JudikaturJustiz9ObA107/19d

9ObA107/19d – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon. Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Gerald Fida als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. A*****, vertreten durch Klein, Wuntschek Partner RAe GmbH, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei FH J*****, vertreten durch Dr. Christine Ulm, Rechtsanwältin in Graz, wegen Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 23. Juli 2019, GZ 7 Ra 18/19z 12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Bei der Frage, ob eine Versetzung des Dienstnehmers im Sinn einer Änderung des Tätigkeitsbereichs und/oder des Dienstorts zulässig ist, ist zwischen der dienstvertraglichen und der betriebsverfassungsrechtlichen Zulässigkeit nach § 101 ArbVG zu unterscheiden (9 ObA 3/18h uva).

2. Für die dienstvertragliche Beurteilung der Versetzung ist nur entscheidend, ob sich die Anordnung des Dienstgebers (Weisung) über einen Wechsel des Tätigkeitsbereichs oder des Tätigkeitsorts des Dienstnehmers im Rahmen der Weisungsbefugnis bewegt, die sich aus dem Dienstvertrag oder aus vereinbarten Gestaltungsvorbehalten ergibt. Eine Versetzung ist nur innerhalb der durch den Dienstvertrag gegebenen Grenzen zulässig. Der Dienstvertrag umschreibt die Gattung der Arbeit allgemein und steckt damit einen weiteren oder engeren Rahmen der vom Dienstnehmer nach Bedarf auszuführenden Tätigkeit ab. Andere als die so vereinbarten Dienste braucht der Arbeitnehmer regelmäßig nicht zu leisten (RS0021472; RS0029509).

Innerhalb des Arbeitsvertrags können Versetzungen einseitig, das heißt ohne Zustimmung des Arbeitnehmers, im Rahmen des Direktionsrechts durch den Arbeitgeber vorgenommen werden. Fällt der „neue Arbeitsplatz“ in den vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeitsbereich, ist der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich verpflichtet, einer „Versetzungsanordnung“ des Arbeitgebers Folge zu leisten. Werden hingegen die Grenzen des Arbeitsvertrags überschritten, kann die Änderung des Tätigkeitsbereichs nur im Einvernehmen mit dem Arbeitnehmer erfolgen (RS0021472 [T8]). Bei der Feststellung des als vereinbart anzusehenden Tätigkeitsbereichs ist nicht nur die tatsächliche Verwendung ausschlaggebend (RS0029787). Aus der bloßen Tatsache einer längeren Verwendung des Arbeitnehmers an einem bestimmten Arbeitsplatz kann noch nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sich sein Aufgabenkreis nunmehr auf diese Arbeiten beschränkt hätte. Der Annahme einer stillschweigenden Vertragsänderung steht diesbezüglich die mangelnde Schlüssigkeit entgegen (RS0029509).

Ob die Änderung des Tätigkeitsbereichs durch den Dienstvertrag gedeckt ist, ist im Wege der Vertragsauslegung zu beurteilen. Da es dabei immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt, begründet die Auslegung in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0029509 [T8]).

3. Nach seinem Dienstvertrag aus dem Jahr 2000 ist der Kläger – soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz – als Jurist mit der Vertrags- und Angebotsprüfung sowie der Vertragserstellung beschäftigt. Dementsprechend war er in der Folge in unterschiedlichen Abteilungen und mit unterschiedlichen Gewichtungen der Teilbereiche mit der Ausarbeitung und Vorbereitung von Verträgen befasst, darunter auch Werk- und Dienstverträge, führte Hearings für Personalentscheidungen durch und bereitete Ausschreibungen vor. Nunmehr soll er in einer anderen Abteilung, in der Juristen benötigt werden, ebenfalls mit Vertragsvorbereitungen, der Bearbeitung von rechtlichen Fragen und Aspekten beschäftigt werden, im Wesentlichen in Materien, mit denen er schon bisher befasst war, jedoch mit neuem Schwerpunkt, nämlich vermehrt mit studienrechtlichen statt personalrechtlichen Fragestellungen.

Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, dass auch diese neue Tätigkeit vom Arbeitsvertrag des Klägers umfasst ist, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessenspielraums. Auf die Frage, ob es sich um eine nur geringfügige Änderung des Aufgabenbereichs handelt, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

4. Eine Versetzung iSd § 101 ArbVG, die der Gesetzgeber als „Einreihung eines Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz“ definiert, liegt vor, wenn entweder der Arbeitsort oder der inhaltliche oder der zeitliche Arbeitsbereich des Arbeitnehmers verändert wird (RIS Justiz RS0025205 [T3]).

Als verschlechternde Versetzung iSd § 101 ArbVG, die zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats bedarf, ist jede Änderung zum Nachteil des Arbeitnehmers zu qualifizieren. Maßgebend ist dabei ein Vergleich der Situation des Arbeitnehmers vor der Versetzung mit der Lage, die infolge der Versetzung eintreten würde bzw eingetreten ist (RS0051209).

Dass eine verschlechternde Versetzung vorliegt, wird in der außerordentlichen Revision nicht einmal behauptet. Allerdings hat der Betriebsrat für den Fall, dass es sich um eine solche handelt, ausdrücklich seine Zustimmung erteilt. Damit kann sich der Kläger auf § 101 ArbVG nicht berufen.

5. Gemäß § 115 Abs 3 ArbVG dürfen Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser, insbesondere hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten, nicht benachteiligt werden. Das Beschränkungs- und Benachteiligungsverbot gilt auch hinsichtlich der Versetzung eines Betriebsratsmitglieds.

Allerdings ergibt sich aus der außerordentlichen Revision nicht, inwieweit die nunmehrige Tätigkeit des Klägers eine derartige Beschränkung oder Benachteiligung darstellen soll. Auch aus dieser Bestimmung lässt sich daher für ihn nichts gewinnen.

6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).