JudikaturJustiz9Os136/82

9Os136/82 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 1982

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. September 1982

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth, Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Rathmanner als Schriftführer in der Strafsache gegen Herwig A wegen des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. März 1982, GZ 3 d E Vr 13286/81-8, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Herwig A, AZ 3 d E Vr 13286/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, verletzt das Urteil des Einzelrichters dieses Gerichtshofes vom 19. März 1982, GZ 3 d E Vr 13286/81-8, im Schldspruch des Herwig A (auch) wegen Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB das Gesetz in dieser Bestimmung. Dieses Urteil, welches im übrigen (: Schuldspruch wegen Vergehens nach § 231 Abs. 1 StGB) unberührt bleibt, wird im bezeichneten Schuldspruch wegen Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Herwig A wird unter Ausschaltung des Schuldspruchs nach § 108 Abs. 1 StGB für das ihm weiterhin zur Last fallende Vergehen des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Wochen verurteilt.

Die Aussprüche über die Anrechnung der Vorhaft und über die Kostenersatzpflicht des Beschuldigten werden aus dem Ersturteil übernommen.

Text

Gründe:

Mit dem in Form eines Protokolls- und Urteilsvermerks (§ 458 Abs. 2 StPO) beurkundeten Urteil eines Einzelrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. März 1982, GZ 3 d E Vr 13286/81-8, wurde der am 21. Mai 1935 geborene Herwig A im Sinne des von der Staatsanwaltschaft Wien gestellten Strafantrages (ON 3) der Vergehen der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB und des Gebrauches fremder Ausweise nach § 231 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Nach der dem Schuldspruch (im Sinne der Beestimmung des § 488 Z 7 StPO) zugrundegelegten Fassung des Strafantrages hat Herwig A am 1. Oktober 1981 in Wien 1. dadurch, daß er anläßlich eines Verkehrsunfalles dem Polizeibeamten Revierinspektor Günther B den Führerschein des 1976 verstorbenen Josef C vorzeigte und sich als dieser ausgab, sohin durch Täuschung über Tatsachen dem Staat an seinem konkreten Recht der Feststellung der Identität eines Verkehrsteilnehmers absichtlich einen Schaden zugefügt, wodurch ein Straßenaufsichtsorgan zur Unterlassung einer Anzeige wegen Fahrens mit einem PKW ohne Führerschein verleitet wurde;

2. einen amtlichen Ausweis, nämlich einen Führerschein, der für Josef RAAb ausgestellt wurde, im Rechtsverkehr gebraucht, als wäre er für ihn ausgestellt.

Zufolge ungenützten Verstreichens der 3-tägigen Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels ist dieses Urteil in Rechtskraft erwachsen. Die erst am 24. März 1982 zur Post gegebene 'Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung' des Angeklagten (ON 11) wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 28. Juni 1982, 27 Bs 268/82, (wegen Verspätung), als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist dem Erstgericht noch nicht zugeleitet worden; die bereits erlassene Endverfügung ON 10 wurde vom Erstrichter nach Einlangen der verspäteten Berufungsanmeldung durch Anordnung ihrer Nichtabfertigung widerrufen (S 67), sodaß das Urteil bisher nicht in Vollzug gesetzt ist.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19. März 1982, ON 8, steht insofern mit dem Gesetz nicht im Einklang, als darin eintätiges Zusammentreffen der Vergehen nach § 108 Abs. 1 und 231 Abs. 1 StGB angenommen wurde. Vorliegend war der Schuldspruch wegen des Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB schon deshalb verfehlt, weil die durch die Irreführung bewirkte Rechtsverletzung lediglich in der Abwehr des staatlichen Verfolgungsanspruches (hier: Anzeige wegen Fahrens mit einem PKW ohne Führerschein) bestanden hat. Das Tatbild des § 108 Abs. 1 StGB schützt aber kein konkretes staatliches Recht, das in der Durchsetzung dieses Verfolgungsanspruches besteht. Wer sich bei gegen ihn gerichteten polizeilichen Erhebungen mit einem Ausweis, der für einen anderen ausgestellt ist, legitimiert, als wäre der Ausweis für ihn ausgestellt, gebraucht diesen Ausweis im Rechtsverkehr und haftet dafür (nur) nach § 231 Abs. 1 StGB (LSK 1977/183, 184 = EvBl 1977/214 = RZ 1977/90). Der Schuldspruch wegen Vergehens der Täuschung nach § 108 Abs. 1 StGB verstößt daher vorliegend gegen das Gesetz.

Diese Urteilsnichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO bewirkende Gesetzesverletzung, die (vom Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht im Sinne der § 477 Abs. 1, 2.

Satz, (489 Abs. 1) StPO auch von Amts wegen /vgl Mayerhofer-Rieder, ENr 15 und 16 zu § 477 StPO; siehe auch 22 Bs 425/80 des Oberlandesgerichtes Wien/ wahrzunehmen gewesen wäre), hat sich durch die daraus resultierende Strafbemessung nach § 108 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB ersichtlich zum Nachteil des Beschuldigten ausgewirkt, sodaß in Stattgebung der von der Generalprokuratur gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Beschwerde dieser Teil des Schuldspruchs aufzuheben, aus dem bezeichneten Urteil auszuschalten und die Strafe gemäß § 231 Abs. 1 StGB neu zu bemessen war. Hiebei konnten die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe - mit Ausnahme des Zusammentreffens zweier Vergehen - übernommen werden und erschien auf dieser Grundlage eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Wochen als tat- und tätergerecht. Die Verhängung einer Geldstrafe kam im Hinblick auf das schwer belastete Vorleben des Verurteilten nicht in Betracht.