JudikaturJustiz8ObA80/20b

8ObA80/20b – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. August 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann Prentner und Mag. Wessely Kristöfel als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch SAXINGER CHALUPSKY PARTNER Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagte Partei C*****, vertreten durch SIARLIDIS HUBER ERLENWEIN Rechtsanwälte OG in Graz, wegen zuletzt 19.657,70 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 11.795,62 EUR brutto) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom 22. Juni 2020, GZ 11 Ra 21/20t 36, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1. Bei der Beurteilung, ob die vereinbarte Konventionalstrafe übermäßig, also überhöht ist, sind vor allem die Verhältnismäßigkeit dieser Strafe, die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere seine Einkommensverhältnisse beziehungsweise Vermögensverhältnisse, ferner Art und Ausmaß seines Verschuldens an der Vertragsverletzung sowie die Höhe des durch die Vertragsverletzung dem Arbeitgeber entstandenen Schadens entsprechend zu berücksichtigen (RIS Justiz RS0029967 ua). Die Höhe des tatsächlichen Schadens stellt zwar das primäre Mäßigungskriterium dar (9 ObA 105/15d), die Bezahlung der Konventionalstrafe ist aber vom Eintritt oder dem Nachweis eines Schadens nicht abhängig (RS0032103), soll doch die Konventionalstrafe ua auch ideelle Nachteile abdecken und auf den Verpflichteten einen zusätzlichen Erfüllungsdruck ausüben (RS0029839; 8 ObA 34/19m).

1.2. Durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe tritt grundsätzlich eine Verlagerung der Beweislast zu Ungunsten des Schuldners ein. Ihn trifft die Behauptungs und Beweislast für das Vorliegen von Mäßigungskriterien, wozu auch die unbillige Höhe der Konventionalstrafe gehört (vgl RS0032195).

1.3. Die Ausübung des Mäßigungsrechts kann nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls erfolgen und stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0119673; RS0029967 [T4]). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts liegt hier nicht vor.

2.1. Nach den Feststellungen verstieß der Beklagte gegen das vereinbarungsgemäß mit einer Konventionalstrafe in Höhe des fünffachen Bruttomonatsgehalts, berechnet nach dem Durchschnitt der letzten drei Monate vor Beendigung des Dienstverhältnisses, belegte Verbot, für ein Konkurrenzunternehmen tätig zu sein, indem er etwa sechs Wochen nach der über seine Initiative erfolgten einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses als Kunden- und Personalbetreuer zur Klägerin für einen anderen, im gleichen Segment wie die Klägerin aktiven, Personaldienstleister tätig wurde. Zudem verletzte er das „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ mit einer Konventionalstrafe von drei Monatsgehältern sanktionierte Verbot, aktive Mitarbeiter der Klägerin von sich aus zum Zwecke der Anbahnung von Geschäften für sich oder andere zu kontaktieren, indem er versuchte, einen Mitarbeiter der Klägerin für seinen neuen Arbeitgeber abzuwerben.

Das Berufungsgericht hat die Mäßigung dieser Konventionalstrafen auf insgesamt drei (statt der vereinbarten acht) Bruttomonatsgehälter, und zwar auf zweieinhalb Monatsgehälter für den Verstoß gegen die Konkurrenzklausel und auf ein halbes Monatsgehalt für den Verstoß gegen die Mitarbeiterschutzklausel, auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Klägerin daraus kein konkreter Schaden entstanden ist, für angemessen erachtet. Dies vor allem deshalb, weil der Beklagte rasch nach Ende des Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin eine konkurrenzierende Tätigkeit nicht nur in der Branche seines bisherigen Arbeitgebers, sondern sogar am identen Beschäftigungs bzw Dienstort wie bisher, also im unmittelbarsten örtlichen Geltungsbereich der vereinbarten Konkurrenzklausel, aufgenommen hat und in dieser Branche vor allem die persönlichen Beziehungen sowohl der Kunden als auch der vermittelten Mitarbeiter zum Betreuer eine besondere Rolle spielen. Das ist jedenfalls noch vertretbar, steht doch fest, dass in der schriftlichen Auflösungsvereinbarung ausdrücklich festgehalten wurde, dass die vereinbarte Konkurrenzklausel unverändert aufrecht bleibt, und war dem Beklagten klar, dass selbiges auch für die Mitarbeiterschutzklausel gilt. Trotzdem verhielt er sich nur kurz später vertragswidrig, ohne dass er im Verfahren auch nur behauptet hätte, ihm wäre ein (vorläufiges) Auspendeln in ein anderes Bundesland nicht möglich bzw zumutbar gewesen. Schon der damit verbundene Schuldvorwurf steht einer Mäßigung der Konventionalstrafe auf Null – wie sie dem Revisionswerber vorschwebt – entgegen.

2.2. Ein konkretes Vorbringen, dass die Konventionalstrafe seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit stark beeinträchtigen, gar eine existenzbedrohende Wirkung entfalten würde, hat der Beklagte in erster Instanz nicht erstattet. Dergleichen ist bei einem derzeitigen Einkommen des Beklagten von 3.500 EUR brutto monatlich und einer Sorgepflicht für ein vierjähriges Kind auch nicht ersichtlich. Die (gemeinsam mit seiner 1.500 EUR netto im Monat ins Verdienen bringenden Ehegattin) zu zahlenden Kreditraten von 1.389 EUR monatlich für ein neu errichtetes Einfamilienhaus haben das Erstgericht nicht zu einer weiteren Mäßigung veranlasst, weil der Entschluss zum Hausbau erst nach Aufnahme der konkurrenzierenden Tätigkeit durch den Beklagten getroffen wurde. Dem setzt der Revisionswerber nichts entgegen.

3. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.