JudikaturJustizBsw19744/92

Bsw19744/92 – AUSL EKMR Entscheidung

Entscheidung
17. Mai 1995

Kopf

Europäische Kommission für Menschenrechte, Kammer I, Beschwerdesache Mehmet Ali Arslan gegen Österreich, Zulässigkeitsentscheidung vom 17.5.1995, Bsw. 19744/92.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK, Art. 6 Abs. 2 EMRK - Strafrechtliches Entschädigungsgesetz und Unschuldsvermutung.

Unzulässigkeit der Beschwerde (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf. war aufgrund mehrerer Zeugenaussagen wegen Mordverdachts in Untersuchungshaft genommen worden. Später wurde das Strafverfahren eingestellt und der Bf. enthaftet. Der von ihm nach dem Strafrechtlichen Entschädigungsgesetz (StEG) gestellte Antrag auf Haftentschädigung wurde jedoch von den österreichischen Gerichten unter Hinweis auf den nicht gänzlich entkräfteten und daher weiterbestehenden Tatverdacht abgelehnt.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet, durch die im strafrechtlichen Entschädigungsverfahren vom Rechtsmittelgericht ausgesprochene Ablehnung der nochmaligen Einvernahme aller bereits gehörten Zeugen in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 (1) EMRK verletzt worden zu sein. Weiters behauptet er eine Verletzung von Art. 6 (2) EMRK (Unschuldsvermutung), weil das Gericht das StEG falsch angewendet und die Entschädigung unter Hinweis auf die nicht gänzliche Entkräftung des Tatverdachts abgelehnt habe.

Die Kms. stellt zunächst fest, sie habe in einem vergleichbaren, derzeit beim GH anhängigen Verfahren die Anwendbarkeit von Art. 6 EMRK auf Haftentschädigungsverfahren verneint (vgl. EKMR, Bsw. 15346/89, A.M. u. J.v.Z./NL, Ber. v. 4.7.1994). Zudem gewährt Art. 6 EMRK kein unbeschränktes Recht auf Einvernahme von Zeugen. Vielmehr hat die Beurteilung der Relevanz von Beweismaterial grundsätzlich durch den innerstaatlichen Richter zu erfolgen (vgl. Urteil Barbera, Messegué und Jabardo/E, A/146 § 68). Im ggst. Verfahren hat der Bf. keine neuen Beweismittel vorgebracht, sodass das Gericht aufgrund der bestehenden Beweislage ohne abermalige Einvernahme der Zeugen davon ausging, der Tatverdacht sei nicht entkräftet worden. Hierin kann die Kms. keine Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens erblicken.

Hinsichtlich der behaupteten fehlerhaften Anwendung des StEG stellt die Kms. fest, dass sie nur für die Überprüfung solcher Fehler innerstaatlicher Gerichte zuständig ist, welche die in der Konvention verbrieften Rechte verletzt haben könnten (vgl. std. Rspr. der Kms. Bsw. 458/59, X./B, Entsch. v. 29.3.1960, Yearbook 3, 222ff., 236; Bsw. 5258/71, X./S, Entsch. v. 8.2.1973, CD 43, 71ff., 77; Bsw. 7987/77, X./B, Entsch. v. 13.12.1979, DR 18, 31, 45). Hier gibt es keine Anzeichen für willkürliche Gesetzesanwendung durch die innerstaatlichen Gerichte.

Hinsichtlich der behaupteten Verletzung der Unschuldsvermutung erinnert die Kms. daran, dass diese nur dann verletzt wird, wenn die Schuld der betroffenen Person behauptet wird (vgl. Urteil Minelli/CH, A/62 § 37; Urteil Lutz/D, A/123 §§ 58ff.; Urteil Sekanina/A, A/266-A §§ 24ff.), nicht aber wenn, wie es die österr. Gerichte hier getan haben, lediglich das weitere Bestehen eines Tatverdachtes festgestellt wird. Wegen offensichtlicher Unbegründetheit iSv. Art. 27 (2) EMRK erklärt die Kms. die Beschwerde für unzulässig (einstimmig).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über die Zulässigkeitsentscheidung der EKMR vom 15.5.1995, Bsw. 19744/92, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1995,144) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Die Zulässigkeitsentscheidung im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/95_4/Arslan v A_ZE.pdf

Das Original der Zulässigkeitsentscheidung ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.