JudikaturJustiz8ObA52/05p

8ObA52/05p – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Juni 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Rudolf Vyziblo als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Siegfried R*****, vertreten durch Oberhofer/Lechner/Hibler, Rechtsanwälte in Innsbruck Lienz, gegen die beklagte Partei *****, vertreten durch Dr. Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen EUR 42.000,- sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. April 2005, GZ 13 Ra 22/05s 23, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. November 2004, GZ 46 Cga 129/04b 19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.771,02 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 295,71 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revisionsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Beschluss :

Der Kläger begehrte zuletzt EUR 42.000,- brutto sA und brachte dazu - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - vor:

Die Beklagte habe mit ihm einen mit fünf Jahren befristeten Sonderdienstvertrag geschlossen, der am 1. 1. 2004 hätte beginnen sollen. Wegen dieses Dienstverhältnisses habe der Kläger ein am 1. 7. 2003 angetretenes Dienstverhältnis zu einem anderen Dienstgeber aufgekündigt.

Vor Abschluss des Sonderdienstvertrages mit der Beklagten sei besprochen worden, dass eine gegen den Kläger im Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Vorstandsmitglied einer Bank geführte gerichtliche Voruntersuchungen wegen des Verdachtes nach den §§ 15, 105, 106, 153, 288 StGB am 17. 9. 2003 eingestellt worden sei. Im Hinblick darauf sei ein Sideletter zum Dienstvertrag erstellt worden, in dem festgehalten worden sei, dass die Beklagte von einer neuerlichen Aufnahme von Voruntersuchungen oder Vorerhebungen gegen den Kläger, resultierend aus der Tätigkeit als Vorstand der Bank, unverzüglich in Kenntnis zu setzen sei. Daraus seien aber nur im Fall einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung Konsequenzen zu ziehen.

In der Folge habe im Zusammenhang mit einem Zivilrechtsstreit der Bank der Verhandlungsrichter gegen den Kläger Strafanzeige ua wegen des Verdachtes der falschen Zeugenaussage erstattet, worauf abermals gerichtliche Vorerhebungen eingeleitet worden seien. Daraufhin habe die Beklagte am 11. 12. 2003 das Dienstverhältnis des Klägers zum nächstmöglichen Termin aufgekündigt, weil das angesichts der exponierten Position des Klägers erforderliche Vertrauensverhältnis nicht gegeben sei. In diesem Schreiben sei jedoch ausdrücklich erwähnt worden, dass die Auflösung des Dienstverhältnisses in keinem Zusammenhang mit den gerichtlichen Vorerhebungen stehe und an der persönlichen Integrität des Klägers kein Zweifel bestehe. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass der Antritt des Dienstverhältnisses per 1. 1. 2004 nicht notwendig sei und er für die Dauer des Dienstverhältnisses dienstfrei gestellt werde. Ungeachtet der rückwirkenden Abmeldung des Klägers bei der TGKK per 1. 1. 2004 sei dem Kläger das Gehalt für Jänner und Feber 2004 ausgezahlt worden.

Der von der Beklagten behauptete wichtige Grund für die Auflösung des Dienstverhältnisses liege nicht vor. Der Beklagten seien bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages die wesentlichen Vorwürfe gegen den Kläger bekannt gewesen. Im Übrigen sei der Verdacht der Vertrauensunwürdigkeit des Klägers durch die spätere Einstellung auch der neuerlichen Vorerhebungen ausgeräumt worden.

Ob man nun das Kündigungsschreiben der Beklagten als Beendigungserklärung oder als Rücktritt iSd § 31 Abs 1 AngG werte, sei ohne Belang. In jedem Fall könne sich die Beklagte auf keinen ihre Erklärung rechtfertigenden Grund berufen, sodass sie verpflichtet sei, dem Kläger Schadenersatz zu leisten. Gehe man von einem Rücktritt iSd § 31 Abs 1 AngG aus, schulde die Beklagte neben dem Entgelt für die ersten drei Monate „weitergehenden Schadenersatz" iSd § 31 Abs 1 letzter Satz AngG, der darin bestehe, dass dem Kläger das Entgelt aus seinem vorher bestandenen Dienstverhältnis, das er wegen des Vertrages mit der Beklagten aufgekündigt habe, entgangen sei.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie sei vom noch nicht angetretenen Dienstverhältnis zurückgetreten. Der Rücktritt sei begründet, weil sich die Beklagte, die bemüht sei, ihre Arbeit aus den Schlagzeilen der Medien herauszuhalten, auf Grund der neuerlichen Vorerhebungen und der dadurch ausgelösten Pressemeldungen außerstande gesehen habe, das Dienstverhältnis zu realisieren. Der Kläger habe auf die Reputation der Beklagten nicht Rücksicht genommen und seine Interessen in den Vordergrund gestellt. Bei noch nicht angetretenen Dienstverhältnissen auf bestimmte, drei Monate nicht übersteigende Zeit seien im Fall des Rücktritts vom Vertrag die Ansprüche des Dienstnehmers auf drei Monate ab dem Tag des vereinbarten Dienstantritts beschränkt. Hier stehe dem Kläger überhaupt nichts zu, weil der Rücktritt begründet gewesen sei. Die Gehaltszahlungen für Jänner und Februar 2004 seien irrtümlich erfolgt. Jedenfalls seien die geltend gemachten Ansprüche im Hinblick auf die erst am 13. 7. 2004 erfolgte Klageeinbringung verfristet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es qualifizierte das Beendigungsschreiben der Beklagten als Rücktritt vom Vertrag. Dieser sei ungeachtet des vom Kläger ins Treffen geführten Sideletters berechtigt, weil der den Gegenstand der neuen Vorerhebungen bildende Verdacht einer falschen Zeugenaussage nicht vom früheren Tätigkeitsbereich des Klägers als Bankvorstand umfasst sei und das Vertrauensverhältnis zur Beklagten erschüttert habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei.

Das Berufungsgericht wertete die Erklärung der Beklagten vom 11. 12. 2003 ebenfalls als Rücktritt vom Vertrag. Dieser Rücktritt sei nicht berechtigt erfolgt, weil der Kläger zwischen dem Abschluss des Dienstvertrages und dem Rücktritt kein Verhalten gesetzt habe, das einen Vertrauensverlust bewirken könnte. Die gegen den Kläger bestehenden Vorwürfe seien der Beklagten schon zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gewesen. Demzufolge sei die neuerliche Einleitung von Vorerhebungen - auch diese seien später eingestellt worden - kein Grund für die fristlose Auflösung des Dienstverhältnisses gewesen.

Sei der Dienstgeber ohne wichtigen Grund vom Vertrag zurückgetreten, habe er dem Angestellten, falls die vereinbarte Dienstdauer drei Monate übersteige, nach § 31 Abs 1 AngG den für drei Monate entfallenden Teilbetrag des Entgelts zu ersetzen. Allfällige weitere Schadenersatzansprüche blieben davon unberührt. Dazu habe der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass der Angestellte über das Entgelt für drei Monate hinausgehende Ersatzansprüche nur geltend machen könne, wenn ihm in dieser Zeit zusätzlich ein Schaden entstanden sei. Einen derartigen zusätzlichen Schaden habe der Kläger aber nicht geltend gemacht. Bei seinem Vorbringen, er hätte bei seinem vorherigen Dienstgeber ein durchschnittliches Monatseinkommen von EUR 11.3333,30 brutto lukriert, dessen er sich im Vertrauen auf das aufrechte Dienstverhältnis mit der Beklagten begeben habe, handle es sich vielmehr um eine konkrete Schadensberechnung im Sinne eines Differenzschadens, wobei aber der Kläger letztlich nicht das entgangene Entgelt aus dem früheren Dienstverhältnis, sondern lediglich einen Teilbetrag von EUR 10.500,- brutto monatlich geltend gemacht habe. Es handle sich daher lediglich um eine andere Art der Schadensberechnung, die aber gemäß § 31 Abs 1 AngG auf drei Monatsentgelte zu limitieren sei.

Ungeachtet dessen sei die Klageforderung jedenfalls verfristet. Ersatzansprüche wegen Rücktritts vom Vertrag iSd § 31 AngG müssten gemäß § 34 AngG bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten gerichtlich geltend gemacht werden. Diese Frist beginne gemäß § 34 Abs 2 AngG mit dem Ablauf des Tages zu laufen, an dem der Dienstantritt hätte erfolgen sollen; hier also am 1. 1. 2004. Fraglich könne lediglich sein, ob auch die in § 31 Abs 1 letzter Satz AngG normierten „weiteren Schadenersatzansprüche" der sechsmonatigen Präklusivfrist des § 34 AngG unterliegen oder ob insoweit die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zum Tragen komme. Der Oberste Gerichtshof habe in 8 ObA 273/95 die Ansicht vertreten, dass auf derartige „weitere Schadenersatzansprüche" die dreijährige Verjährungsfrist anzuwenden sei. Zu folgen sei jedoch der (mit der überwiegenden Lehre übereinstimmenden) Entscheidung 9 ObA 4/95, nach der Ersatzansprüche jeder Art der sechsmonatigen Verfallsfrist des § 34 Abs 1 AngG unterliegen. Demnach wäre aber selbst dann, wenn man in den verlorenen Bezügen des Klägers aus dem früheren Dienstverhältnis einen „weitergehenden" Schaden iSd § 31 AngG erblicken wollte, Verfristung nach § 34 AngG eingetreten, da die Klage erst nach Ablauf der sechsmonatigen Präklusivfrist erhoben worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision sei zulässig, weil die Rechtsprechung zur Frage Anwendbarkeit der Verfallsfrist des § 34 AngG auf „weitergehende" Schadenersatzansprüche iSd § 31 Abs 1 AngG nicht einheitlich sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Klägers ist nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO iVm § 1 ASGG an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass es auf die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage für die Entscheidung nicht ankommt, sodass die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht erfüllt sind.

Vorweg ist festzuhalten, dass der Kläger in seiner Berufung die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, wonach das Schreiben der Beklagten vom 11. 12. 2003 als Rücktritt vom Vertrag zu qualifizieren sei, nicht bekämpft hat. Im Gegenteil: Er hat seine Rechtsausführungen in der Berufung auf der Grundlage dieser Annahme aufgebaut. Die insofern unterbliebene Rechtsrüge kann er in dritter Instanz nicht nachholen. Auf seine nunmehrigen Ausführungen, das Schreiben sei in Wahrheit als (unwirksame) Kündigung zu qualifizieren, ist daher nicht einzugehen.

Nach § 31 Abs 1 Satz 2 AngG hat der Dienstgeber, der ohne wichtigen Grund vom Vertrag zurückgetreten ist, dem Angestellten, wenn das Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit eingegangen wurde, „ das für die ganze Dauer entfallende Entgelt " zu ersetzen, „ falls die vereinbarte Dienstdauer dagegen drei Monate übersteigt, den für drei Monate entfallenden Teilbetrag des Entgeltes ". „ Allfällige weitere Schadenersatzansprüche " werden dadurch nicht berührt (§ 31 Abs 1 letzter Satz AngG).

Aus dieser Bestimmung hat das Berufungsgericht zu Recht abgeleitet, dass der Kläger auf Grund der darin angeordneten Limitierung der Ansprüche (nur) Anspruch auf Ersatz des Entgeltes für drei Monate hat (Arb 11.785). „Weitere Schadenersatzansprüche" sind aber - wie das Berufungsgericht ohnedies erkannt hat - von dieser Limitierung unberührt.

Von der Limitierung unberührte „weitere Schadenersatzansprüche" erblickt der Revisionswerber im Anspruch auf Ersatz des ihm entgangenen Entgeltes aus seinem vorangegangenen Dienstverhältnis, das er wegen des Sonderdienstvertrages aufgelöst hat. Ein derartiger Anspruch kann ihm aber von vornherein nicht zustehen, weil das von ihm als schadensstiftend geltend gemachte Verhalten der Beklagten - nämlich der Rücktritt vom Vertrag - dafür nicht kausal ist. Wäre nämlich der Rücktritt vom Vertrag nicht erfolgt, hätte der Kläger dennoch kein Entgelt aus dem (schon beendeten) Vertrag zu seinem früheren Dienstgeber erhalten. Allerdings hätte er in diesem Fall das Entgelt aus dem Sonderdienstvertrag mit der Beklagten bezogen, womit aber klar ist, dass ihm nur dieses Entgelt durch den Rücktritt entgangen ist. Seine Ansprüche auf Ersatz des Entgelts aus dem durch den Rücktritt beendeten Sonderdienstvertrag sind aber durch § 31 Abs 1 Satz 2 AngG mit drei Monatsgehältern limitiert. „Weitere Ersatzansprüche" aus dem Vertrag mit der Beklagten vermag daher der Kläger schlüssig nicht geltend zu machen.

Damit kommt es aber auf die vom Berufungsgericht als erheblich erachtete Rechtsfrage, ob „weitere Ersatzansprüche" iSd § 31 Abs 1 Satz 3 AngG dem § 34 AngG unterliegen oder nicht, für die Entscheidung gar nicht an.

Dass der mit drei Monatsgehältern limitierte Anspruch auf Ersatz des dem Kläger entgangenen Entgelts dem § 34 AngG unterliegt, bestreitet er in seiner Revision nicht. Allerdings vertritt er die Rechtsauffassung, dass die drei ihm zustehenden Monatsgehälter nicht sofort, sondern erst nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarung fällig werden. Die Rücktrittsentschädigung für März 2004 sei daher nicht vor dem 15. bzw dem 31. März 2004 fällig geworden, sodass die am 13. 7. 2004 überreichte Klage fristgerecht eingebracht worden sei. Dieser Standpunkt ist aber unzutreffend: Nach völlig herrschender Auffassung werden die aus § 31 Abs 1 AngG abgeleiteten Ersatzansprüche des Angestellten im Zeitpunkt des Rücktritts zur Gänze fällig ( Löschnigg , Arbeitsrecht10 226; Marhold/Friedrich , Österreichisches Arbeitsrecht 327; Martinek/Schwarz/Schwarz , AngG7 676) . Damit erweist sich aber die Auffassung der zweiten Instanz, dass der hier in Betracht kommende Ersatzanspruch des Klägers präkludiert ist, als zutreffend.

Da es dem Revisionswerber somit nicht gelingt, eine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen, ist sein Rechtsmittel unzulässig.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision ausdrücklich hingewiesen.