JudikaturJustiz9ObA87/18m

9ObA87/18m – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. September 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr.

Stefula sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Partei V***** KG, *****, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** H***** und 2. T***** S***** H*****, vertreten durch Mag. Matthias Strohmayer, Rechtsanwalt in Wien, wegen jeweils 22.500 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 2018, GZ 7 Ra 38/18m 28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Text

Begründung:

Die Beklagten – ein Ehepaar – verpflichteten sich jeweils in ihrem Dienstvertrag unter Vereinbarung einer Konventionalstrafe in Höhe von 2.500 EUR pro Fall, während der Dauer des Dienstverhältnisses als auch nach dessen Beendigung weder Mitarbeiter noch Handelspartner der Klägerin direkt oder indirekt abzuwerben oder dies zu versuchen. Mit dem Ziel, mit möglichst vielen ihrer „Teammitglieder“ zu einem – wie die Klägerin im Bereich der Direktvermarktung von Staubsaugern tätigen – Konkurrenzunternehmen zu wechseln und im Bewusstsein, durch das Abwerben die Klägerin zu schädigen, sprachen die Beklagten Teammitglieder an.

Ausgehend von sieben erfolgreichen und fünf nicht erfolgreichen gemeinsamen Abwerbungen – hinsichtlich letzterer erfolgte eine richterliche Mäßigung der Konventionalstrafe auf 1.000 EUR pro Fall – verurteilten die Vorinstanzen die Beklagten jeweils zu einer Zahlung von 22.500 EUR sA.

Die Beklagten relevieren als erhebliche Rechtsfrage, ob bei konventionalstrafbewehrter Abwerbung ein und derselben Person durch zwei Dienstnehmer der Dienstgeber von beiden die vereinbarte Konventionalstrafe verlangen kann oder ob beide Dienstnehmer ihm lediglich solidarisch haften, sodass jeder der beiden letztlich nur seinen Anteil zu ersetzen hat.

Rechtliche Beurteilung

Den Beklagten gelingt es damit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

1. Die vereinbarte Konventionalstrafe nach § 1336 ABGB soll einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen und andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs dienen (RIS Justiz RS0032072 [T7]; RS0032013 [T7]; Danzl in KBB 5 § 1336 ABGB Rz 2 mwN). In welchen Fällen die Pönale zu entrichten ist, hängt von der Auslegung der ihr zugrundeliegenden Vertragsbestimmung ab (9 Ob 36/12b).

2. Zur arbeitsvertraglichen Pflicht eines Arbeitnehmers zählt auch die Unterlassung der Abwerbung von Arbeitskollegen, auch wenn die Abwerbung keine Verleitung zum Vertragsbruch bildet, aber für ein Konkurrenzunternehmen erfolgt oder dem Arbeitgeber wegen des Arbeitskräftemangels empfindlichen Schaden zufügt. Eine schuldhafte Vertragsverletzung macht ihn schadenersatzpflichtig (RIS Justiz RS0021382). Wird die Verpflichtung des Arbeitnehmers, Abwerbungen zu unterlassen, ausdrücklich in den Dienstvertrag aufgenommen und für den Fall des Zuwiderhandelns eine Konventionalstrafe vorgesehen, ist Zweck der Pönalvereinbarung in diesem Fall, auf den Verpflichteten zusätzlichen Erfüllungsdruck auszuüben, zumal der Eintritt eines materiellen Schadens keine Voraussetzung der Konventionalstrafe ist (vgl RIS Justiz RS0112216 [T3]).

3. Es steht damit hier nicht die Ausgleichsfunktion, sondern die Abschreckungsfunktion der Konventionalstrafe im Vordergrund. Würden zwei Arbeitnehmer, die sich gesondert ausdrücklich zur Unterlassung von Abwerbungen verpflichtet haben, bei gemeinsamer Abwerbung eines Kollegen nur solidarisch haften, also der Arbeitgeber die Konventionalstrafe nur einmal verlangen dürfen, so wäre die Abschreckungsfunktion erheblich entwertet, dürften sich doch die beiden letztlich die Strafe teilen. Es gilt zu verhindern, dass ein konventionalstrafbewehrt Verpflichteter umso weniger die Strafe befürchten muss, je mehr Mittäter er hat. Zudem steigt gerade bei einem Einwirken mehrerer auf eine Person die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich wunschgemäß verhält (hier: gemeinsames Wechseln zum Konkurrenzunternehmen). Bei ergänzender Vertragsauslegung ist daher zwecks effizienter Abschreckung die Konventionalstrafbestimmung dahingehend auszulegen, dass auch bei gemeinsamer Abwerbung ein und derselben Person jeder die Konventionalstrafe schuldet – somit nicht bloß zur ungeteilten Hand – und damit die Konventionalstrafe nicht nur einmal zu zahlen ist.

4. Aus den dargelegten Gründen ist die angefochtene Entscheidung, die darauf abstellt, dass sich jeder der beiden Beklagten gesondert zur Zahlung einer Vertragsstrafe verpflichtet und damit auch gesondert zu haften habe, nicht korrekturbedürftig. Fragen der

Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den

Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, sofern keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS Justiz RS0112106 [T1]). Da eine solche nicht vorliegt, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.