (ON 10). Im Erbrechtsstreit brachten sie – soweit für das Rekursverfahren noch relevant – vor, dass das Testament vom 24. Jänner 2018 formungültig sei, weil eine (lesbare) Nuncupatio iSd § 579 Abs 1 ABGB fehle.
Der Drittantragsteller gab aufgrund des Testamts vom 24. Jänner 2018 eine bedingte Erbanstrittserklärung ab (ON 11). Im Erbrechtsstreit brachte er – soweit für das Rekursverfahren noch relevant – vor, dass das Testament vom 24. Jänner 2018 sämtlichen Formvorschriften entspreche. Es sei handschriftlich klargestellt, dass es sich um seinen Willen handle. Dass die Nuncupatio in leserlicher Form erfolgen müsse, sei nicht vorgeschrieben.
Mit dem angefochtenen Beschluss stellte das Erstgericht das Erbrecht des Drittantragstellers auf Grundlage des Testaments vom 24. Jänner 2018 fest und wies die Erbantrittserklärungen des Erst- und der Zweitantragstellerin auf Grundlage des Testaments vom 18. April 2006 ab.
Es legte seiner Entscheidung folgenden (für das Rekursverfahren wesentlichen) Sachverhalt zu grunde:
Die Substitutin im Notariat Dr. G**, Mag. H** I**, kannte den Verstorbenen auch schon vor dem Testamentserrichtungszeitpunkt am 24.01.2018. In den Jahren zuvor war er einige Male im Notariat. Es wurden einige Verträge für ihn errichtet.
Nicht mehr festgestellt werden kann, von wem und wie konkret im Hinblick auf den Testamentserrichtungstermin am 24. Jänner 2018 der Erstkontakt stattgefunden hat.
Mag. I** bestand in der Folge jedenfalls darauf, mit dem Testator selbst zu telefonieren. Denn nur so erhält sie einen konkreten und ordentlichen Auftrag. Bei dem Gespräch mit dem Verstorbenen hat dieser ihr gesagt, dass er eine Testamentsänderung vornehmen möchte. Sie fragte auch diesbezüglich nach, was geändert werden sollte, notierte sich das und wurde in der Folge aufgrund dessen auch ein Testamentsentwurf von ihr vorbereitet. Beim Gespräch mit dem Verstorbenen betreffend Testamentsänderung hat sich Frau Mag. I** auch einen handschriftlichen Aktenvermerk über die in Auftrag gegebenen Änderungen angefertigt. Der Auftrag lautete dahingehend das Testament derart abzuändern, dass Alleinerbe der Drittantragsteller sein sollte. Die Legate sollten wegfallen. Der Testamentsentwurf wurde vorab auch dem Testator zur Verfügung gestellt.
Es kann im konkreten Fall nicht festgestellt werden, ob der konkrete Testamentsentwurf abgeholt wurde, und wenn von wem, oder per Post übermittelt wurde. Die Terminvereinbarung für den 24. Jänner 2018 erfolgte dann nicht durch Mag. I**, sondern über das Sekretariat. Zum Termin erschien der Verstorbene im Rollstuhl. Der Termin fand im Büro von Frau Mag. I** statt. Das Gespräch und die Testamentserrichtung im Büro von Frau Mag. I** fand in Abwesenheit des Drittantragstellers statt
Beim Termin mit dem Testator ist Frau Mag. I** mit diesem das Testament durchgegangen, ob der Inhalt so für ihn passen würde oder ob etwas auszubessern wäre. Sie hat sich zuvor auch erkundigt, ob der Entwurf zugestellt und durchgelesen wurde, was ihr vom Erblasser bestätigt wurde. Auch äußerte der Verstorbene das Motiv für die Testamentsänderung der Notarsubstitutin gegenüber. Sein Motiv für die Testamentsänderung war, dass der Drittantragsteller sich immer um ihn gekümmert hat, er ihn nur anzurufen brauchte, und zwar beispielsweise auch dann, wenn es nur um eine durchgebrannte Glühbirne ging. Er sei der Einzige gewesen, der ihn unterstützt hat.
Inhaltlich wurde beim Testament nichts mehr geändert, nur das Datum. Bei der Besprechung selbst sind die Testamentszeugen noch nicht anwesend.
Am Tag der Testamentserrichtung gab es weder für Frau Mag. I** noch für die ersuchten Testamentszeugen Zweifel daran, dass der Verstorbene in der Lage war, zu erfassen, was er da unterschreibt.
Im Vorfeld der Unterschriftsleistung gab es an diesem Tag auch die Besprechung zwischen dem Erlasser und der Testamentserrichterin. Außerdem erklärte Frau Mag. I** ihm alle Punkte noch einmal. Zudem stellte sie auch Fragen, um sich zu versichern, dass der Testator die Tragweite der Entscheidung erkennt.
Am Tag der Testamentserrichtung war ein normales Gespräch mit dem Verstorbenen möglich. Das heißt, er hat auch auf konkrete Fragen geantwortet.
Nachdem der Inhalt des Entwurfs für den Erblasser gepasst hat, wurden die Testamentszeugen, Frau J** und der Notar Dr. G**, ins Büro gerufen. In gleichzeitiger Anwesenheit der Testamentszeugen wurde das Testament noch einmal vorgelesen. In der Folge stellte die Testamentserrichterin Frau Mag. I** an den Testator, den Verstorbenen, die Frage, ob das tatsächlich sein letzter Wille sei. Der Verstorbene hat genickt und bestätigt, dass es sich dabei um seinen letzten Willen handelt.
Beim Testament, welches vom Testator zu unterfertigen ist, sind zwei Zeilen vorhanden. Es wurde dem Testator mitgeteilt, dass in die erste Zeile beispielsweise eine Wortfolge wie „mein Wille“ oder „mein Testament“ zu schreiben ist und in die zweite Zeile dann seine Unterschrift zu setzen ist. Diese Aufforderung erging auch an den Erblasser, welcher er auch nachkam. Als erstes Wort schrieb er „Mein“, das zweite Wort beginnt mit einem „W“. Der Erblasser hat entweder „Wunsch“ oder „Wille“ geschrieben, der genaue Wortlaut kann nicht festgestellt werden. Für die Testamentserrichterin war klar, dass der Erblasser mit dieser Wortfolge seinen Willen bekräftigt hat.
Erst nach der erfolgten Unterschrift des Erblassers unterschrieben auch die Testamentszeugen das Testament unter Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft, „als Testamentszeuge“. Zuletzt unterschrieb die Testamentserrichterin Mag. I**.
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass der Testator eine nicht eigenhändig geschriebene letztwillige Verfügung (u.a.) mit einem eigenhändigen Zusatz versehen müsse, dass die Urkunde es einen letzten Willen enthalte („Nuncupatio“). Es handle sich dabei um ein selbständiges Solennitätserfordernis. Die Anforderungen an die Ausdrücklichkeit der Nuncupatio seien mit Blick auf deren Zweck, das Unterschieben nicht gewollter Testamente zu verhindern, streng zu prüfen. Da im Gesetz nicht vorgeschrieben sei, mit welchen Worten die Erklärung abzugeben sei, könne nur verlangt werden, dass ihnen entnommen werden könne, der Testator erblicke in dem ihm vorliegenden Schriftstück seinen letzten Willen. Ob ein ausreichender Bekräftigungszusatz vorliege, sei nach der Verkehrsauffassung, aber auch nach den Gewohnheiten des letztwillig Verfügenden zu beurteilen, auch andere Umstände, wie zB das Alter des Testator seien gegebenenfalls zu berücksichtigen. Es komme darauf an, ob ein verständiger Leser in Kenntnis der Gewohnheiten des Erblassers den Zusatz als Bekräftigung seines letzten Willens verstehen könne. Die ausdrückliche Erklärung könne auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden. Der Erblasser habe auf die Frage, ob der vorgelesene Inhalt seinen letzten Willen darstelle, genickt und dies gegenüber den Zeugen bestätigt. Dann sei er aufgefordert worden, eine entsprechende Wortfolge wie zB „Mein (letzter) Wille“ zu schreiben, was er auch getan habe. Das erste Wort sei als „Mein“ zu identifizieren, das zweite beginne mit „W“, es könne aber nicht festgestellt werden, ob es „Wunsch“ oder beispielsweise „Wille“ heiße. Letzteres sei aber unerheblich, weil von einer Nuncupatio nicht gefordert werden könne, dass diese in Schönschrift geschrieben werde. Im Ergebnis seien die Voraussetzungen des § 579 Abs 1 ABGB erfüllt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Erst- und der Zweitantragstellerin wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit dem sie eine Abänderung im Sinne einer Feststellung ihres Erbrechts und Abweisung der Erbanstrittserklärung des Drittantragstellers anstreben.
Der Drittantragsteller beantragte in seiner Rekursbeantwortung die Bestätigung der erstgerichtlichen Entscheidung.
Der Rekurs ist berechtigt.
Zur Tatsachenrüge:
Die Rekurswerber bekämpfen die Feststellungen, wonach das zweite Wort mit einem „W“ beginne (und folglich auch: dass dieses entweder „Wunsch“ oder „Wille“ laute) und begehren die Ersatzfeststellung, dass das zweite Wort (gänzlich) unlesbar sei, dies mit der Begründung, dass das zweite Wort (gänzlich) unlesbar sei.
Dem ist zuzustimmen. Das Rekursgericht trifft daher auf Basis der Urkunde ON 7 anstatt der bekämpften folgende Feststellung:
Als erstes Wort schrieb er [der Erblasser] „Mein“; das zweite Wort ist gänzlich unlesbar.
Bleibt anzumerken, dass eine Verhandlung iSd § 52 Abs 2 AußStrG unterbleiben konnte, weil zur Feststellung des Inhalts einer Urkunde keine außerhalb dieser liegende Umstände herangezogen werden dürfen (7 Ob 185/05i mwN, auf die der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 2 Ob 170/22x explizit hingewiesen hat). Die Einholung eines Schrift-Gutachtens wurde im Verfahren erster Instanz nicht beantragt.
Zur Rechtsrüge:
Da im Gesetz nicht vorgeschrieben ist, mit welchen Worten der Testator die Erklärung nach § 579 ABGB abzugeben hat, kann nur verlangt werden, dass aus ihnen entnommen werden kann, dass der Testator in dem ihm vorliegenden Schriftstück seinen letzten Willen erblickt, ohne dass dessen Inhalt den Zeugen auch zur Kenntnis gebracht werden müsste. Da der handschriftliche Bekräftigungszusatz eine Bestätigung des Erblassers enthalten muss, dass die Urkunde seinen letzten Willen beinhalte, muss er auch (objektiv betrachtet) lesbar sein. Ob der Bekräftigungszusatz lesbar ist und wie sein lesbarer Inhalt lautet, ist eine Tatfrage (RIS-Justiz RS0015438 und RS0134179 = 2 Ob 170/22x).
Ausgehend von dieser Rechtslage liegt kein gültig erklärter letzter Wille iSd § 579 Abs 1 ABGB vor, weil das Wort „Mein“ für sich allein nicht als ausdrückliche Erklärung, dass der Aufsatz den letzten Willen des Testators enthält, angesehen werden kann.
Es war daher in Abänderung der erstgerichtlichen Entscheidung das Erbrecht des Erst- und der Zweitantragstellerin aufgrund des Testaments vom 18. April 2006, dessen Formgültigkeit nicht strittig war, jeweils zur Hälfte des Nachlasses festzustellen und der Antrag des Drittantragstellers auf Feststellung des Erbrechts zum gesamten Nachlass abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet auf § 78 Abs 2 iVm § 185 AußStrG.
Aufgrund der Abänderung in der Hauptsache war auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung neu zu fassen. Die Einwendungen des Drittantragstellers gegen die Kostennote des Erst- und der Zweitantragstellerin sind großteils berechtigt:
Der Erbrechtsstreit beginnt mit der Abgabe widerstreitender Erbantrittserklärungen ( Obermaier , Kostenhandbuch 3Rz 4.100; 2 Ob194/14i), die zum Zeitpunkt der Vollmachtsbekanntgabe noch nicht vorlagen. Die Grundbuchsabfragen sind durch den Einheitssatz abgedeckt ( Obermaier , Kostenhandbuch 3Rz 3.12 Fn 1328). Das Ablehnungsverfahren stellt zwar nach neuerer Rechtsprechung einen Zwischenstreit dar (RIS-Justiz RS0126588); ein Kostenersatz steht hier aber schon deswegen nicht zu, weil der Antrag des Erst- und der Zweitantragstellerin erfolglos war. Die verzeichneten Kostenvorschüsse wurden zur Gänze verbraucht (ON 81).
Der Bewertungsausspruch gründet auf § 59 Abs 2 AußStrG und orientiert sich am Wert des Nachlasses.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil die für dieses Verfahren relevanten Rechtsfragen durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur GZ 2 Ob 170/22x geklärt wurden.
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