JudikaturJustiz9ObA8/13m

9ObA8/13m – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. März 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Hopf als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald Fuchs und Mag. Matthias Schachner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** H*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei G***** R***** gemeinnützige GmbH, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 1.109,66 EUR sA (Revisionsinteresse 1.013,96 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 25. Oktober 2012, GZ 6 Ra 58/12i 13, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom 8. Mai 2012, GZ 29 Cga 17/12i 9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden in ihrem klagsabweisenden Teil einschließlich der Kostenentscheidungen aufgehoben und insoweit die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung:

Der Kläger war vom 20. 7. 2011 bis 20. 8. 2011 bei der Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt. Er hatte eine Ausbildung beim Roten Kreuz als Rettungssanitäter und ein Berufsmodul im Ausmaß von 40 Stunden bei der Beklagten absolviert, um diesen Beruf ausüben zu dürfen. Er wurde bei der Beklagten nach dem Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen entlohnt, der in seinem Arbeiterdienstvertrag auch als anzuwendender Kollektivvertrag vereinbart worden war.

Die Beklagte führt einerseits europaweite Krankentransporte und andererseits im Inland Rettungsdienst und Krankentransporte durch. Von ihrem Fuhrpark mit acht Fahrzeugen sind sieben Fahrzeuge als Notwagentransporte, Krankentransporte sowie Rettungswagen im Sinne der einschlägigen Normen ausgestattet. Es werden ausschließlich Transporte kranker Transportpersonen ausgeführt.

Der Alleingeschäftsführer der Beklagten und Alleingesellschafter ist persönlich Gewerbeberechtigter für das Mietwagengewerbe sowie das „Taxigewerbe mit PKW“. Die Beklagte selbst war vorerst nicht beim Fachverband für das Beförderungsgewerbe angemeldet und wurde erst mit 26. 4. 2012 dessen Mitglied. Seither ist sie ebenfalls Gewerbeinhaber des Mietwagengewerbes (Beförderung mit Personenkraftwagen) mit zwei PKW, eingeschränkt auf Krankentransporte.

Die aufgrund § 15 Wirtschaftskammergesetz 1998 erlassene Fachorganisationsordnung (FOO) errichtet in der Sparte „Transport und Verkehr“ unter § 6 folgende

Fachverbände:

•1.) Fachverband der Schienenbahnen

•2.) Fachverband der Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtsunternehmungen

•3.) Fachverband der Seilbahnen

•4.) Fachverband der Spediteure

•5.) Fachverband für die Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen

•6.) Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe

•7.) Fachverband der Fahrschulen und des allgemeinen Verkehrs

•8.) Fachverband der Garagen-, Tankstellen- und Servicestationsunternehmungen.

Ein Fachverband für Krankentransporte existiert nicht.

In der internen Verwendung der Datenbanken der Wirtschaftskammer werden als „Berufszweige“ für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen diese in „Taxigewerbe, Mietwagengewerbe, Gästewagengewerbe, Vermietung von KFZ ohne Beistellung eines Lenkers (KFZ Verleih), Fiaker und Pferdemietwagengewerbe, Krankentransportgewerbe, weitere Betriebsstätten für die Beförderungsgewerbe mit PKW, sonstige Berechtigungen im Bereich der Personenbeförderung“ unterteilt. Eine formelle Errichtung von dahingehenden Berufsgruppen iSd § 49 WKG erfolgte nicht. Diese Berufszweige wurden in älteren Übersichten der Wirtschaftskammer allerdings fälschlicherweise unter der Überschrift „Fach und Berufsgruppenverzeichnis“ angeführt.

Der Bundeskollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen, der zwischen der Wirtschaftskammer Österreich, Sparte Transport und Verkehr, Fachverband für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen, einerseits und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft VIDA, andererseits geschlossen wurde und mit 1. 1. 2009 in Kraft trat, grenzt seinen Geltungsbereich fachlich wie folgt ab:

„2. fachlich: für alle Betriebe, welche gewerbsmäßig mittels PKW:

a) das Taxigewerbe ausüben und Mitglied des Fachverbands für die Beförderungsgewerbe mit PKW sind;

b) das Mietwagengewerbe ausüben und Mitglied des Fachverbands für das Beförderungsgewerbe mit PKW sind.“

Der Kollektivvertrag des Österreichischen Roten Kreuzes 2010 wurde wie folgt gesatzt (erstmals BGBl II 98/2011; zur Änderung 2011 BGBl II 2011/188):

„§ 1a) fachlich: für Anbieter von Rettungs und Krankentransportdiensten, ausgenommen Berg , Wasser , Höhlen , Flugrettung und Rettungshundestaffel;

b) räumlich: für die Republik Österreich;

c) persönlich: alle Arbeitgeber/Innen im fachlichen Geltungsbereich sowie von diesen Arbeitgeber/Innen im räumlichen Geltungsbereich beschäftigte Arbeitnehmer/Innen und Lehrlinge, sofern ihr Arbeitsverhältnis nicht durch einen gültigen Kollektivvertrag (ausgenommen Kollektivverträge gemäß § 18 Abs 4 ArbVG) erfasst sind.“

Nach diesem gesatzten Kollektivvertrag stünden dem Kläger rechnerisch die geltend gemachten Differenzzahlungen zu. Die Beklagte hat aber die nach dem von ihr angewandten Kollektivvertrag in Höhe von 150 EUR netto bezogenen Taggelder eingewendet und auch die Leistung der Überstunden teilweise bestritten.

Der Kläger begehrt 1.109,66 EUR brutto sA als Restlohn für Juli 2011 (95,80 EUR) und August 2011 (159,68 EUR); Überstunden (505,46 EUR) sowie aliquote Sonderzahlungen (348,72 EUR). Er stützt sich zusammengefasst darauf, dass auf sein Arbeitsverhältnis der gesatzte Kollektivvertrag für das Österreichische Rote Kreuz anzuwenden sei. Die Beklagte führe überwiegend Krankentransporte durch und sei nicht vom Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen erfasst. Selbst bei Vorliegen eines Mischbetriebs wäre der gesatzte Kollektivvertrag anzuwenden. Daran könne eine allfällige Anwendung des § 2 Abs 13 GewO ebenso wenig ändern wie die vertragliche Vereinbarung des Kollektivvertrags für das Personenbeförderungsgewerbe.

Die Beklagte anerkannte 95,70 EUR an restlichen Überstunden, bestritt aber im Übrigen und wendete den unberechtigten vorzeitigen Austritt des Klägers ein. Die Beklagte habe ausschließlich Krankentransportleistungen zu erbringen, die vom Verrechnungsvertrag mit der Sozialversicherung gedeckt seien. Schon im Hinblick auf die Mitgliedschaft des Geschäftsführers der Beklagten sei der Kollektivvertrag für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen anzuwenden, ebenso aber entsprechend § 2 Abs 13 GewO und der Vereinbarung im Dienstvertrag. Sämtliche Tätigkeiten der Beklagten seien vom Mietwagengewerbe bzw dem Gelegenheitsverkehrs Gesetz erfasst. Der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe stelle nicht auf allfällige Berufsgruppen des Fachverbands ab, sondern auf die Ausübung des Taxi und Mietwagengewerbes. Die Berufsgruppe für Krankentransporte gebe es nicht. Die Berufszweige dienten nur der internen Orientierung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die Beklagte Mitglied des Fachverbands für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen sei. Dass sie dies im strittigen Zeitraum des Dienstverhältnisses nicht gewesen sei, sei unbeachtlich, da dann zufolge § 2 Abs 13 der GewO dieser Kollektivvertrag heranzuziehen wäre. Untergruppen innerhalb der Fachgruppe seien nicht maßgeblich. Aufgabe der Fachverbände und Fachgruppen sei es, eine wirksame Vertretung der Interessen der betreffenden Mitglieder zu ermöglichen. An deren Organisation seien die Gerichte auch gebunden. Ein eigenes Krankentransportgewerbe existiere in der Gewerbeordnung ebenso wenig wie im Gelegenheitsverkehrs Gesetz. Diese gesetzlichen Regelungen würden daher alle Mietwagengewerbe erfassen. Die Kollektivvertragszu-gehörigkeit gemäß § 2 Abs 13 GewO sei jener nach § 8 Abs 1 ArbVG gleichzuhalten. Die Satzung sei jedoch gegenüber dem Kollektivvertrag subsidiär.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nur insoweit Folge, als die Beklagte die restlichen Forderungen auf Überstundenentlohnung in der Höhe von 95,70 EUR sA anerkannt hatte. Im Übrigen (1.013,96 EUR sA) schloss es sich jedoch im Wesentlichen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Es ging ebenfalls davon aus, dass der Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen anzuwenden wäre, und zwar jedenfalls gemäß § 2 Abs 13 GewO. Die grundsätzliche Zuordnung zu den entsprechend der Fachorganisationsordnung nach § 15 Abs 1 Wirtschaftskammergesetz errichteten Fachverbänden und Fachgruppen ergebe sich nach der für den Betrieb erforderlichen Gewerbeberechtigung. Die Zuordnung erfolge gemäß § 44 Abs 1 Wirtschaftskammergesetz durch Eintragung in das Mitgliederverzeichnis. Aus dieser Zuordnung ergebe sich dann, welcher Kollektivvertrag gelte. Hier sei der maßgebliche Kollektivvertrag vom Fachverband für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen abgeschlossen worden und nicht von einer einzelnen Fachgruppe. Die Gewerbeberechtigung der Beklagten umfasse das „Mietwagengewerbe eingeschränkt auf Krankentransporte“. Das Gelegenheitsverkehrs Gesetz 1996 regle in seinem § 3 die verschiedenen Arten der Konzessionen, darunter auch das Mietwagen Gewerbe, das die Beklagte ausübe. Seit ihrer Mitgliedschaft im Fachverband unterliege die Beklagte jedenfalls diesem Kollektivvertrag. Von der Möglichkeit der Fachverbände, Berufsgruppenausschüsse zu errichten, wenn dies zur Vertretung der Interessen der betreffenden Berufszweige zweckmäßig sei, sei hier vom Fachverband entsprechend dem § 49 iVm § 46 Wirtschaftskammergesetz nicht Gebrauch gemacht worden. Vielmehr sei hier der Fachverband umfassend für alle Unternehmungen der Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen tätig. Ein Berufszweig für Krankentransporte scheine in der Fachorganisationsordnung nicht auf. Im Ergebnis sei hier nach § 2 Abs 13 GewO eine Kollektivvertragsangehörigkeit zum Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen gegeben gewesen. Daher komme entsprechend § 19 Abs 2 ArbVG eine Anwendung des gesatzten Kollektivvertrags nicht in Betracht.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dazu, ob auch ein nur entsprechend § 2 Abs 13 GewO anzuwendender Kollektivvertrag nach der Kollisionsregelung des § 19 Abs 2 ArbVG einen gesatzten Kollektivvertrag verdränge, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist unter anderem aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

I. Vorangestellt werden kann, dass weder der Umfang der Satzungserklärung des Kollektivvertrags des Österreichischen Roten Kreuzes als solcher noch die Zugehörigkeit der Beklagten zum Fachverband für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen bzw die entsprechende Zuordnung nach § 2 Abs 13 der GewO strittig sind. Strittig ist vielmehr, inwieweit der gesatzte Kollektivvertrag für das Rote Kreuz durch die Zugehörigkeit bzw die Anwendung des Kollektivvertrags für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen nach § 19 Abs 2 ArbVG verdrängt wurde.

II. § 18 ArbVG über die Voraussetzungen für die Erklärung von Kollektivverträgen zu Satzungen hält in seinem Abs 3 Z 4 als eine der Voraussetzungen fest, dass „die von der Satzung zu erfassenden Arbeitsverhältnisse unbeschadet des Abs 4 nicht schon durch einen Kollektivvertrag erfasst sind“.

In Abs 4 wird dann bestimmt, dass Kollektivverträge, die sich auf die Regelungen einzelner Arbeitsbedingungen beschränken und deren Wirkungsbereich sich fachlich auf die überwiegende Anzahl der Wirtschaftszweige und räumlich auf das ganze Bundesgebiet erstreckt, der Erklärung eines Kollektivvertrags zur Satzung nicht entgegenstehen.

§ 19 Abs 2 ArbVG lautet dann wie folgt:

„Kollektivverträge setzen für ihren Geltungsbereich eine bestehende Satzung außer Kraft. Dies gilt nicht für Kollektivverträge im Sinne des § 18 Abs 4.“

§ 2 Abs 13 GewO 1994 ordnet Folgendes an:

„Für in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes fallende Tätigkeiten, die ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausgeübt werden, gelten die die Ausübung dieser Tätigkeit regelnden Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder von aufgrund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen sinngemäß. Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeit aufgrund von Gewerbeberechtigungen ausüben, haben auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen Arbeitgebern Geltung, welche diese Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben.“

§ 2 Abs 13 GewO gilt auch für Fälle, in denen neben einem angemeldeten Gewerbe unbefugt ein anderes Gewerbe ausgeübt wird (RIS Justiz RS0108231), wobei dann die Ermittlung des konkret anzuwendenden Kollektivvertrags entsprechend § 9 ArbVG erfolgt (RIS Justiz RS0108232 mwN). § 8 ArbVG wurde auch bereits für die Abgrenzung zwischen Kollektivvertrag und Mindestlohntarif herangezogen (RIS Justiz RS0126333).

III.1. Der wesentliche Ansatzpunkt für die Satzung wurde in der Funktionsfähigkeit der kollektiven Rechtsgestaltung gesehen (9 ObA 114/06i; 9 ObA 70/11a; Schrammel , Probleme der Satzung von Kollektivverträgen ZAS 1998, 135 ff). Daher gehen Satzungen als „Surrogate zum Kollektivvertrag“ einem kraft Mitgliedschaft anzuwendenden Kollektivvertrag nach. Entscheidend ist daher, ob es einen „vorrangigen Kollektivvertrag“, der auf dieses Arbeitsverhältnis anzuwenden wäre, gibt (9 ObA 70/11a). Es kommt hier also anders als grundsätzlich beim Mindestlohntarif nicht auf die bloße Möglichkeit des Abschlusses eines Kollektivvertrags durch kollektivvertragsfähige Verbände an (vgl dazu RIS Justiz RS0111618 [T1, T2]), sondern ob ein Kollektivvertrag tatsächlich zur Anwendung gelangt.

III.2. Die wesentliche Frage liegt also schon vorweg darin, ob die Beklagte dann, wenn sie ihr Gewerbe angemeldet hätte, für ihre in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1994 fallende Tätigkeit mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers in den Geltungsbereich des Kollektivvertrags für das Personenbeförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen gefallen wäre.

III.3. Zufolge § 8 Z 1 ArbVG sind, sofern der Kollektivvertrag nichts anderes bestimmt, innerhalb seines räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereichs die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die zur Zeit des Abschlusses des Kollektivvertrags Mitglied der im Kollektivvertrag beteiligten Parteien waren oder später werden, kollektivvertragsangehörig. Wesentlich ist damit für den Ausschluss der Anwendung der Satzung zufolge § 19 Abs 2 ArbVG nicht nur, dass der betreffende Arbeitgeber Mitglied der Kollektivvertragspartei war, sondern dass er auch in den räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich des Kollektivvertrags fällt und die Kollektivvertragsparteien die Anwendung des Kollektivvertrags auch nicht sonst ausgeschlossen haben (vgl auch Schrammel , Probleme der Satzung von Kollektivverträgen, ZAS 1998, 135 ff [140]; Runggaldier/Potz in Tomandl [Hrsg] ArbVG § 18, Rz 15).

Entscheidend ist also auch der im Kollektivvertrag festgelegte räumliche, fachliche und persönliche Geltungsbereich.

III.4. Der hier maßgebliche Kollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW (Taxi) definiert nun seinen fachlichen Geltungsbereich wie folgt:

„Für alle Betriebe, welche gewerbsmäßig mittels PKW:

a) das Taxigewerbe ausüben und Mitglied des Fachverbands für Beförderungsgewerbe mit PKW sind;

b) das Mietwagengewerbe ausüben und Mitglied des Fachverbands für die Beförderungsgewerbe mit PKW sind.“

Entscheidend ist damit, ob hier ein Taxigewerbe oder ein Mietwagengewerbe vorliegt.

III.4.1. Der wesentliche Inhalt der Tätigkeit der Beklagten liegt nun im Rettungsdienst und Krankentransport mit Fahrzeugen, die für Notwagentransporte, Krankentransporte sowie als Rettungswagen entsprechend der Euronorm EN 1789 ausgestattet sind.

Zutreffend verweisen nun die Beklagte und die Vorinstanzen darauf, dass die Fachorganisationsordnung entsprechend § 15 Wirtschaftskammergesetz 1998 eine dahingehende Gliederung des Fachverbands für das Beförderungsgewerbe mit Personenkraftwagen in der Sparte Transport und Verkehr nicht vorsieht. Auch ist zutreffend, dass § 49 Wirtschaftskammergesetz die Möglichkeit bietet, eigene Berufsgruppen im Fachverband einzurichten und eine Berufsgruppe für „Krankentransporte“ derzeit offensichtlich nicht eingerichtet wurde. All dies schränkt aber die Kollektivvertragsparteien in ihrer Gestaltungsmöglichkeit bei einer sachlich vertretbaren Abgrenzung unter anderem des fachlichen Wirkungsbereichs nicht ein. Es müssen also nicht immer alle Mitglieder des jeweiligen Fachverbands erfasst sein, sondern kann der Anwendungsbereich des jeweiligen Kollektivvertrags auch nach anderen fachlichen Kriterien begrenzt werden.

III.4.2. Die Frage bleibt also, ob auch die Durchführung von Rettungs und Krankentransporten mit besonders ausgestatteten Rettungswagen als Taxigewerbe bzw Mietwagengewerbe verstanden werden kann.

III.4.2.1. Die Erfassung von Rettungs und Krankentransporten im Begriff des Taxigewerbes scheidet schon nach der Definition des § 3 Abs 1 Z 3 Gelegenheitsverkehrs Gesetz 1996 aus, da die PKW ja nicht zu jedermanns Gebrauch bereit gehalten werden, sondern die Krankentransporte auch nach dem Vorbringen der Beklagten im Rahmen einer Vereinbarung eines Verrechnungsvertrags mit der Sozialversicherung erfolgten.

III.4.2.2. Gegen die Erfassung im Begriff des Mietwagengewerbes entspricht nun der Umstand, dass es nicht nur um die Beistellung eines Lenkers und eines Kraftfahrzeugs geht, sondern um Krankentransporte, bei denen immer auch ein Rettungssanitäter eingesetzt wird. Auch der Kläger war ja als Rettungssanitäter ausgebildet und tätig. Zufolge § 3 Abs 1 des Bundesgesetzes über Ausbildung, Tätigkeit und Beruf der Sanitäter (Sanitätergesetz SanG) findet die Gewerbeordnung auf die Ausübung des Sanitäterberufs keine Anwendung (ähnlich § 3 des Gesundheits und Krankenpflegegesetzes). Die Tätigkeit des Rettungssanitäters umfasst zufolge § 9 SanG unter anderem die Übernahme sowie die Übergabe der Patienten oder der betreuten Personen im Zusammenhang mit einem Transport. Ferner gehören dazu lebensrettende Sofortmaßnahmen wie etwa die Beurteilung, Wiederherstellung und Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Körperfunktionen, Defibrillationen oder die Herstellung der Transportfähigkeit sowie die sanitätsdienstliche Durchführung des Transports, solange und soweit ein zur selbstständigen Berufsausübung berechtigter Arzt nicht zur Verfügung steht. Die Berufs und Tätigkeitsberechtigung ist in §§ 14 ff SanG geregelt. Diese spezifische, auf gesundheitliche Rettungsmaßnahmen abgestellte Ausrichtung gibt der erbrachten Leistung die wesentliche Prägung. Dies spricht aber dafür, dass Rettungs und Krankentransporte nicht im Begriff des Mietwagengewerbes iSd Kollektivvertrags für das Personenbeförderungsgewerbe mit PKW (Taxi) erfasst sind. Dieses differenzierende Verständnis ergibt sich auch aus den von der Wirtschaftskammer gewählten Bezeichnung für die „Berufszweige“, die ebenfalls die „Krankentransporte“ herausnimmt.

III.5. Es ergibt sich damit schon aus der eigenen Definition des fachlichen Anwendungsbereichs dieses Kollektivvertrags, dass diese Tätigkeit nicht vom Geltungsbereich des Kollektivvertrags erfasst ist.

Schon deshalb bleibt es bei der Anwendung des gesatzten Kollektivvertrags des Österreichischen Roten Kreuzes 2010, BGBl II 2011/188. Die Satzung bezieht sich ja ausdrücklich auf Rettungs und Krankentransporte.

IV. Ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht der mangelnden Anwendbarkeit der Satzung haben jedoch die Vorinstanzen die weiteren Grundlagen für den geltend gemachten Anspruch und der Einwendungen der Beklagten nicht erörtert und festgestellt.

Es war daher der Revision des Klägers Folge zu geben und die Rechtssache zur ergänzenden Erörterung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

V. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf die § 2 ASGG, § 52 ZPO.

Rechtssätze
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