JudikaturJustiz9Os159/78

9Os159/78 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Februar 1979

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Februar 1979

unter dem Vorsitz des Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pallin, in Gegenwart des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer sowie der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Dr. Steininger und Dr. Horak als Richter sowie des Richteramtsanwärters Mag. Santa als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. Juni 1978, GZ. 29 Vr 408/78-87, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Senatspräsident des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Philipp, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird verworfen. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die rechtliche Beurteilung der zu den Punkten III) 1.), 2.) und 3.) des Urteilssatzes bezeichneten Tathandlungen als das (in Verbindung mit den Punkten III) 4.), 5.) und 6.) des Urteilssatzes begangene) Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB und in der rechtlichen Unterstellung des zu Punkt IV des Urteilssatzes angeführten Sachverhaltes als Vergehen des (vollendeten) tätlichen Angriffes gegen einen Beamten nach § 270 Abs 1 StGB und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

'Helmut A hat durch die in den Punkten III) 1.), 2.) und 3.) des Urteilssatzes bezeichneten Tathandlungen das Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und durch die unter Punkt IV bezeichnete Tathandlung das Vergehen des versuchten tätlichen Angriffes gegen einen Beamten nach §§ 15, 270 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür sowie für die übrigen ihm zur Last fallenden strafbaren Handlungen gemäß § 202 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 (zwanzig) Monaten verurteilt.

Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und über die Anrechnung der Vorhaft werden aus dem Ersturteil übernommen.' Mit seiner Berufung, soweit sich diese gegen den Ausspruch über die Strafe richtet, wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Hingegen wird der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über den Privatbeteiligtenzuspruch Folge gegeben, dieser Ausspruch aufgehoben und die Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2, zweiter Satz, StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Gemäß § 390 a StPO hat der Angeklagte auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Helmut A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs 1 StGB (Punkt I) des Urteilssatzes), sowie der Vergehen des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1

StGB (Punkt II) des Urteilssatzes), der - in sechs Fällen begangenen - schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB (Punkt III) des Urteilssatzes), des tätlichen Angriffes auf einen Beamten nach § 270 Abs 1

StGB (Punkt IV) des Urteilssatzes) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (Punkt V) des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte in sämtlichen Schuldsprüchen mit einer ziffernmäßig auf die Nichtigkeitsgründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum Schuldspruchfaktum I):

Nach dem Inhalt dieses Schuldspruchs versuchte der Angeklagte am 26. Mai 1977 in Absam die Katharina B mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen, indem er ihr mehrfach Schläge und Ohrfeigen versetzte, sie mit dem Kopf gegen die Wand stieß, ihr die Strumpfund Unterhose herunterriß, die Beine mehrmals auseinanderspreizte, sie würgte und immer wieder versuchte, mit seinem Glied in ihre Scheide einzudringen.

Rechtliche Beurteilung

Einen den Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO verwirklichenden Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Nichtvernehmung der Zeugen Hilde A, N. C und Leo D; die Verfahrensrüge ist jedoch unbegründet.

Die vom Erstgericht mit Zwischenerkenntnis abgelehnte zeugenschaftliche Vernehmung der Hilde A wurde zum Beweis dafür begehrt, daß Katharina B laufend unter schweren und mittleren epileptischen Anfällen leide und während dieses Zeitraumes (geistes-)abwesend sei (vgl. Band II, S. 140, 142 d. A). Dieser Umstand steht jedoch auf Grund des als Urteilsgrundlage herangezogenen Gutachtens des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Heinz E ohnedies fest (vgl. Band I, S. 227 ff d. A). Darüber aber, ob Katharina B in der Nacht zum 26. Mai 1977 tatsächlich einen epileptischen Anfall erlitten hat, demzufolge sie auf der Treppe stürzte und sich (ohne Fremdverschulden) verletzte, welche Möglichkeit das Erstgericht unter Zugrundelegung des Gutachtens des genannten Sachverständigen mit Bestimmtheit ausschloß (vgl. Band I, S. 231, Band II, S. 133 f, 154 d. A), hätte die beantragte Zeugin keine Aufschlüsse geben können; ihrer Vernehmung bedurfte es demnach nicht.

Einen Antrag auf zeugenschaftliche Vernehmung der (nur in der Zeugenaussage des Gottfried A erwähnten - Band III, S. 129 d. A - ) N. C und Leo D hat der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung nicht gestellt;

insoweit fehlt es daher schon an den formellen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes.

Zu Unrecht bezeichnet der Beschwerdeführer die das Schuldspruchfaktum I) betreffenden Urteilsgründe als im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO aktenwidrig, unvollständig und offenbar unzureichend: Der Umstand, daß eine Untersuchung der in der Wohnung des Angeklagten objektivierten Blutspuren und somit eine Klärung der Frage, ob diese von ihm oder von Katharina B stammen, unterblieben ist, stellt keine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung dar; ein solcher, in einer unvollständigen Ausschäpfung möglicher Beweisquellen (allenfalls) bestehender Verfahrensmangel könnte vielmehr nur unter den - hier fehlenden - Voraussetzungen der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO gerügt werden (vgl. Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, Nr. 35 f zu § 281 Abs 1 Z 5 StPO). Daß sich das Erstgericht aber nicht mit allen Einwänden, die der Beschwerdeführer gegen die - im Urteil auf Grund einer Gesamtbeurteilung (§ 258 Abs 2 StPO) mit schlüssiger, sohin zureichender Begründung bejahte - Glaubwürdigkeit der Zeugin Katharina B vorbrachte, auseinandergesetzt hat und nicht auf alle Verfahrensergebnisse im Detail eingegangen ist, stellt keinen Verstoß gegen die im Gesetz normierte Begründungspflicht dar, die eine Abfassung der Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung verlangt (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO). Soweit sich der Beschwerdeführer dagegen wendet, daß das Erstgericht der Aussage der Zeugin Katharina B Glauben geschenkt, die des Zeugen Gottfried A hingegen als unglaubwürdig abgelehnt hat, unternimmt er nur den Versuch einer im Nichtigkeitsverfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Bekämpfung der Beweiswürdigung des Schöffengerichtes.

Ebensowenig vermag er darzutun, daß das Gutachten des dem Verfahren beigezogenen gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Univ.Prof. Dr. Heinz E, auf Grund dessen das Erstgericht einen epileptischen Anfall der Katharina B zur Tatzeit ausgeschlossen hat, mit Widersprüchen und Mängeln im Sinne der §§ 125, 126 StPO behaftet wäre. Daß der gerichtsmedizinische Sachverständige Univ.Prof. Dr. Rainer F die (rein theoretische) Möglichkeit, die festgestellten Verletzungen der Katharina B könnten während eines epileptischen Anfalls entstanden sein, nicht ausschloß (vgl. Band II, S. 134 d. A), begründet keinen einer Erörterung in den Entscheidungsgründen bedürftigen Widerspruch oder sonstigen Mangel des erstgenannten Sachverständigengutachtens, zumal Prof. F auf Grund der Art ihrer Verletzungen (ebenfalls) einen Sturz der Katharina B nicht annahm (vgl. Band II, S. 134 unten, 154 d. A).

Zu den Schuldspruchfakten II), III) 4.), 5.) und 6.) sowie IV):

Nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen kam es in der Nacht zum 15. Dezember 1977 im Gasthaus 'R***' in Hall in Tirol zwischen dem Angeklagten und der Kellnerin Katharina G zu einer Auseinandersetzung wegen angeblicher Nichtbezahlung einer Zeche, in deren Verlauf der Angeklagte die im Lokal anwesenden Gäste anstänkerte, die Ruhe störte und der Aufforderung des Gastwirtes, das Lokal zu verlassen, nicht nachkam. Dies zu tun weigerte er sich auch nach Eintreffen des vom Gastwirt herbeigeholten Gendarmeriebeamten Hans H; vielmehr benahm er sich diesem gegenüber (weiterhin) äußerst ungestüm und nahm eine drohende Haltung ein, worauf dieser Gendarmeriebeamte seine Festnahme aussprach. In der Folge versuchte der Angeklagte, die Gendarmeriebeamten Hans H, Hugo I und Gerhard J, die im Begriffe waren, ihn festzunehmen, zum Gendarmerieposten zu bringen, dort zu durchsuchen und in den Arrest zu bringen, durch Losreißen, Umsichschlagen und Verteilen von Tritten, sowie Versetzen von Fausthieben und Würgen, sowie durch Ankündigung weiterer Schläge an ihren Amtshandlungen zu hindern (Schuldspruchfaktum II)). Hiebei fügte er während der Fahrt im Polizeiauto dem Gendarmeriebeamten Hans H durch Kratzen und Würgen eine Prellung und Schürfwunde im Gesicht, im Gemeindearrest dem Gendarmeriebeamten Anton K durch Versetzen eines Faustschlages ins Gesicht eine Prellung des linken Jochbeines sowie dem Gendarmeriebeamten Gerhard J durch Versetzen eines Schlages mit seinen mit Handschellen geschlossenen Händen eine Prellung und Schürfwunde des fünften linken Fingers zu (Schuldspruchfakten III) 4.), 5.) und 6.)). Schließlich versuchte er, dem Gendarmeriebeamten Reinhold L, als dieser ihm die Handschellen abnahm, einen Schlag ins Gesicht zu versetzen (Schuldspruchfaktum IV)).

In Bekämpfung dieser Schuldsprüche rügt der Beschwerdeführer zunächst aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO die Abweisung seiner Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Amtsarztes Dr. Erwin M zum Beweis dafür, daß er selbst von den einschreitenden Gendarmeriebeamten erheblich verletzt worden sei, und der (Kellnerin) 'Angie' N zum Beweise dafür, daß der Beschwerdeführer für die Bezahlung einer bei ihr bestehenden Zechschuld Sorge getragen habe (vgl. Band II, S. 141 ff d. A).

Die Frage, welcher Art und welchen Grades die von Dr. M ärztlich versorgten Verletzungen des Angeklagten waren und ob diese sogar eine stationäre Aufnahme in ein Krankenhaus erfordert hätten, kann indes für das vorliegende Verfahren als nicht entscheidungswesentlich auf sich beruhen. Denn auch wenn der Angeklagte seinerseits verletzt worden sein sollte, so schließt das nicht aus, daß er, wie das Erstgericht auf Grund der übereinstimmenden Zeugenaussagen als erwiesen annahm, sich der gegen ihn gerichteten Amtshandlungen von Anfang an gewaltsam widersetzt und die Gendarmeriebeamten vorsätzlich verletzt hat. Einer Vernehmung der 'Angie' N bedurfte es deshalb nicht, weil das Erstgericht ohnedies der Verantwortung des Angeklagten, er habe ihr durch Anton O 300 S als Bezahlung der offenen Zechschuld überbringen lassen, Glauben schenkte und ihn demnach vom Betrugsvorwurf loszählte; als Tatzeugin für die in Rede stehenden Vorfälle kam sie im übrigen nicht in Betracht.

Der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO liegt sohin auch insoweit nicht vor.

Den Beschwerdeausführungen zuwider haften dem Ausspruch über entscheidende Tatsachen in Ansehung der in Rede stehenden Schuldspruchfakten aber auch formelle Begründungsmängel im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht an. Weder die Aussage des Zeugen Ernst P, der bekundete, daß der Angeklagte gegenüber den Gendarmeriebeamten eine drohende Haltung einnahm und sich wiederholt losriß (vgl. Band I, S. 190, Band II, S. 34, 114 f d. A), noch die des Zeugen Gerhard J, der als Lenker des Einsatzfahrzeuges das Geschehen während der Fahrt zum Gendarmerieposten nicht im Detail beobachten konnte (vgl. Band I, S. 193, Band II, S. 55, 119 d. A), läßt einen Widerspruch zu den übrigen einschlägigen Beweisergebnissen erkennen, der unter diesem Gesichtspunkt nähere Erörterungen in den Entscheidungsgründen erforderlich gemacht hätte. Soweit der Beschwerdeführer aber im Sinne seiner gerichtlichen Verantwortung behauptet, er sei nur der tätlich Angegriffene gewesen und von den Gendarmeriebeamten mißhandelt worden, bekämpft er abermals bloß die schlüssige erstgerichtliche Beweiswürdigung, mit der das Erstgericht diese Verantwortung als widerlegt erachtete, nach Art einer gegen schöffengerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung. Mit der Behauptung, es habe keine Veranlassung für ein Einschreiten der Gendarmerie gegen ihn bestanden, da er die Zeche ohnedies bezahlt habe, und es müsse daher das Verhalten der Gendarmeriebeamten als 'Provokation' angesehen werden, beruft sich der Beschwerdeführer auf den Strafausschließungsgrund des § 269 Abs 4 StGB. Er übersieht hiebei einerseits, daß das Einschreiten der Gendarmerie nach den Konstatierungen des Erstgerichtes schon deshalb berechtigt war, weil er die Ruhe und Ordnung im Gasthaus 'RÖsSL' gestärt hatte und der Aufforderung des Gastwirtes, das Lokal zu verlassen, nicht nachgekommen war.

In rechtlicher Hinsicht kommt es andererseits bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines im Sinne des § 269 Abs 1

StGB tatbildlichen Verhaltens nicht auf die materielle Gesetzmäßigkeit der Amtshandlung, sondern nur darauf an, ob der Beamte zu der Amtshandlung ihrer Art nach berechtigt ist und diese nicht gegen strafgesetzliche Vorschriften verstäßt, wovon gegebenenfalls schon angesichts der zur Tatzeit bestehenden Verdachtslage in Richtung eines Zechbetruges nicht die Rede sein konnte (vgl. LSK 1976/16 =

EvBl 1976/187, LSK 1977/168).

In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO vertritt der Beschwerdeführer schließlich die Auffassung, daß die Urteilsfeststellungen zum Schuldspruchfaktum IV) für eine Unterstellung seines bezüglichen Tatverhaltens unter den Tatbestand des § 270 Abs 1

StGB nicht ausreichend seien. Auch damit ist er jedoch nicht im Recht.

Nach § 270 Abs 1 StGB ist jeder tätliche Angriff gegen einen Beamten während einer Amtshandlung (§ 269 Abs 3 StGB) pönalisiert. Nach den Urteilsannahmen lag ein solcher tätlicher Angriff deshalb vor, weil der Angeklagte dem Gendarmeriebeamten Reinhold L, als ihm dieser die Handschellen abnahm, einen Schlag ins Gesicht zu versetzen suchte, dem dieser nur durch eine Wendung ausweichen konnte (Band III, Seiten 147 und 149). Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1

StPO, welcher vom Angeklagten mit dem Antrag auf Freispruch geltend gemacht wird, liegt daher nicht vor, weil der Annahme des Tatbestandes des Vergehens des tätlichen Angriffes gegen einen Beamten während einer Amtshandlung ein Rechtsirrtum in diesem Sinne nicht anhaftet. Wohl aber liegt der Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs 1 StPO vor, weil dieser Tatbestand bei rechtsrichtiger Beurteilung nicht als vollendet, sondern nur als versucht beurteilt werden kann, welcher Umstand, da vom Angeklagten in seinem Rechtsmittel nicht geltend gemacht, von Amts wegen gemäß § 290 Abs 1 StPO aufgegriffen werden muß. Da es vorliegend zu einem Kontakt mit dem Körper des Beamten, sohin zu einer tätlichen Einwirkung, nach den Feststellungen des Erstgerichtes (vgl. aber Band II, S. 158 d. A) nicht gekommen und damit der tätliche Angriff nicht gelungen ist, verantwortet der Angeklagte nur das Vergehen nach §§ 15, 270 Abs 1 StGB.

Zum Schuldspruchfaktum III) 1.):

In Ansehung dieses Schuldspruchfaktums wird dem Angeklagten angelastet, daß er am 22. Mai 1976 in Jenbach dem Egon Q durch Versetzen eines Faustschlages ins Gesicht, der Nasenbluten zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzte.

Dem auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5

StPO gestützten Beschwerdeeinwand, das Erstgericht habe sich nicht mit den Aussagen der Zeugen Elmar R, Othmar S und Günther T auseinandergesetzt, kommt keine Berechtigung zu. Stützte sich doch das Erstgericht bei der Läsung der Schuldfrage auf die eigene (vor der Gendarmerie abgelegte und vor dem Untersuchungsrichter aufrechterhaltene) Verantwortung des Angeklagten (Band II, S. 155 d. A); danach wurde er zwar von Egon Q mit einem hälzernen Schlagring angegriffen, doch gelang es ihm, diesen dem Angreifer wegzunehmen und ihm einen Schlag ins Gesicht zu versetzen; erst dann zog er den Egon Q mit den Haaren herunter und stieß ihm mit seinem Knie ins Gesicht, wodurch Q Nasenbluten erlitt (vgl. Band I, ON 4 in ON 2, Band II, S. 41 in ON 76 d. A). Daraus ergibt sich aber, daß schon nach den Angaben des Beschwerdeführers selbst - der sich zu diesem Schuldspruchfaktum im übrigen auch in der Hauptverhandlung schuldig bekannte und eingestand, er sei zornig gewesen und habe zurückgeschlagen (vgl. Band II, S. 130 f d. A) - das Vorliegen einer zur Abwehr eines gegen ihn gerichteten gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden Angriffs erforderlichen (maßhaltenden) Verteidigungshandlung des Angeklagten auszuschliessen war; eine Erörterung der übrigen - dieser Annahme nicht entgegenstehenden - Verfahrensergebnisse erübrigte sich daher.

Zu den Schuldspruchfakten III) 2.) und 3.) sowie V):

Nach den hiezu getroffenen Urteilsfeststellungen belästigte der Angeklagte am 15. Oktober 1977 in einem Lokal in Hall in Tirol Gäste, wobei er absichtlich einige Biergläser zu Boden warf, die dadurch zerbrachen.

Der Aufforderung des Gastwirtes Franz U, das Lokal zu verlassen, leistete er keine Folge. Vielmehr griff er Franz U an und würge ihn am Hals, wodurch dieser Kratzspuren über einem Kieferwinkel erlitt. In der Folge gelang es dem zu Hilfe kommenden Wilfried V, den Angeklagten aus dem Lokal zu bringen. Vor dem Lokal stürzte dieser zu Boden. Als er sich jedoch wieder erhoben hatte, versetzte er dem V einen Faustschlag ins Gesicht, der den Verlust eines linken oberen Schneidezahnes sowie Kratzwunden zur Folge hatte.

Soweit der Beschwerdeführer als einen Verfahrensmangel im Sinne des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO rügt, daß der von ihm im Zuge seiner Verantwortung erwähnte Klaus W nicht als Zeuge vernommen wurde, ist ihm entgegenzuhalten, daß er eine solche Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung nicht begehrt hat. Davon abgesehen, hätte schon nach seinem eigenen Vorbringen durch diese Zeugenaussage nur erwiesen werden können, daß Franz U einen Gummiknüppel besitzt, nicht aber, daß er diesen im konkreten Fall auch tatsächlich verwendet hat (vgl. Band II, S. 137 d. A). Eine Verletzung von Verteidigungsrechten des Angeklagten liegt sohin auch hier nicht vor.

Desgleichen trifft der Vorwurf einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1

StPO nicht zu: Auf Grund der Verfahrensergebnisse erachtete das Erstgericht die Verantwortung des Angeklagten, er sei (auch hier) der Angegriffene gewesen, habe sich nur gewehrt und Schläge des Franz U mit einem Gummiknüppel befürchtet, als widerlegt. Daß der Zeuge Peter X, der die Darstellung der beiden Verletzten entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, sonst in allen wesentlichen Punkten bestätigte, nicht alle Details des Vorfalles wiedergeben konnte (vgl. Band I, S. 39 in ON 41, Band II, ON 71 und 137 f d A), bedurfte keiner ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen. Die Annahme, daß die Tathandlungen des Angeklagten aber Verletzungen des Franz U und des Wilfried V zur Folge hatten, findet in den Verfahrensergebnissen hinreichend Deckung und ist - den Beschwerdeausführungen zuwider - frei von Widersprüchen im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 StPO. Der Umstand, daß der Angeklagte bei dem Vorfall selbst verletzt wurde, wurde vom Erstgericht nicht mit Stillschweigen übergangen, jedoch vor allem im Hinblick darauf, daß er vor dem Lokal zu Boden gestürzt war, nicht als Beweis für die Richtigkeit seiner - auf Notwehr hinauslaufenden - Verantwortung gewertet (vgl. Band II, S. 156 d. A). Auch darin liegt ein Akt freier Beweiswürdigung, der einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen ist.

Die Feststellung, daß die Sachbeschädigung nicht erst im Zuge der Tätlichkeiten erfolgte, sondern diese ausläste, der Angeklagte mithin die Biergläser vorsätzlich durch Zubodenwerfen zerschlug, ist in der Aussage des Zeugen U gedeckt (Band II, S. 136 d. A); einen formellen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs 1

StPO vermag der Beschwerdeführer daher auch in diesem Belange nicht aufzuzeigen. Soweit er in diesem Zusammenhang auch den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO anruft, geht er nicht von den im Urteil getroffenen, sondern von gegenteiligen (urteilsfremden) Tatsachenannahmen aus; insoweit mangelt es daher schon an einer gesetzmäßigen Ausführung des angerufenen materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes.

Der zur Gänze unbegründeten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war sohin ein Erfolg zu versagen.

Aus Anlaß seiner Nichtigkeitsbeschwerde war jedoch gemäß dem § 290 Abs 1 StPO weiters von Amts wegen wahrzunehmen, daß dem Urteil die folgende, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte, sich jedoch zu seinem Nachteil auswirkende Gesetzesverletzung, welche den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 10 StPO verwirklicht, anhaftet. Das Erstgericht unterstellte nämlich sämtliche vom Urteilsvorwurf erfaßten (Körperverletzungs )Delikte dem Tatbestand der schweren Körperverletzung nach den §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4 StGB, obwohl die Qualifikationsvoraussetzungen nach der zuletzt angeführten Gesetzesstelle nur die Schuldspruchfakten III) 4.), 5.) und 6.) betreffen. Hat der Angeklagte aber in (echter) Realkonkurrenz mehrere Körperverletzungen zu verantworten, von welchen nur einige als schwere qualifiziert sind, dann darf ihm - mangels einer dem § 29

StGB ähnlichen Regelung - die Qualifikation des § 84 Abs 2 Z 4 StGB nur in jenen Fällen angelastet werden, in welchen sie tatsächlich vorliegt. In allen übrigen Fällen (Schuldspruchfakten III) 1.), 2.) und 3.)) hat er hingegen nur den (ihm gesondert anzulastenden) Tatbestand der (einfachen) Körperverletzung nach dem § 83 Abs 1 StGB zu vertreten (vgl. LSK 1978/165 = EvBl 1978/168).

Bei der durch diese Entscheidung erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafe, die nach der von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafdrohung des § 202 Abs 1 StGB zu erfolgen hatte, hat der Oberste Gerichtshof als erschwerend zwei auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorstrafen, die über den Angeklagten wegen der Übertretung der leichten Körperverletzung nach § 411 StG 1945 und des Verbrechens der Erpressung nach § 98 lit a und b StG 1945 verhängt worden sind, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit fünf Vergehen und die je dreifache Wiederholung der Körperverletzungen gewertet. Als mildernd wurde ein gewisses Teilgeständnis, der Umstand, daß es sowohl beim Verbrechen der Nötigung zum Beischlaf als auch bei den Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt und des tätlichen Angriffs auf einen Beamten beim Versuch geblieben ist, und daß es zum Verbrechen nach § 202 Abs 1 StGB im wesentlichen doch nur gekommen ist, weil Katharina B sich vom Angeklagten zuerst in ein weiteres Nachtlokal einladen ließ und sich dann freiwillig dazu bereitfand, mit ihm nach Mitternacht in seine Wohnung zu fahren. Es ist daher dem Angeklagten in diesem Zusammenhang der Milderungsgrund des § 34 Z 9 StGB zugute zu halten. Unter Berücksichtigung des Schuldgehaltes, der dem Angeklagten zur Last liegenden Straftaten und seiner Täterpersönlichkeit sowie unter Bedachtnahme auf die im § 32 StGB normierten allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der im Spruche angegebenen Dauer als schuld- und tatangemessen.

Mit seiner Berufung wegen des Ausspruches über die Strafe war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens nach § 389 StPO und über die Anrechnung der Vorhaft nach § 38 StGB konnten aus dem Ersturteil übernommen werden.

Dagegen kommt der Berufung des Angeklagten wegen des Ausspruches über den Privatbeteiligtenzuspruch schon deshalb Berechtigung zu, weil er entgegen der Bestimmung des § 365 Abs 2 StPO nicht zu dem Antrag des Privatbeteiligtenvertreters auf Zuspruch von 1.000 S Schmerzengeld und Schadenersatzteilbetrag (Band III S. 141 d. A) vernommen worden ist. Da es an dieser formellen Voraussetzung mangelt, war der bezüglichen Berufung des Angeklagten Folge zu geben, der Privatbeteiligtenzuspruch aufzuheben und Katharina B mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2, zweiter Satz, StPO auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.