JudikaturJustiz8ObA337/94

8ObA337/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. April 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Herbert Vesely und Dipl.Ing.Raimund Tschulik als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Fritz B*****, vertreten durch Dr.Hanns Forcher-Mayr, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei V***** GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 197.785,65 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 9.August 1994, GZ 5 Ra 141/94-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Endurteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Februar 1994, GZ 45 Cga 179/93-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in Ansehung der Abweisung eines Begehrens von S 323,38 samt 4 % Zinsen seit 1.6.1993 unbekämpft blieb, wird in seinem bekämpften Umfang dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 38.398,80 (darin S 4.399,80 USt und S 12.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 2.1.1980 bis zu seiner Entlassung am 1.6.1993 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und bei der Beklagten als Angestellter im Außendienst (Vertreter) beschäftigt. Er erhielt außer Fixum und Provision auch Tagesdiäten (Tagesgelder). Der Anspruch auf Auszahlung von Tagesdiäten war sowohl bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten als auch bei der Beklagten daran geknüpft, daß der Außendienstmitarbeiter in seinem jeweiligen Gebiet für den Dienstgeber unterwegs ist und potentielle Kunden aufsucht. Allen Vertretern war klar, daß der volle Tagessatz nur bei einer Außendienstzeit von 12 Stunden gebührt, bei kürzerer Außendienstzeit jedoch nur der aliquote Teil zusteht. Der Anspruch auf Tagesdiäten und deren Höhe war an die jeweils geltende Bestimmung des Einkommensteuergesetzes gekoppelt. Dem Kläger war bewußt, daß die für ihn maßgebliche Außendienstzeit jene war, zu welcher er im Interesse des Dienstgebers außerhalb seiner Wohnung tätig war. Der Tagesdiätenhöchstsatz stellte keinen fixen Gehaltsbestandteil dar, der unabhängig von der zeitlichen Dienstleistung für jeden Tag im Außendienst zugestanden wäre. Dementsprechend hat der Kläger jeweils tägliche Tätigkeitsberichte (Tagesberichte) geführt und diese wöchentlich in Wochenberichte bzw Reiseberichte (Reiseabrechnungen) zusammengefaßt. Auf den wöchentlichen Reiseabrechnungen führte der Kläger jeweils für jeden Tag die von ihm im Außendienst verbrachte Arbeitszeit an. Als Arbeitsbeginn war der Zeitpunkt des Verlassens der Wohnung, als Arbeitsende jener der Rückkehr festgehalten. Die kurzfristige Rückkehr nach Hause, wie etwa zur Einnahme des Mittagessens, vermerkte der Kläger nicht. Die Tagesberichte und Reiseabrechnungen waren die Grundlage für die Auszahlung der Tagesgelder.

Schon bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde bei den Vertreterbesprechungen über die Abrechnung der Tagesdiäten gesprochen. Die damaligen Vertreter führten zum Teil Beginn und Ende der Arbeitszeiten an, zum Teil die Anzahl der im Außendienst verbrachten Stunden, vereinzelt wurden keine Arbeitszeiten ausgewiesen. Die Arbeitsaufzeichnungen wurden nicht bzw nur oberflächlich kontrolliert, da für die Geschäftsleitung nur der erzielte Umsatz wesentlich war. Der Geschäftsleitung war bekannt, daß die Vertreter mitunter auch zu Nachtstunden gearbeitet haben, weshalb ihnen bei der Spesenabrechnung vertraut wurde. Im Jahre 1988/89 wurde sodann die ausdrückliche Weisung erteilt, Arbeitsbeginn und Arbeitsende in den wöchentlichen Reiseabrechnungen einzutragen. Als Arbeitsende galt die Rückkehr nach Hause. Seitens der Geschäftsleitung wurde auch ausdrücklich erklärt, daß die Tagesgelder nur dann zustehen, wenn tatsächlich gearbeitet wird. Außerdem wurde festgelegt, daß für Vertreterbesprechungen nur der halbe Tageshöchstsatz ausbezahlt werde, für Urlaubstage wurden keine Tagesdiäten bezahlt. Nach Gründung der Beklagten im Jahr 1990 wurde gegenüber den Vertretern ausdrücklich festgelegt, daß der volle Tagessatz für die Tätigkeit im Außendienst, und zwar bei einer Dienstleistung von mehr als 12 Stunden pro Tag, zustehe. Es wurde weiters ausdrücklich erklärt, daß bei einer geringeren Außendienstzeit der aliquote Teil des Tagessatzes ausbezahlt werde. Bei der Vertreterbesprechung am 18.5.1990 wurde ausdrücklich darauf verwiesen, daß auf den Tagesberichten eine Arbeitszeit von 12 Stunden vermerkt werden müsse. Nach einem Wechsel in der Geschäftsführung im Jahr 1991 wurde bei verschiedenen Vertreterbesprechungen mehrfach erörtert, daß der Tagessatz nur bei einer Außendienstleistung von mindestens 12 Stunden pro Tag, bei geringerer Dienstleistung jedoch nur der aliquote Teil zustehe. An einigen Tagen in der Zeit von Mai bis Dezember 1992 hat der Kläger auch tatsächlich in seinen Reiseabrechnungen nur aliquote Tagessätze angeführt. Ab dem Wechsel in der Geschäftsführung im August 1991 wurden vor Auszahlung der Tagesdiäten die Reiseabrechnungen der Vertreter an Hand der Tagesberichte genauer kontrolliert.

Etwa im Jahr 1990 hat der Kläger in seiner Wohnung ein Büro eingerichtet. Er führte dort eine Kundenkartei sowie Umsatzlisten und fertigte für die Kunden Weinkarten, Speisekarten und Tischsteher an. Dies, obwohl die Beklagte diese Utensilien zur Verfügung stellte und dem Kläger wiederholt mitteilte, daß deren Anfertigung nicht zu seinem Aufgabenkreis zähle. Seit dem Jahr 1990 führte der Kläger neben seiner Tätigkeit für die Beklagte bei einigen Kunden auch Reinigungsarbeiten durch. Von dieser Nebenbeschäftigung erfuhr der Geschäftsführer der Beklagten erst nach der Entlassung des Klägers.

Im Frühjahr 1993 war die Beklagte mit den Umsätzen des Klägers nicht mehr zufrieden. Dies teilte sie ihm anläßlich einer Messe mit. Es bestand außerdem der Verdacht, daß der Kläger eine Nebentätigkeit ausübe. Es fiel auf, daß der Kläger bei Telefonanrufen während des Tages oft zu Hause war. Damit schien aufgrund der daraufhin durchgeführten Überprüfung der Reiseabrechnungen die in den Tagesberichten angeführte Anzahl von Kundenbesuchen nicht vereinbar zu sein. Die Beklagte beauftragte hierauf einen Angestellten mit der Überwachung des Klägers: Ein Anruf am 14.4.1993 ergab, daß der Kläger gegen 8,45 Uhr zu Hause war. Dies wurde auch um 12,50 Uhr festgestellt. Gegen 15 Uhr sah der Angestellte den mit einem Trainingsanzug bekleideten Kläger, der in seinem Garten mit dem Aufhängen von Teppichen beschäftigt war. Ein Anruf um 15,30 Uhr erbrachte die Auskunft der Gattin des Klägers, daß dieser dienstlich unterwegs sei. In der Reiseabrechnung für diesen Tag wies der Kläger eine Arbeitszeit von 8 bis 21 Uhr sowie die Durchführung von insgesamt 10 Kundenbesuchen aus. Am 6.5.1993 verließ der Kläger das Haus um 9,15 Uhr und kehrte um 12,45 Uhr wieder zurück. Um 13,30 Uhr war der mit einem Trainingsanzug bekleidete Kläger mit dem Dienstfahrzeug beschäftigt, welches um 15,55 Uhr noch immer vor dem Haus stand. Der Kläger hatte das Haus zwischenzeitig nicht verlassen. In der Reiseabrechnung ist eine Arbeitszeit von 7,30 Uhr bis 20,35 Uhr und der Besuch bei insgesamt 12 Kunden angeführt. Am 21.5.1993 war der Kläger um 13,30 Uhr zu Hause. In der Reiseabrechnung gab er eine Arbeitszeit von 8 Uhr bis 20,45 Uhr an.

Nach Einlangen der Reiseabrechnungen und Weiterleitung derselben sowie der Observationsberichte an den Geschäftsführer der Beklagten sprach dieser am 1.6.1993 unter Vorhalt der Ergebnisse der Observation die Entlassung des Klägers aus. Bei diesem Gespräch wurde dem Kläger angeboten, weiterhin als freier Mitarbeiter, nämlich als selbständiger Handelsvertreter auf Provisionsbasis für die Beklagte tätig zu sein. Die Tätigkeit als freier Mitarbeiter wurde dem Kläger deshalb angeboten, weil sich in diesem Fall Kontrollen der Reiseabrechnungen erübrigt hätten. Da der Kläger in der Folge ein anderes Arbeitsangebot bekommen hat, schloß er den ihm unterbreiteten Handelsvertretervertrag nicht ab.

Mit seiner am 8.September 1993 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger S 231.416,65 sA an Kündigungsentschädigung, Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung sowie rückständiger Provision, weil er zu Unrecht entlassen worden sei. Pro Arbeitstag im Außendienst sei vereinbarungsgemäß ein fixer Spesenersatz als Taggeld zugestanden. Da er auch in seinem in der Wohnung eingerichteten Büro im Interesse der Beklagten gearbeitet habe, umfasse die in den Reiseberichten angeführte Arbeitszeit die gesamte tägliche Arbeitszeit und nicht nur jene, welche der Kläger außer Haus verbracht habe.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Der Kläger habe die Entlassungsgründe der Untreue und der Vertrauensunwürdigkeit durch Abgabe betrügerisch falscher Diätenabrechnungen verwirklicht. Das Anbot an ihn, nach der Entlassung als freier Mitarbeiter für die Beklagte zu arbeiten, sei nur deshalb erfolgt, weil der Kläger über die Entlassung gejammert habe und ihm bei dieser Art der Tätigkeiten Manipulationen nicht mehr möglich gewesen wären.

Das Gericht erster Instanz sprach dem Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr strittige Teilbeträge von S 28.000,-- an restlichen Sonderzahlungen und S 5.631,-- an restlicher Provision zu und wies das auf Zahlung weiterer S 197.785,65 brutto sA gerichtete Mehrbegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß dem Kläger, wie allen anderen Vertretern, bekannt gewesen sei, daß nur die tatsächlichen Außendienstzeiten auf den Reiseabrechnungen festgehalten werden dürften. Da die Wohnung des Klägers in dem von ihm betreuten Gebiet gelegen sei, habe er nur jene Zeiten berücksichtigen dürfen, die er außerhalb seiner Wohnung im Dienste der Beklagten verbracht habe. Dies sei dem Kläger bekannt gewesen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, daß er zu Hause Weinkarten, Speisekarten und Tischsteher angefertigt habe, da dies nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört habe. Allen Bediensteten der Beklagten sei bekannt gewesen, daß der Tagesdiätenabrechnung § 26 EStG zugrunde gelegt werde. Auch aus dieser Bestimmung ergebe sich, daß für die Tagesgeldabrechnung maßgebliche Zeiten nur jene seien, welche außerhalb des Dienstortes oder der Wohnung verbracht werden. Die Beobachtung des Klägers durch einen Angestellten der Beklagten habe ergeben, daß er zumindest an zwei Tagen über einen längeren Zeitraum zu Hause gewesen sei und zum Teil auch ausschließlich private Tätigkeiten verrichtet habe, obwohl er in den Reiseabrechnungen ununterbrochene Außendienstzeiten angegeben habe. Der Kläger habe daher inhaltlich unrichtige Reiseabrechnungen erstellt und damit die Auszahlung von Tagesgeldern erschlichen, die ihm nicht zugestanden wären. Damit habe der Kläger aber die Entlassungsgründe der Untreue und der Vertrauensunwürdigkeit gesetzt, da sich der Dienstgeber darauf verlassen können müsse, daß die vom Dienstnehmer bekanntgegebenen Außendienstzeiten richtig seien. Der Kläger sei daher zu Recht entlassen worden. Die Entlassung sei auch nicht verfristet, da vor deren Ausspruch der Vergleich der Observationsberichte mit den Reiseabrechnungen des Klägers erforderlich gewesen sei. Gegen die Vertrauensunwürdigkeit spreche auch nicht der Umstand, daß dem Kläger eine Tätigkeit als freier Mitarbeiter angeboten worden sei, da dem Kläger als selbständigem Handelsvertreter nur Provision, nicht jedoch Tagesgelder zugestanden wären.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger weitere S 197.462,27 sA zu bezahlen und das Mehrbegehren von S 323,38 sA abwies. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes, zog daraus jedoch den rechtlichen Schluß, daß nicht davon gesprochen werden könne, der Beklagten wäre eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum nächsten Kündigungstermin unzumutbar gewesen. Auch wenn in den letzten Jahren bei Vertreterbesprechungen und durch Prüfung der Abrechnungen von seiten der Beklagten klargemacht worden sei, daß die Anspruchsvoraussetzungen für die Tagesgelder wieder genauer geprüft würden, habe ein Vertreter doch weiterhin der Meinung sein können, daß es dem Unternehmen im wesentlichen auf die erzielten Umsätze ankomme und den auflaufenden Tagesdiäten dabei nur eine untergeordnete Bedeutung zukomme. Es falle auf, daß der Kläger ungeachtet des Umstandes, daß er nach seinen regelmäßigen Tagesberichten tagsüber überhaupt nicht zu Hause gewesen sein habe können, trotzdem von der Beklagten wiederholt auch während des Tages zu Hause angerufen worden sei. Die Beklagte sei daher zumindest nicht von einer ununterbrochenen Abwesenheit des Klägers von seinem Wohnhaus durch 12 Stunden hindurch ausgegangen. Entscheidend sei der Umstand, daß dem Kläger bei dem Entlassungsgespräch die Weiterführung seiner Tätigkeit als freier Mitarbeiter angeboten worden sei. Die Beklagte habe somit in dieser für sie entscheidenden Hinsicht der Kundenbetreuung keine ausdrückliche Beeinträchtigung der Vertrauensbasis zum Kläger gesehen, weshalb die Erschütterung der Vertrauensgrundlage in Wahrheit nicht Motivation für die Entlassung habe gewesen sein können. Auch hinsichtlich der Diätenabrechnung habe die aufwendige Observierung des Klägers nur das bei der Beklagten aufgrund wiederholter Telefonanrufe ohnedies vorhandene Wissen darüber, daß der Kläger tagsüber viel zu Hause gewesen sei, konkretisiert. Wenn die Beklagte dieses Wissen nicht zum Anlaß genommen habe, den Kläger zur Rede zu stellen, dann sei ihr dieser Umstand offenkundig in Wahrheit nicht so schwerwiegend erschienen, daß er eine Weiterbeschäftigung des Klägers während der Kündigungsfrist unzumutbar gemacht hätte. Da die Entlassung somit nicht berechtigt ausgesprochen worden sei, stehe dem Kläger die begehrte Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlung, Urlaubsentschädigung und Abfertigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das berufungsgerichtliche Urteil in seinem klagsstattgebenden Teil erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.

Gemäß § 27 Abs.1 AngG ist unter anderem als wichtiger Grund, der den Dienstgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, anzusehen, wenn der Angestellte sich einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig erscheinen läßt. Beim Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit kommt es nicht darauf an, ob der Dienstgeber tatsächlich geschädigt wurde, sondern darauf, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, daß seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien. Hiebei muß das gesamte Verhalten des Dienstnehmers berücksichtigt werden, wobei bei einem Angestellten mit einer größeren Vertrauensstellung ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen ist als bei Dienstnehmern mit bloß untergeordneten Tätigkeiten. Darüber, ob die Befürchtung, daß die Belange des Dienstgebers durch den Angestellten gefährdet seien, gerechtfertigt ist, entscheidet allerdings nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles anzuwenden ist (Arb 8416, 10.636; 4 Ob 94/78; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 609 f). Gerade Angestellte im Außendienst genießen eine besondere Vertrauensstellung, da dem Dienstgeber im allgemeinen weder eine exakte Überwachung der Arbeitszeit noch eine genaue Kontrolle der Tätigkeit möglich, er vielmehr im wesentlichen auf die Richtigkeit der Berichte und Angaben der Reisenden angewiesen ist (Arb 10.017; RdW 1988, 205). Die Rechtsprechung hat daher immer einen strengen Maßstab beim Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit dann angelegt, wenn Außendienstmitarbeiter Reiseberichte unkorrekt ausgefüllt haben oder wenn bewußt falsche Angaben in Tagesberichten gemacht wurden, die die Grundlage für die Diätenabrechnung bildeten (Arb 8416, 10.001, 10.636).

Nach den Feststellungen war dem Kläger bewußt, daß er den Tageshöchstsatz nur dann verrechnen durfte, wenn er tatsächlich zumindest 12 Stunden im Außendienst tätig war. Da der Kläger seine Tätigkeit überwiegend von seinem mit einem Büro ausgestatteten Wohnhaus aus betrieb, kann als Außendiensttätigkeit nur eine solche außerhalb des Wohnhauses gewertet werden. Das ergibt sich schon aus § 26 EStG, nach welcher Bestimmung bei Antritt der Dienstreise vom Wohnort aus, dieser an Stelle des Dienstortes tritt. Eine den Anspruch auf Tagesgeld begründende Dienstreise liegt nur dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer zwecks dienstlicher Obliegenheiten von seinem Dienstort als Mittelpunkt seiner Tätigkeit entfernt (VwGH 85/13/0157; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, 1063). Dem Kläger mußte dies aufgrund der Informationen bei den Vertreterbesprechungen bewußt gewesen sein und wäre es in Anbetracht der klaren Willensäußerung des Dienstgebers seine Sache gewesen, für ihn aus der Besonderheit der Lage des Wohnhauses im Betreuungsbezirk sich ergebende Unklarheiten durch ein Gespräch mit dem Dienstgeber zu klären. Keinesfalls durfte er für sich einseitig eine Sonderstellung arrogieren.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes findet sich auch kein Anhaltspunkt dafür, der Dienstgeber habe die oftmalige Anwesenheit des Klägers in seinem Wohnhaus trotz anderslautender Reiseabrechnung deshalb gebilligt, da er aufgrund von Telefonaten davon Kenntnis gehabt, dagegen jedoch keinen Widerspruch erhoben habe. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes (AS 303) ergibt sich vielmehr im Gegenteil, daß einerseits eine rückläufige Umsatzentwicklung und andererseits die häufige Anwesenheit des Klägers in seinem Wohnhaus aufgefallen ist. Die daraufhin durchgeführte Überprüfung der Reiseabrechnungen ergab für die Beklagte Verdachtsgründe, welche zur Observierung des Klägers führten. Aus diesem Geschehensablauf ergibt sich ein durchaus konsequentes Verhalten der Beklagten, dem eine Genehmigung der unrichtigen Reiseabrechnungen nicht im Entferntesten entnommen werden kann. Mag die Beklagte auch die kurzfristige Anwesenheit des Klägers in seinem Wohnhaus wie etwa zur Einnahme des Mittagessens aus nachvollziehbaren Erwägungen toleriert haben, kann ihr nicht unterstellt werden, sie wäre bereit gewesen, darüber hinaus Tagesdiäten für nicht im Außendienst durchgeführte Tätigkeiten des Klägers zu bezahlen, die entweder nicht in ihrem Interesse lagen (wie das Herstellen von Speise-, Weinkarten und Tischstehern) oder überhaupt privater Natur waren (wie das Aufhängen vom Teppichen im Garten).

Auch das Berufungsgericht geht davon aus, daß zumindest in den letzten beiden Jahren vor Entlassung des Klägers die Reiseabrechnungen strenger kontrolliert und daß die Vertreter generell wiederholt auf die korrekte Art der Abrechnung hingewiesen wurden. In Anbetracht des auch dem Kläger damit bewußt gewordenen Gewichtes, welches die Beklagte auf die wahrheitsgemäße Tagesgeldabrechnung legte, bedurfte es nicht einer weiteren individuellen Ermahnung an den Kläger (ArbSlg 8191, 8785).

Wie bereits dargelegt, bezieht sich die besondere Vertrauensstellung des Außendienstmitarbeiters hauptsächlich auf jenen Bereich, in welchem er für den Dienstgeber nicht oder nur schwer kontrollierbar seine Arbeit einteilt und durchführt. Gerade hier hat der Kläger durch unrichtige Reiseabrechnungen die Vertrauensbasis zerstört. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ist es daher irrelevant, ob der Kläger sich darüber hinaus bei der Kundenbetreuung korrekt verhalten hat. Es kann daher das Anbot der Beklagten, nach der Entlassung für sie weiter als freier Mitarbeiter tätig zu sein, nicht als Ausdruck des Fortbestandes der erforderlichen Vertrauensbasis gesehen werden, da im Rahmen einer derartigen Tätigkeit dem Kläger weder ein Fixum noch Tagesgelder ausbezahlt worden wären und somit die Beklagte nicht hätte befürchten müssen, der Kläger täusche sie über den Umfang seiner Tätigkeit.

Auch der erstmals in der Revision vorgebrachte Hinweis auf Art.XIII Z 4 lit d des Kollektivvertrages für Handelsangestellte könnte kein dem Kläger günstigeres Ergebnis herbeiführen. Zwar steht nach dieser Bestimmung das volle Taggeld bereits für Dienstreisen von mehr als acht Stunden zu, jedoch findet gemäß Z 1 der zitierten Bestimmung diese Regelung dann keine Anwendung, wenn durch Betriebsvereinbarung oder einzelvertragliche Regelung Reisekosten- und/oder Reiseaufwandsentschädigungen geregelt werden. Eine derartige dispositive Kollektivvertragsregelung ist zulässig (WBl 1989, 191; RdW 1990, 123). Abgesehen davon ändert ein geringeres Stundenerfordernis nichts an den unrichtigen Angaben des Klägers in seinen Berichten zumindest über die Tage, an welchen er beobachtet wurde, zumal durch die Kollektivvertragsbestimmung und das dort verwendete Wort "Dienstreisen" ebenfalls unzweifelhaft klargestellt ist, daß nur die außerhalb des Büros im Interesse des Dienstgebers verbrachte Zeit durch das Taggeld abgedeckt wird.

Da somit die Entlassung des Klägers zu Recht erfolgt ist, war insoweit in Stattgebung der Revision der Beklagten das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 50, 43 Abs 2 ZPO.

Rechtssätze
6