JudikaturLG Innsbruck

53 R 7/12m – LG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
24. Februar 2012

Kopf

Das Landesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch Dr. Müller als Vorsitzenden sowie Dr. Schmidt und Dr. Waldhart als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache für A* , vertreten durch den Sachwalter Dr. D*, Rechtsanwalt in 6410 Telfs, über den Rekurs des Sachwalters gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Telfs vom 19.12.2011, **-132 (Rekursinteresse EUR 87.297,25), in nicht - öffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird t e i l w e i s e Folge gegeben; der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt 2. dahingehend abgeändert, dass er insofern zu lauten hat wie folgt:

2. Die Entschädigung des Sachwalters für den gesamten Berichtszeitraum wird gemäß § 276 ABGB mit EUR 60.796,11 b e s t i m m t , das Mehr- begehren von EUR 53.624,84 wird a b g e w i e s e n .”

Die Festsetzung der Modalitäten der Auszahlung bleibt dem Erstgericht vor- behalten.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 16.4.2010 wurde RA Dr. D* zum Sachwalter für die Betroffene bestellt. Der Kreis der zu besorgenden Angelegenheiten umfasste dabei die Einkommens- und Vermögensverwaltung und Vertretung vor Ämtern und Behörden sowie die Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 19.12.2011 wurde die Sachwalterschaft auf Besorgung aller Angelegenheiten gemäß § 268 Abs 3 Z 3 ABGB erweitert (ON 131).

Mit dem am 1.8.2011 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz erstattete der Sach- walter auftragsgemäß den Jahresbericht für den Zeitraum 27.7.2010 bis 27.7.2011 zur persönlichen und finanziellen Situation der Betroffenen. Dieser Bericht wurde vom Erstgericht unter Punkt 1. seines Beschlusses vom 19.12.2011 sachwalterschafts- gerichtlich bestätigt.

Anspruch nach § 276 Abs 3 ABGB (Barauslagen) EUR 1.000,00

gesamt EUR 114.420,95 .

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht die Gesamtentschädigung des Sachwalters mit EUR 27.323,77 bestimmt und das Mehrbegehren in Höhe von EUR 87.297,18 abgewiesen. In der Begründung dieser Entscheidung führte das Erst- gericht im Wesentlichen aus, dass nach § 276 ABGB einem Sachwalter auf Antrag für

seine Tätigkeit eine Entschädigung zuzusprechen sei, wobei auf Art und Umfang der Tätigkeit sowie auf den damit gewöhnlich verbundenen Aufwand an Zeit und Mühe Bedacht zu nehmen sei. Die Entschädigung betrage im Normalfall 5 % sämtlicher Einkünfte nach Abzug der hiervon zu entrichtenden gesetzlichen Steuern und Abgaben. Bezüge die Kraft besonderer gesetzlicher Anordnung zur Deckung bestimmter Aufwendungen dienen (zB Pflegegeld) seien nicht als Einkünfte zu berücksichtigen.

Übersteige der Wert des Vermögens des Betroffenen EUR 10.000,--, so seien grund- sätzlich zusätzlich 2 % des übersteigenden Betrages dem Sachwalter als Entschädigung zu gewähren, soweit er sich um die Erhaltung des Vermögens oder dessen Verwendung zur Deckung von Bedürfnissen der betroffenen Person besonders verdient gemacht habe. Das Gericht habe diese Entschädigung aber zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen für angemessen halte.

Bei der Ermittlung des Wertes des Vermögens seien Liegenschaften mit dem 3- fachen Einheitswert zu berücksichtigen. Für die Liegenschaft EZ E*, **straße C* in B* sei jedenfalls die Entschädigung in voller Höhe von 2 % zu gewähren, da für diese Liegenschaft vier Bestandverhältnisse zu verwalten seien und diese den Hauptteil der gesamten Liegenschaftsverwaltung in Anspruch nehme. Für die übrigen Liegenschaften der Betroffenen, für welche kaum Tätigkeiten erforderlich gewesen seien, sei es zweckmäßig die Entschädigung auf 1 % zu reduzieren.

Hinsichtlich des Sparvermögens sei aufgrund der doch enormen Höhe und dem damit verbundenen geringen Aufwand - auch im Verhältnis zur Liegenschaftsverwaltung - eine Mäßigung auf 0,5 % gerechtfertigt. Der begehrte Aufwandersatz in Höhe von EUR 1.000,-- finde Deckung in § 276 Abs 3 ABGB, wonach dem Sachwalter die zur zweckentsprechenden Ausübung der Sachwalterschaft notwendigen Barauslagen jedenfalls zu erstatten seien. Weiters habe der Sachwalter als Rechtsanwalt unter Nutzung seiner besonderen beruflichen Kenntnisse Tätigkeiten erledigt, deren

Besorgung sonst einem Dritten entgeltlich hätten übertragen werden müssen, was einen weiteren Anspruch in der begehrten Höhe von EUR 2.233,62 rechtfertige.

Die Entschädigung sowie der Aufwandsersatz würden sich daher wie folgt errechnen:

Barauslagen EUR 1.000,00

EUR 27.123,77 .

Das Mehrbegehren in Höhe von EUR 87.297,18 sei abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Sachwalters, mit welchem dieser die Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahingehend beantragt, dass ihm eine Entschädigung von EUR 114.420,95 zuerkannt werde. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt teilweise Berechtigung zu:

Vorauszuschicken ist, dass im Rekursverfahren nur mehr zwei Rechtsfragen zur Beurteilung anstehen, nämlich einerseits, ob hinsichtlich des Liegenschaftsvermögens der Betroffenen vom 3-fachen Einheitswert als Bemessungsgrundlage für die Ent- schädigung des Sachwalters auszugehen ist, oder aber vom Verkehrswert als Bemessungsgrundlage. Andererseits ist noch zu beurteilen, ob und inwieweit aus besonderen Gründen im gegenständlichen Fall weniger als 2 % des den Betrag von EUR 10.000,-- übersteigenden Mehrbetrages des Vermögens der betroffenen Person zuzuerkennen sind.

Zu ersterer Frage führt der Rekurswerber aus, dass sich hinsichtlich der Bewertung von Liegenschaften im Rahmen der Bestimmung der Sachwalterentschädigung zwei Judikaturlinien herausgebildet hätten. Während die eine - so wie das Erstgericht - auf den 3-fachen Einheitswert abstelle, ziehe die andere den Verkehrswert heran (EFSlg 119.851). Jene Rechtsprechung, die im Rahmen der Bestimmung der Sach- walterentschädigung Liegenschaften mit dem 3-fachen ihres Einheitswertes bewerte, stütze sich auf eine Analogie zu § 167 Abs 2 AußStrG. Diese Bewertung habe aber lediglich in einem Verlassenschaftsverfahren und aus dem Grund zu erfolgen, um die Gebühren des Gerichtskommissärs einfach und rasch bestimmen zu können. Im vorliegenden Fall würden aber Gutachten, die den Verkehrswert der Liegenschaften der Betroffenen ausführlich und widerspruchsfrei aufschlüsseln aufgrund des Verfahrens zu ** des Landesgerichtes Innsbruck vorliegen und könnten sohin problemlos in das gegenständliche Sachwalterschaftsverfahren einfließen, ohne dass hiedurch irgendwelche Kosten oder sonstigen Verfahrensverzögerungen hinzukämen. Der 3-fache Einheitswert sei jedoch nur in jenen Fällen heranzuziehen, in denen die Argumente der Sparsamkeit und Einfachheit durchschlagen. Ansonsten sei der Sachwalterentschädigung der Verkehrswert zugrunde zu legen.

Diesen Ausführungen wird für den vorliegenden Fall beigetreten. Richtig ist - und darauf hat sich offenbar auch das Erstgericht gestützt - dass von einem Teil der Judikatur (EFSlg 119.842; EFSlg 123.487) bei der Bemessung der Sachwalterent- schädigung bei einem Liegenschaftsvermögen der 3-fache Einheitswert als Bemessungsgrundlage herangezogen wurde. Dabei lag jedoch diesen Ent- scheidungen insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als ein Verkehrswert der Immobilien nicht bekannt war und wurde es in diesen Fällen aus Gründen der Sparsamkeit für nicht zweckmäßig erachtet, allein zur Ermittlung der Entschädigung des Sachwalters ein Verkehrswertgutachten einzuholen (EFSlg 123.487; idS auch Landesgericht Innsbruck vom 17.6.2005, 53 R 41/05a). Wenn daher keine verlässlichen Anhaltspunkte vorliegen, den Wert des Liegenschaftsvermögens einer

betroffenen Person ziffernmäßig verlässlich zu erfassen und auch die Einholung eines Verkehrswertgutachtens zur Ermittlung der Entschädigung des Sachwalters nicht in Betracht kommt, erscheint es in solchen Fällen zweckmäßig in Analogie zu § 167 Abs

2 AußStrG den 3-fachen Einheitswert der Liegenschaft der Bemessung der Entschädigung zugrunde zu legen (idS auch EFSlg 113.951; 119.842).

Im vorliegenden Fall liegen jedoch Schätzungsgutachten in Bezug auf den Liegenschaftsbesitz der Betroffenen vor, sodass der „Wert des Vermögens” iSd § 276 Abs 1 ABGB aktenkundig feststeht. In einem solchen Fall besteht kein Bedarf einer Analogie in Richtung des § 167 Abs 2 AußStrG.

Dabei soll aber auch nicht verschwiegen werden, dass der vierte Senat des Landes- gerichtes Innsbruck diese Ansicht nicht teilt und auch in Fällen, in denen der Verkehrswert einer Liegenschaft aus dem Akt ersichtlich ist (Schätzgutachten) dem Entlohnungsanspruch des Sachwalters den 3-fachen Einheitswert der Liegenschaft als Bemessungsgrundlage zugrunde legt. Begründet wird diese Ansicht damit, dass eine Differenzierung danach, ob ein Schätzwertgutachten vorliegt oder nicht unsachgemäß wäre, weil in diesem Fall die Entschädigung des Sachwalters von der Einholung eines Schätzwertgutachtens und damit von einem durch den Betroffenen und durch den Sachwalter nicht beeinflussbaren Umstand abhängen würde (Landesgericht Innsbruck vom 7.12.2011, 54 R 116/11x).

Dieser Ansicht vermag sich der dritte Senat des Landesgerichtes Innsbruck jedoch aufgrund des Wortlautes des § 276 Abs 1 ABGB, wo ausdrücklich vom „Wert des Vermögens” die Rede ist, nicht anzuschließen. Beim steuerlichen Einheitswert handelt es sich um eine vom tatsächlichen Wert unabhängige Größe, die den Verkehrswert der Liegenschaft nicht widerspiegelt. Der dritte Senat ist daher der Ansicht, dass die Heranziehung des 3-fachen Einheitswertes in Analogie zu § 167 Abs 2 AußStrG dann nicht gerechtfertigt ist, wenn ein Verkehrswert feststeht, da in einem solchen Fall kein Bedarf für einen Analogieschluss besteht.

Der dritte Senat ist daher der Ansicht, dass der Entschädigung des Sachwalters in vorliegendem Fall der aktenkundige Verkehrswert der Liegenschaften zugrunde zu legen ist (in diesem Sinne offenbar auch EFSlg 119.851).

Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang noch anzumerken, dass der erste Senat des Rekursgerichtes es bisher offen gelassen hat, ob trotz Vorliegens eines Gutachtens in Analogie zu § 167 Abs 2 AußStrG der dreifache Einheitswert der Liegenschaft bei der Bemessung der Entschädigung des Sachwalters zugrundezu- legen ist (51 R 2/12m).

Des Weiteren normiert § 276 Abs 1ABGB:

Übersteigt der Wert des Vermögens des Pflegebefohlenen EUR 10.000,-- so ist darüberhinaus pro Jahr 2 % des Mehrbetrages an Entschädigung zu gewähren. Das Gericht hat die Entschädigung zu mindern, wenn es dies aus besonderen Gründen für angemessen hält ”.

Bereits aus dieser Textierung geht hervor, dass grundsätzlich 2 % des Mehrbetrages an Entschädigung zu gewähren sind und nicht, wie es das Erstgericht dargelegt (Beschluss S. 2) nur dann, wenn sich der Sachwalter um die Erhaltung des Vermögens besonders verdient gemacht hat. Lediglich im Ausnahmefall kann daher dieser Prozentsatz - nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtes (vgl. RIS- Justiz, RS0048959) - vermindert werden. Als solche besonderen Gründe wurde in der Judikatur etwa angesehen, wenn ein besonders eingeschränkter Wirkungskreis des Sachwalters vorlag oder nur ein kurzfristiger Einsatz (EFSlg 127.007; Tschugguel in Kletecka/Schauer, ABGB-Online, Rz 11 zu § 276 ABGB).

Darüberhinaus wird das Vorliegen von solch „besonderen Gründen” aber auch dann bejaht, wenn die Zuerkennung einer Entschädigung in dieser Höhe im Ergebnis zu einer unangemessen hohen Entschädigung führen würde, etwa weil das Vermögen des Pflegebefohlenen besonders hoch ist (Tschugguel a.a.O. Rz 12 unter Hinweis auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes G 18/08 = iFamZ 2010/4).

Dieses Kriterium erachtet das Rekursgericht - insoweit in Übereinstimmung mit der Beurteilung des Erstgerichtes - als gegeben. Aufgrund des erheblichen Vermögens der betroffenen Person ist das Rekursgericht daher in Ausübung des richterlichen Ermessens der Ansicht, dass von dem den Betrag von EUR 10.000,-- übersteigenden erheblichen Vermögen ein (geminderter) Prozentsatz von 1 % gerechtfertigt ist. Dabei erscheint es jedoch nicht sachgerecht und ökonomisch, hinsichtlich einzelner Vermögenswerte andere Prozentpunkte heranzuziehen. Insbesondere spricht § 276 Abs 1 ABGB vom „Wert des Vermögens” und stellt nicht darauf ab, ob nun einzelne Vermögenswerte einer besonderen Verwaltung durch den Sachwalter bedurften und differenziert auch nicht zwischen Spar- und Liegenschaftsvermögen.

Ausgehend von einem aktenkundigen Wert des Vermögens von EUR 5,362.484,16 (siehe die Aufstellung des Sachwalters im Jahresbericht AS 542) ergibt dies immer noch einen nicht unerheblichen Entschädigungsbetrag von EUR 53.624,84, der jedoch aufgrund der aktenkundigen umfangreichen Tätigkeiten des Sachwalters, nicht nur in seiner Funktion als Rechtsanwalt sondern auch in Bezug auf die von ihm organisierte und teilweise selbst durchgeführte Personensorge, welche sich in letzter Zeit auch noch intensiviert hat, gerechtfertigt ist. Unter Hinzurechnung der weiteren Positionen von EUR 3.937,65 aus den Einkünften, EUR 2.233,62 an Entgelt und Barauslagen von EUR 1.000,-- errechnet sich sohin ein Gesamtentschädigungsbetrag von EUR 60.796,11 für den Sachwalter. Dass die Auszahlung dieses Betrages die Befriedigung der Lebensbedürfnisse der betroffenen Person nicht iSd § 276 Abs 4 ABGB gefährdet, bedarf im Hinblick auf das umfangreiche Vermögen keiner Erörterung.

In teilweiser Stattgebung des Rekurses des Sachwalters war daher der angefochtene Beschluss wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.

Gemäß § 62 Abs 2 Z 1 AußStrG war auszusprechen, dass der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof jedenfalls unzulässig ist (RIS-Justiz, RS0017311).