JudikaturJustiz9ObA170/95

9ObA170/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. Dezember 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Felix Joklik und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Kanton *****, vertreten durch den Regierungsrat, ***** vertreten durch Dr.Roland Deissenberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei O***** Limited, ***** vertreten durch Dr.Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, und die auf Seite der Beklagten einschreitende Nebenintervenientin Sidonie S*****, derzeit arbeitslos, ***** vertreten durch DDr.Elisabeth Steiner, Rechtsanwältin in Wien, wegen S 39.240,50 sA, infolge Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29.Juni 1995, GZ 10 Ra 57,58/95-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24.Oktober 1994, GZ 7 Cga 125/93i-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, daß es zu lauten hat:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von S 39.240,50 sA zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei S 126.035,45 (darin enthalten S 17.703,14 Umsatzsteuer und S 19.166,61 Barauslagen) und der Nebenintervenientin S 37.877,60 (darin enthalten S 6.299,70 Umsatzsteuer und S 80 Barauslagen) an Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.368,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 676,48 Umsatzsteuer und S 3.310 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin steht aufgrund des rechtskräftigen Beschlusses des Kantongerichtes Schaffhausen vom 27.4.1982 gegen die Nebenintervenientin eine vollstreckbare Forderung von sfr 813.356,10 sA zu. Das Landesgericht für ZRS Wien hat mit Beschluß vom 2.10.1987 der Klägerin die Gehaltsexekution zur Hereinbringung der Teilforderung von sfr 50.000 sowie der Kosten von sfr 22.770,86 bewilligt. Das Exekutionsgericht Wien bewilligte mit Beschluß vom 13.10.1987 die Überweisung. Das Zahlungsverbot wurde der Beklagten als Drittschuldnerin am 16.10.1987 zugestellt. Mit einem weiteren Beschluß vom 10.10.1989 bewilligte das Landesgericht für ZRS Wien die Gehaltsexekution zur Hereinbringung der Forderung von sfr 813.356,10 sA sowie der Kosten von S 34.197,60. Diesmal war der Name der Verpflichteten mit Sidonie Spiesslehner, auch Spiess, angegeben. Beide Exekutionsanträge enthielten das Geburtsdatum der Verpflichteten. Die Überweisung wurde vom Exekutionsgericht Wien mit Beschluß vom 16.10.1989 bewilligt. Das Zahlungsverbot ist der Beklagten am 30.10.1989 zugestellt worden. Die Verpflichtete war im Zeitpunkt der Zustellung der Drittverbote im Unternehmen der Beklagten als Sidonie Spiess beschäftigt. Dabei handelt es sich um die Kurzform ihres richtigen Familiennamens, den sie deshalb übernommen hat, weil ihr Ehemann mit Hilfe eines Identitätszeugen beim österreichischen Konsulat in der Bundesrepublik Deutschland nach der Behauptung seinen österreichischen Reisepaß verloren zu haben, die Ausstellung eines Duplikatspasses auf diesen Familiennamen erreicht hatte. Nach Zustellung des ersten Drittverbotes erklärte die Verpflichtete, von dieser Forderungsexekution nicht betroffen zu sein, obwohl das in der Exekutionsbewilligung angegebene Geburtsdatum mit ihrem Geburtsdatum übereinstimmte. Die beklagte Drittschuldnerin blieb deshalb in dieser Exekutionssache untätig. Der Klagevertreter wies in der Korrespondenz mit dem Beklagtenvertreter immer wieder auf die Identität der Verpflichteten mit der bei der Beklagten beschäftigten unter dem Namen Sidonie Spiess geführten Angestellten hin. Die Beklagte zog bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses mit Ende 1989 durch Entlassung einen Betrag von S 39.240,50 von deren Bezügen ab, leitete diesen an die klagende Partei jedoch nicht weiter, erstattete keine Drittschuldneräußerungen, sondern hinterlegte den einbehaltenen Entgeltteil für November und Dezember 1989 bei Gericht. Zum Zwecke des Versuches einer vergleichsweisen Bereinigung ruhte das am 28.5.1990 eingeleitete Verfahren vom 8.7.1993 bis zum 20.7.1994. Es wurde über Antrag der Beklagten fortgesetzt.

Die klagende Partei begehrt nach Klageeinschränkung von ursprünglich S 395.000 sA die Bezahlung von S 39.240,50 sA.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im übrigen Verjährung des Klagsanspruches mangels gehöriger Fortsetzung der Klage ein.

Das Erstgericht erkannte im Sinne des eingeschränkten Klagebegehrens. In rechtlicher Hinsicht sei das erste Drittverbot durch Zustellung an eine nicht legitimierte Angestellte nicht wirksam zugestellt worden. Das zweite Drittverbot sei dem Prokuristen der Beklagten zugekommen. Auch die Zustellung des ersten Drittverbotes sei durch Zukommen saniert worden. Da das Dienstverhältnis der Verpflichteten bereits mit Ende 1989 beendet wurde, habe lediglich für November und Dezember 1989 ein Entgeltsabzug im Rahmen der seinerzeitigen exekutionsrechtlichen Bestimmungen vorgenommen werden können. Dieser Betrag sei der klagenden Partei auszufolgen, weil der Gerichtserlag nicht schuldbefreiend wirkte. Auf Zweifel bezüglich der Identität der Verpflichteten könne sich die Beklagte nicht berufen, weil im zweiten Drittverbot nicht nur der tatsächliche, sondern auch verkürzte Familienname wie auch das Geburtsdatum angeführt worden sei. Eine Verjährung des Klagebegehrens sei nicht eingetreten. Es bestehe eine titelmäßig gedeckte Forderung, weshalb die 30-jährige Verjährungszeit zum Tragen käme. Im Hinblick auf die außergerichtlich geführten Vergleichsgespräche, die zum zeitweiligen Ruhen des Verfahrens geführt hätten, sei aber auch bei Annahme einer dreijährigen Verjährungszeit eine ordnungsgemäße Fortführung des Verfahrens gegeben.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es bestätigte die bereits im Aufhebungsbeschluß ausgesprochene Rechtsansicht, daß mangels Hinterlegungsgrundes nach § 1425 ABGB keine rechtmäßige Hinterlegung vorliege und ihr daher keine schuldbefreiende Wirkung zukomme. Verjährung sei nicht eingetreten, weil beim Pfandrecht an Rechten die Bestimmung des § 1483 ABGB analog zur Anwendung gelange, wenn dem Gläubiger durch den Pfandbestellungsakt eine ähnliche Rechtsstellung eingeräumt wurde, wie bei Einräumung des Besitzes an der beweglichen Sache wie etwa bei Verpfändung der Forderung unter Verständigung des Schuldners. Dies müsse auch für ein exekutives Pfandrecht gelten. Der Verjährungsausschluß sei gegenüber der klagenden Partei wirksam, weil diese ihre Rechtsposition aus der exekutiven Überweisung der ursprünglich der Nebenintervenientin zustehenden Gehaltsforderung ableite.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Berufungsurteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Gegenstand des Pfandrechtes zur Sicherung einer Forderung können alle im Verkehr stehenden Sachen sein. Körperliche, bewegliche oder unbewegliche Sachen, aber auch Rechte, wie Forderungsrechte etc (Koziol/Welser, Grundriß9 II, 117 f). Die Verjährung des Pfandrechtes und die der pfandbedeckten Forderung sind an sich voneinander insoweit unabhängig, als das Pfandrecht durch Verjährung erlöschen könnte, ohne daß die Forderung, deren Verjährung unterbrochen sein kann, in ihrem Bestande berührt werden müßte. Umgekehrt müßte aber die Verjährung der Forderung auch das Pfandrecht zum Erlöschen bringen, weil dieses als Nebenrecht ohne das Hauptrecht nicht bestehen könnte (Klang in Klang2 VI, 616). Hier greift § 1483 ABGB ein, der die Ausübung des Pfandrechtes unter bestimmten Voraussetzungen auch nach Erlöschen der persönlichen Haftung des Schuldners für unverjährbar erklärt (ÖBA 1990, 46) und damit im gewissen Sinn auch die Forderung der Verjährung entzieht (Klang aaO, Mader in Schwimann Rz 1, 3 zu § 1483 ABGB).

Im Falle der Forderungspfändung bestehen nicht nur die durch das Forderungspfand bedeckte Forderung des Gläubigers gegen den Verpflichteten, sondern auch die verpfändete Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner. Selbst wenn nach überwiegender Lehre (Schubert in Rummel ABGB2 Rz 2 zu § 1483; Mader aaO Rz 1; Koziol/Welser aaO, 143 f, aM Huber, Probleme der Verjährung und des Einlösungsrechtes bei Faustpfandbestellung durch einen Dritten, ÖJZ 1986, 193 [240]) und der bisher einzigen Entscheidung des OGH (Rsp 1935/281) auf Pfandrechte an Rechten § 1483 ABGB analog anzuwenden ist, bezieht sich diese Bestimmung nur auf die Ausübung des Pfandrechtes und wirkt sich damit nur im gewissen Sinn auf die pfandbedeckte Forderung des Gläubigers gegen den Verpflichteten aus. Die Verjährung der verpfändeten Forderung des Verpflichteten gegen den Drittschuldner wird aber durch § 1483 ABGB nicht berührt, so daß die Verjährung der verpfändeten Forderung auch das an ihr bestehende Pfandrecht zum Erlöschen bringt (Klang aaO, 617, Mader aaO Rz 1).

Die gepfändete Entgeltforderung der verpflichteten Nebenintervenientin für November und Dezember 1989 verjährt in drei Jahren, so daß die Einwendung der nichtgehörigen Fortsetzung der Klage (§ 1497 ABGB) nicht von vornherein unbeachtlich ist, weil das Verfahren vom 8.7.1983 bis 20.7.1994 zum Zwecke eines Vergleichsversuches ruhte und die Verjährungsfrist in diesem Zeitraum ablief.

Außergerichtliche Vergleichsgespräche auch nach Ablauf der Ruhensfrist können durchaus die Verjährung verhindern, sofern diese ernsthaft und zielstrebig geführt werden und nach Aussichtslosigkeit weiterer Vergleichsversuche die klagende Partei die Fortsetzung des Verfahrens im frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt (Arb 9861, SZ 58/180). Ob eine Untätigkeit gerechtfertigt ist, hat dabei die klagende Partei zu behaupten und zu beweisen (RZ 1994/26 mwN).

Selbst bei einem unbefristeten bis zu einer Erklärung der klagenden Partei geltenden Vergleichsanbot der Beklagten, das zum Ruhen des Verfahrens führte, kann von ernsthaften Vergleichsverhandlungen der Klägerin während des Ruhenszeitraumes von über einem Jahr nicht die Rede sein, wenn sie bis zum Fortsetzungsantrag der Beklagten und dem damit erfolgten Widerruf des Vergleichsanbotes nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht die Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit ihrer Vergleichsverhandlungen unter Beweis stellt und ihre beharrliche Nichtbetätigung rechtfertigt, deren Veranlassung aus dem Schreiben der Beklagten vom 7.7.1993 (Beilage 6) nicht erkennbar ist. Es wäre ihre Sache gewesen, eine Weisung zu erteilen, wie auf den Vergleichsvorschlag der Beklagten zu reagieren ist.

Die Verjährung der gepfändeten Entgeltforderung führt sohin zum Erlöschen des Pfandrechtes.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

Rechtssätze
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  • RS0034599OGH Rechtssatz

    19. November 2008·3 Entscheidungen

    Die Vereinbarung der Streitteile, das Verfahren ruhen zu lassen, um Vergleichsverhandlungen zu führen, ist zunächst für die Beurteilung der Frage, ob das Verfahren gehörig fortgesetzt wurde, neutral, weil daraus noch nicht auf das mangelnde Interesse des Klägers an der weiteren Verfolgung seiner Ansprüche geschlossen werden kann. Werden jedoch die Vergleichsverhandlungen vom Kläger selbst nicht ernsthaft oder ohne stichhältige Gründe nur zögernd geführt oder ist bei objektiver Beurteilung des Verhaltens des Beklagten zu erkennen, dass weitere Vergleichsversuche des Klägers aussichtslos sind, dann hat der Kläger, der nicht im frühest möglichen Zeitpunkt die Fortsetzung des Verfahrens begehrt, die Klage nicht gehörig fortgesetzt. In einem solchen Fall wird die Verjährungsfrist durch die Einbringung der Klage nicht unterbrochen. Im Falle von Vergleichsverhandlungen der Parteien während des vereinbarten Ruhens des Verfahrens ist der Beklagte aber nicht verpflichtet, dem Kläger unverzüglich und vorbehaltlos seine Ansicht über die Aussichtslosigkeit weiterer Verhandlungen mitzuteilen, wenn er sich auf die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens durch den Kläger berufen will, da es allein Sache des Klägers ist, der die nachteiligen Folgen seiner nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens verhindern will, alles zu unternehmen, was er zur Weiterführung des Rechtsstreites unternehmen konnte. Die Untätigkeit des Beklagten kann in einem solchen Fall dem Kläger nicht zum Vorteil geraten. Freilich darf der Beklagte nichts tun, um den Kläger vom Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens abzuhalten, er darf daher weder im Kläger die Hoffnung auf Änderung seiner bisherigen Haltung im erfolglosen Vergleichsgespräch erwecken noch ihm Anlass zur Annahme geben, der Beklagte werde aus der Unterlassung der Weiterführung des Rechtsstreites nicht auf das mangelnde Interesse des Klägers an einer gerichtlichen Entscheidung der Sache schließen.