JudikaturJustizBsw18990/91

Bsw18990/91 – AUSL EGMR Entscheidung

Entscheidung
18. Februar 1997

Kopf

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Kammer, Beschwerdesache Nideröst-Huber gegen die Schweiz, Urteil vom 18.2.1997, Bsw. 18990/91.

Spruch

Art. 6 Abs. 1 EMRK - Gebot der Waffengleichheit im Rechtsmittelverfahren.

Verletzung von Art. 6 EMRK (einstimmig).

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Der Bf. war Verwaltungsratspräsident und Geschäftsführer einer in Familienbesitz befindlichen Aktiengesellschaft. Im Jahr 1985 wurde er nach einer Änderung der Mehrheitsverhältnisse innerhalb des Unternehmens entlassen. Er klagte daraufhin das Unternehmen auf Abgangsentschädigung beim Schwyzer Bezirksgericht. Dieses wies sein Begehren ab. Auch eine Berufung an das Schwyzer Kantonsgericht blieb erfolglos. Am 23.10.1990 erhob der Bf. beim Schwyzer Kantonsgericht Berufung an das Bundesgericht. Das Kantonsgericht übermittelte daraufhin die Akten zusammen mit einer Stellungnahme, in der es dem Bundesgericht empfahl, die Berufung abzuweisen. Diese wurde aber dem Bf. nicht zugestellt. Das Bundesgericht bestätigte die Urteile der Unterinstanzen. Das Urteil wurde am 30.4.1991 zugestellt. Noch am selben Tag beantragte der Bf. eine Kopie der besagten Stellungnahme des Schwyzer Kantonsgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Rechtsausführungen:

Der Bf. behauptet eine Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (hier: Gebot der Waffengleichheit), da das Bundesgericht es unterlassen hat, dem Bf. vor der Urteilsfällung die Stellungnahme des Schwyzer Kantonsgerichtes zur anhängigen Berufung zu übermitteln. Eine Gegenäußerung war somit für den Bf. nicht möglich.

Grundsätzlich sind Stellungnahmen zu Berufungen mit den Grundsätzen eines fairen Verfahrens vereinbar. Als problematisch muss es jedoch angesehen werden, wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Partei davon keine Kenntnis erlangt. Das Kantonsgericht hat jedoch keine der Streitparteien diesbezüglich verständigt, weshalb dieses Vorgehen auch keine Verletzung des Gebotes der Waffengleichheit darstellt. Jedoch war die Stellungnahme des Kantonsgerichtes keinesfalls neutral, sondern empfahl dem Bundesgericht sogar explizit die Abweisung der Klage. Es ist unwahrscheinlich, dass das Bundesgericht diesen Ausführungen überhaupt keine Relevanz beigemessen hat. Daher wäre es nötig gewesen, dem Bf. Gelegenheit zur Gegenäußerung einzuräumen. Verletzung von Art. 6 (1) EMRK (einstimmig).

Anm.: Vgl. insb. die - vom GH zitierten - ähnlich gelagerten Fälle Lobo Machado/P, Urteil v. 20.2.1996 und Vermeulen/B, Urteil v. 20.20.1996 (= NL 96/2/4).

Anm.: Die Kms hatte in ihrem Ber. v. 23.10.1995 eine Verletzung von

Art. 6 (1) EMRK festgestellt (24:6 Stimmen).

Hinweis:

Das vorliegende Dokument über das Urteil des EGMR vom 18.2.1997, Bsw. 18990/91, entstammt der Zeitschrift „ÖIMR-Newsletter" (NL 1997, 46) bzw. der entsprechenden Datenbank des Österreichischen Institutes für Menschenrechte, Salzburg, und wurde von diesem dem OGH zur Aufnahme in die Entscheidungsdokumentation Justiz im RIS zur Verfügung gestellt.

Das Urteil im englischen Originalwortlaut (pdf-Format):

www.menschenrechte.ac.at/orig/97_2/Nideroest-Huber.pdf

Das Original des Urteils ist auch auf der Website des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (www.echr.coe.int/hudoc) abrufbar.